Arzneimittel und Therapie

Bei mildem COVID-19-Verlauf nutzt Telmisartan nichts

Blockierung der ACE2-Rezeptoren kann Erkrankungsprozess nicht aufhalten

Das Angiotensin Converting Enzym 2 (ACE2), das unter anderem auf Typ-II-Alveolarzellen der Lunge exprimiert wird, baut als Komponente des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) Angiotensin II ab. Es vermittelt außerdem die Internalisierung von SARS-CoV-2 in Wirtszellen. Die Hypothese, dass der Eingriff in dieses System einen Einfluss auf den COVID-19-Krankheitsverlauf haben könnte, wird bereits seit Pandemiebeginn diskutiert. Im Rahmen der CLARITY-Studie wurde daher der Einsatz von Telmisartan als Blocker des Angiotensin-II-Rezeptors Typ 1 bei stationären COVID-19 Patienten untersucht.

In präklinischen Mausmodellen führte die Bindung von SARS-CoV (Vorläufer von SARS-CoV-2) an ACE2 zur lokalen Dysregulation des Renin-Angiotensin-Systems durch verminderten Abbau von Angiotensin II. Infolgedessen kam es zur pulmonalen Inflammation und Fibrose. Diese Daten legen nahe, dass die spezifische Hemmung des Angiotensin-II-Rezeptors Typ 1 die durch Angiotensin II ausgelöste Lungenschädigung reduzieren könnte. Außerdem deutet eine unverblindete Hochdosis-Telmisartan-Studie (160 mg/Tag) auf einen Nutzen bezüglich des CRP-Werts, der Sterblichkeit und der Einweisung auf eine Intensivstation hin.

Telmisartan vs. Placebo in Phase-III-Studie

Eine pragmatische, adaptive, multi­zentrische randomisierte kontrollierte Studie widmete sich daher der Fragestellung, ob die Modulation des Renin-Angiotensin-Systems mit Angiotensinrezeptor-Blockern (ARB) die klinischen Ergebnisse bei Patienten mit COVID-19 verbessert. Zwischen Mai 2020 und November 2021 wurden 787 stationär aufgenommene COVID-19 Patienten mit einem medianen Alter von 49 Jahren in die Studie eingeschlossen, die bisher keinen Angiotensinrezeptor-Blocker einnahmen. Dabei handelte es sich zu 99% um Teilnehmer südasiatischer Ethnie (indisches Zentrum) und zu 1% um australische Probanden. Die Teilnehmer erhielten nach Zufallsprinzip (1 : 1) entweder einmal täglich ein ­Sartan (meist 40 mg Telmisartan) oder die Standardmedikation plus Placebo (in Australien ohne Placebo). Ungefähr 30% der Probanden hatten mindestens einen Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf (Diabetes mellitus, Hypertonie). Außerdem wurden als sekundäre Ergebnisse zusätzlich die COVID-19-­Mortalität, Einweisungen auf Intensivstationen und respiratorisches Versagen erfasst.

Klinische Unterschiede ohne Bedeutung

Der durchschnittliche Score der Teilnehmer lag zum Rekrutierungszeitpunkt bei 3 (Krankenhauseinlieferung aufgrund COVID-19-Erkrankung, kein Sauerstoff-Substitutionsbedarf). Der Anteil des besten Werts (Score = 1, ambulant, keine Aktivitätseinschränkungen) an Tag sieben war in der ARB-Gruppe höher als in der Kontrollgruppe (54% vs. 50%). Der Medianwert auf der WHO-Skala lag an Tag 14 bei 384 Teilnehmern der Interventions- und bei 382 Teilnehmern der Kontrollgruppe bei 1. Nach Adjustierung um Alter, Geschlecht, Komorbidität, Hypertonie und Sauerstoffbedarf war das primäre Ergebnis auf der WHO-Skala in der ARB-Gruppe schlechter als in der Kontrollgruppe (Odds Ratio [OR]: 1,51 (95%-Glaubwürdigkeitsintervall: 1,02 bis 2,23). Das sekundäre Ergebnis der bereinigten WHO-Skalenwerte an Tag 28 ergab einen vernachlässigbaren Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen (OR: 1,02, (95%-Glaubwürdigkeitsintervall: 0,62 bis 5,25). Nach 28 Tagen gab es 16 Todesfälle (zehn in der ARB-Gruppe, sechs in der Kontrollgruppe. Auch bezüglich anderer sekundärer Endpunkte gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

Der Krankheitsverlauf des gewählten Patientenkollektivs erwies sich milder als erwartet. 90% der Probanden konnten an Tag 14 nach Hause, wenige ­Patienten benötigten Sauerstoff (28%), und die überwiegend südasiatischen Teilnehmer waren im Vergleich zu ­früheren Studien jünger. Daher ist die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse möglicherweise auf jüngere Patienten mit geringerem Krankheitsschweregrad zu beschränken.

Weitere Studien sind notwendig um Aussagen über eventuell vorliegende Effekte von anderen Dosierungs­schemata oder anderen Vertretern der Angiotensinrezeptor-Blocker bei schweren Krankheitsverläufen treffen zu können. |

Literatur

[1] Jardine MJ, Kotwal SS, Bassi A et al. Angiotensin receptor blockers for the treatment of COVID-19: pragmatic, adaptive, multicentre, phase 3, randomised controlled trial. BMJ 2022;379:e072175

[2] Living Guideline: Therapeutics and ­COVID-19. World Health Organisation, ­Version vom 14. Juni 2022, who.int

[3] Controlled evaluation of Angiotensin Receptor Blockers for COVID-19 respiratory Disease (CLARITY). Update 17. März 2022, https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04394117

Apothekerin Anna-Lena Gehl

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