Tirzepatid und Semaglutid im direkten Vergleich
Seit Ende letzten Jahres ist Tirzepatid (Mounjaro®) nicht nur zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 indiziert, sondern auch zum Gewichtsmanagement bestimmter Risikogruppen. Bei dem sogenannten Twincretin handelt es sich um den Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse, der wie das GLP-1-Analogon Semaglutid (Wegovy®, Ozempic®) an Rezeptoren für das Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1-Rezeptoren) bindet, daneben aber auch an GIP-Rezeptoren (glucoseabhängige insulinotrope Peptid-Rezeptoren, Gastric-Inhibitory-Peptide, GIP).
Bereits 2022 hieß es in einer Leitlinie der American Gastroenterological Association (AGA), dass die Gewichtsabnahme unter Tirzepatid in klinischen Studien bei Typ-2-Diabetes nach 40 Behandlungswochen durchschnittlich größer war als unter Semaglutid-Therapie. Läuft das neuere Tirzepatid dem medial besonders präsenten Semaglutid also womöglich bald den Rang ab? Die Ergebnisse einer aktuellen Kohortenstudie sprechen dafür. Darin wurden Tirzepatid und Semaglutid erstmals direkt in der Behandlung übergewichtiger und adipöser Erwachsener hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, aber auch ihrer Nebenwirkungen miteinander verglichen. In der Studie wurden von Patientinnen und Patienten, die zwischen Mai 2022 und September 2023 Semaglutid oder Tirzepatid erhalten hatten, Daten aus elektronischen Gesundheitsakten in den USA analysiert. Ausgewertet wurden Daten von 18.386 Patientinnen und Patienten, davon hatten 52% Typ-2-Diabetes (absolut: 9563). Im Durchschnitt wogen die Probandinnen und Probanden zu Beginn der Studie 110 kg und waren 52 Jahre alt. 70,5% waren Frauen (absolut: 12.970).
Erfragt wurde unter anderem, ob ein Gewichtsverlust von mindestens 5%, 10% oder 15% erreicht werden konnte. Von den Probandinnen und Probanden erzielten innerhalb eines Jahres
- einen Gewichtsverlust von mindestens 5% unter Tirzepatid 81,8% (95%-Konfidenzintervall [KI]: 79,8% bis 83,7%), unter Semaglutid waren es 66,5% (95%-KI: 64,3% bis 68,7%).
- Beim Ziel von mehr als 10% Gewichtsverlust standen 62,1% unter Tirzepatid (95%-KI, 59,7% bis 64,3%) 37,1% unter Semaglutid (95%-KI: 34,6% bis 39,4%) gegenüber und
- mehr als 15% Gewichtsabnahme erreichten unter Tirzepatid 42,3% (95%-KI: 39,8% bis 44,6%) vs. 18,1% mit Semaglutid (95%-KI, 16,1% bis 20,0%).
Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass Tirzepatid bei übergewichtigen und adipösen Erwachsenen auch außerhalb des Settings randomisierter klinischer Studien zu einem signifikant größeren Gewichtsverlust führt als Semaglutid – obwohl die meisten Erwachsenen unter beiden Arzneimitteln in der Studie nach einem Jahr mindestens 5% an Gewicht verloren hätten.
Kein Unterschied bei gastrointestinalen Nebenwirkungen
Bezüglich der gastrointestinalen Nebenwirkungen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen beobachtet. 55,9% der Tirzepatid-Patientinnen und -Patienten brachen die Therapie ab, unter Semaglutid waren es 52,5%. Man müsse in Zukunft die Gründe dafür – inklusive Engpässe, Nebenwirkungen, Kosten – untersuchen, meinen die Studienautoren. Auch betonen sie, dass in künftigen Studien noch die Unterschiede in anderen wichtigen Endpunkten untersucht werden müssen – beispielsweise der Verringerung schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse. Wie es in der Diskussion der Studie heißt, ist aktuell eine weitere Studie in Arbeit, die Tirzepatid und Semaglutid gezielt bei übergewichtigen Patientinnen und Patienten vergleicht, die keinen Typ-2-Diabetes haben. Mit den Ergebnissen wird jedoch erst Ende des Jahres gerechnet. In der aktuellen Studie war der Gewichtsverlust bei den Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 geringer als ohne, was bisherigen Studienergebnissen entspricht, so die Autoren. Die Hintergründe sind noch unklar. |
Literatur
Rodriguez PJ et al. Semaglutide vs Tirzepatide forWeight Loss in Adults With Overweight or Obesity. JAMA Intern Med, doi:10.1001/jamainternmed.2024.2525, Published online 8. Juli 2024