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Arzneimittel und Therapie
Nur jeden zweiten Tag Eisen einnehmen?
Wer von einer alternierenden Gabe profitieren kann
Bauchschmerzen, Übelkeit, Verstopfung oder ein metallischer Geschmack – orale Eisen-Präparate zählen nicht zu den bestverträglichen Supplementen, weshalb so manche Anwender die Präparate ungern oder sogar seltener einnehmen, als verordnet wurde. Gleichzeitig ist bekannt, dass die Eisen-Einnahme in den darauffolgenden 24 Stunden zu einer Erhöhung der Hepcidin-Serumkonzentration führt. Dieses Peptidhormon wiederum reduziert die Eisen-Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt, sodass bei erneuter Einnahme eines Eisen-Präparates in diesem Zeitraum ein prozentual geringerer Eisen-Anteil aufgenommen und ein größerer ausgeschieden wird. Es wird daher diskutiert, ob eine alternierende Einnahme möglicherweise sogar effektiver als eine tägliche sein könnte. Weiterhin kann der nicht resorbierte Anteil des Eisens zu den eingangs erwähnten gastrointestinalen Nebenwirkungen beitragen [1]. Die S1-Leitlinie „Eisenmangelanämie“ rät daher bei leichtem oder mäßigem Eisen-Mangel zu einer Einnahme von Supplementen an jedem zweiten Tag. Lediglich bei schwerem Eisen-Mangel rät sie zur täglichen Einnahme [2]. Diese Empfehlungen wurden nun durch eine jüngst veröffentlichte Studie bestätigt.
Bisher dünne Datenlage
In dieser Untersuchung ging ein schweizerisches Forschungsteam der Frage nach, ob die alternierende Einnahme tatsächlich die Verträglichkeit der Eisen-Supplemente verbessert und dabei der Eisen-Speicher ebenso gut oder sogar besser als bei täglicher Anwendung aufgefüllt werden kann. Zwar seien sie nicht die Ersten, die diese Fragen erforschen, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Arbeit, jedoch hätten sie bei einer vor Studienbeginn durchgeführten Literaturrecherche nur kleine Studien identifiziert, in denen kurze Zeiträume untersucht wurden. Verblindete Studien hätten sie hingegen nicht finden können [1]. Diese Lücke wollten sie daher mit einer randomisierten, doppelblinden Studie schließen. Im Zuge dieser werteten die Studienautoren Daten von 150 jungen, gesunden Frauen zwischen 18 und 45 Jahren aus, die zu Studienbeginn einen Serumferritin-Wert ≤ 30 μg/l aufwiesen (im Durchschnitt knapp 16 μg/l) [1]. Bei Ferritin handelt es sich um einen Proteinkomplex, der der Eisen-Speicherung dient. Der Normbereich für Frauen in diesem Alter liegt bei 20 bis 120 µg/l [3]. Die Hälfte der Probandinnen nahm über 90 Tage hinweg täglich 100 mg Eisen (als Eisen[II]-sulfat) oral als Kapsel ein, gefolgt von 90 Tagen, an denen ein Placebo eingenommen wurde. Die anderen 75 Frauen nahmen das Eisen-Präparat und das Placebo täglich wechselnd über 180 Tage hinweg ein. Die insgesamt eingenommene Eisen-Menge war also in beiden Kohorten identisch. Alle Frauen waren angehalten, täglich digital zu protokollieren, ob sie das für den Tag vorgesehene Präparat eingenommen hatten und ob sie Nebenwirkungen bei sich beobachteten. Als primäre Studienergebnisse wurden der Serumferritin-Wert sowie das Auftreten von unerwünschten Wirkungen ausgewertet, eines der sekundären Ergebnisse stellte das Auftreten von Eisen-Mangel nach drei bzw. sechs Monaten dar [1].
Einfluss auf Serumferritin-Wert und Eisen-Mangel
Nach drei Monaten lag der Serumferritin-Wert bei durchschnittlich 43,8 μg/l bei den Teilnehmerinnen, die täglich Eisen erhielten und somit zu diesem Zeitpunkt bereits alle Eisen-Kapseln eingenommen hatten. In der Gruppe mit der alternierenden Anwendung, die zu diesem Zeitpunkt je die Hälfte der Eisen- und der Placebokapseln eingenommen hatte, lag der Wert bei 31,3 μg/l. Nach sechs Monaten betrugen die Werte in den beiden Gruppen im Schnitt 27,0 bzw. 44,8 μg/l. Die Kohorte mit der kontinuierlichen Einnahme hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Monaten nur noch Placebokapseln eingenommen.
Während zu Studienbeginn in beiden Kohorten jede zweite Teilnehmerin einen Eisen-Mangel aufwies, wurde ein solcher nach drei Monaten bei 5,5% der Frauen in der Gruppe mit der konsekutiven Einnahme festgestellt bzw. bei 4,3% in der Kohorte mit der alternierenden Einnahme. Nach sechs Monaten waren 11,4% bzw. 3,0% der Teilnehmerinnen von einem Eisen-Mangel betroffen.
Prävalenz von Nebenwirkungen
Um die Häufigkeit von Nebenwirkungen in beiden Gruppen zu vergleichen, ermittelten die Forscher jeweils deren longitudinale Prävalenz. Hierfür wurde die Anzahl der dokumentierten Nebenwirkungen durch die Gesamtzahl der getätigten Dokumentationen geteilt und das Ergebnis als Prozentangabe ausgedrückt. Über den gesamten Zeitraum von sechs Monaten lag die longitudinale Prävalenz von Nebenwirkungen in der Kohorte mit kontinuierlicher Einnahme bei 6%, in der Kohorte mit alternierender Einnahme betrug sie 5%. Bauchschmerzen traten bei alternierender Einnahme signifikant seltener auf als bei durchgehender. Wurden ausschließlich solche Tage ausgewertet, an denen tatsächlich Eisen eingenommen wurde, betrug das Verhältnis der longitudinalen Prävalenz aus den Gruppen mit kontinuierlicher versus alternierender Einnahme 1,56 (95%-Konfidenzintervall = 1,38 bis 1,77; p < 0,0001) [1].
Was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis?
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die alternierende Einnahme von Eisen im Vergleich zur Einnahme an aufeinanderfolgenden Tagen nicht zu einem höheren Serumferritin-Wert führte, aber nach sechs Monaten eine Verringerung des Eisen-Mangels bewirkte und weniger gastrointestinale Nebenwirkungen auslöste“, fassen die Autoren ihre Ergebnisse zusammen [1].
Auf kurze Sicht gesehen ist die alternierende Eisen-Einnahme also nicht effektiver, und Personen, die einen akuten, schweren Eisen-Mangel ausgleichen müssen, sind mit einer täglichen Einnahme besser beraten. Allerdings ist die alternierende Einnahme besser verträglich. Wer also einen niedrigen Eisen-Speicher auffüllen oder längerfristig einer ernährungs- oder krankheitsbedingten Neigung zu Eisen-Mangel gegensteuern will, für den scheint die alternierende Einnahme eine gute Alternative zu sein – ebenso für Patienten, die stark unter gastrointestinalen Nebenwirkungen leiden und die Therapie andernfalls abbrechen würden.
In jedem Fall ist eine regelmäßige Kontrolle der Eisen-Werte ratsam, denn nicht nur zu wenig, auch zu viel Eisen ist nicht förderlich. So ist bereits seit 2008 auf der Homepage des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) zu lesen: „Bei Erwachsenen kann es durch die langfristige Einnahme von Eisen-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln (in hohen Dosen) zu einer chronischen Eisen-Überversorgung kommen“. Das BfR betonte damals, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine hohe Eisen-Zufuhr aufgrund von unkontrollierter und langfristiger Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Eisen unter anderem das Risiko für Herz- oder Krebserkrankungen erhöht [4]. Neuere Studien scheinen den hier postulierten Zusammenhang zwischen hohen Eisen-Werten und verschiedenen chronischen Erkrankungen, insbesondere Diabetes, zu bestätigen [5, 6]. |
Literatur
[1] von Siebenthal H et al. Alternate day versus consecutive day oral iron supplementation in iron-depleted women: a randomized double-blind placebo-controlled study. eClinicalMedicine. 2023;65:102286, doi: 10.1016/j.eclinm.2023.102286
[2] Eisenmangelanämie. S1-Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie unter Beteiligung weiterer Fachgesellschaften, AWMF-Registernummer 025 – 021, Stand 31.Oktober 2021
[3] Grass U. Laborparameter – verstehen, einordnen, interpretieren. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 4. Auflage, 2020
[4] Fragen und Antworten zu Eisen in Lebensmitteln. Informationen des Bundesinstitut für Risikobewertung, Stand Dezember 2008, www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_eisen_in_lebensmitteln-28383.html
[5] Fernández-Real JM, Manco M. Effects of iron overload on chronic metabolic diseases. Lancet Diabetes Endocrinol 2014;2(6):513-526, doi: 10.1016/S2213-8587(13)70174-8
[6] McElduff A. Iron: how much is too much? Diabetologia 2017;60(2):237-239, doi: 10.1007/s00125-016-4176-0
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