Medikamente von morgen

vfa: Die Pipeline ist gut gefüllt

Berlin - 02.07.2013, 17:31 Uhr


Das medizinische Wissen wächst rasant. Dies zeigt sich auch in der Pharmaforschung. Derzeit haben die Mitgliedsunternehmen des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa) 324 Projekte in der Pipeline, die die Chance haben, bis 2017 den Patienten zur Verfügung zu stehen. Dies berichtete heute der vfa-Vorsitzende Dr. Hagen Pfundner. Sie sollen mehr als 110 Krankheiten besser behandelbar machen.

Laut der aktuellen Befragung des vfa unter seinen Mitgliedsunternehmen entwickeln die forschenden Pharma-Unternehmen derzeit besonders viele neue Medikamente gegen Krebs (33%) und Entzündungskrankheiten wie Rheuma und Multiple Sklerose (17%). Es folgen Arzneimittel gegen Infektionskrankheiten (12%) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (8%). Bei 13 Prozent der Entwicklungsprojekte geht es um bessere Behandlungsmöglichkeiten für seltene Erkrankungen.

„Unsere Projekte sind Hoffnung für kranke Menschen“, so Pfundner. Sie sollen etwa die Lebenserwartung von Krebspatienten verbessern. Hepatitis-C-Infizierte können hoffen, mit wirksameren und weniger belastenden Therapien geheilt zu werden. Neue Antibiotika sollen mehrfach resistente Bakterien bekämpfen; etwa bei Infektionen mit dem Klinik-Keim MRSA, mit Pseudomonas-Bakterien oder Tuberkulose-Erregern. Allerdings schwingt stets eine gewisse Sorge mit, dass die frühe Nutzenbewertung einigen der Arzneimittel einen Strich durch die Rechnung macht.

Beispiel Antibiotika: Hier sei das Dilemma, dass die neuen Präparate im Allgemeinen nicht breit eingesetzt werden sollen, sondern als Reservemedikamente für Notfälle gedacht sind. Damit, so Pfundner, müsse ein nur sehr kleiner Markt sehr hohe Forschungskosten kompensieren. Werde nun bei der frühen Nutzenbewertung gefordert, dass die neuen Antibiotika auch Patienten ohne resistente Bakterien besser helfen sollen – und auch nicht mehr kosten dürfen – als bereits existierende Arzneimittel, so sei dies ein überwindbares Handicap. Der Mehrwert dieser Antibiotika dürfe nur an ihrer Wirksamkeit gegenüber resistenten Bakterien gemessen werden, so Pfundner.

Trotz der Kritik an einigen Punkten der frühen Nutzenbewertung für neue Arzneimittel – Deutschland ist noch immer ein wesentlicher Standort für die forschenden Hersteller. 12 Prozent der neuen Wirkstoffe kämen aus deutschen Labors, betonte Pfundner. Und Deutschland sei bei klinischen Studien weltweit noch die Nummer zwei – nach den USA und vor Großbritannien und Kanada.

Allerdings habe sich Deutschland auch einige „Fallstricke“ geschaffen. Diese sieht Pfundner auch in Details des frühen Nutzenbewertungsverfahrens. Er gibt zu bedenken, dass ein global tätiges Pharma-Unternehmen die Erforschung und Erprobung neuer Arzneimittel international auf alle Patientenbelange und Anforderungen von Regulierungsbehörden ausrichten müsse. Studien nur für Deutschland zu machen, weil der Gemeinsame Bundesauschuss andere Auffassungen vertritt oder andere Vergleichstherapien sehen möchte als die europäischen Zulassungsbehörden, sei ausgesprochen schwierig, so Pfundner.

Zudem: In fast jedem Nachbarland seien Forschungsausgaben steuerlich anrechenbar – dies erhofft sich der vfa seit Jahren auch von Deutschland. Doch hier habe man eine „Sondersteuer“ auf Innovationen in Form des erhöhten Zwangsrabatts, der erst am Jahresende ausläuft. Wenn die Politik erkennt, dass die ganze Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht von den neu entwickelten Medikamenten profitiert – auch durch weniger Arbeitsausfälle, Frühverrentungen und Pflegebedürftigkeit – sieht Pfundner den Standort Deutschland auch weiterhin gesichert. Entsprechende Anreize müsse es aber schon geben – so etwa die versprochene steuerliche Forschungsförderung.


Kirsten Sucker-Sket