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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Hans Rudolf Diefenbach bleibt dran und sammelt wieder Defektlisten von Lieferengpässen. Jörn Graue bietet den Kassen die Stirn und setzt sich durch. Gabriele Overwiening ist taff und lädt Glaeske zum Kongress und eine Politikerin in ihre Apotheke. Und GKV und DAV sind sich einig und die Politik zickt. Ja, mein liebes Tagebuch, es gibt sie noch, die Menschen und Dinge im Apothekerleben, die die Würze bringen. Und zum Diskutieren anregen. Und darauf freuen wir uns.
11. August 2014
In Sachsen ist sie noch in der Landesregierung, die FDP, zusammen mit der CDU in der regierenden Koalition. Es ist bundesweit die letzte Landesregierung, an der die FDP noch beteiligt ist. Und am 31. August wird im Freistaat Sachsen gewählt. Ob sie dann noch dabei ist, wird sich zeigen. In Umfragen liegt sie meist unter fünf Prozent. Vielleicht wird sie ja von den sächsischen Apothekerinnen und Apothekern gewählt. Denn in ihrem Wahlprogramm befasst sich die FDP auch mit dem Heilberuf Apotheker. Neben der bekannten Freiberuflichkeit, für die die FDP sich stark macht, will sie die flächendeckende Versorgung mit Apotheken erhalten. Und dafür braucht es pharmazeutischen Nachwuchs, folgert die FDP. Deshalb will sie sich auch für den Fortbestand der Pharmazie an der Uni Leipzig einsetzen, für „den Fortbestand der universitären Apothekerausbildung in Sachsen“. Möge es helfen.
Man muss sich nicht alles bieten lassen und auch mal auf den Tisch hauen. Der Apothekerverein Hamburg mit seinem wacker streitbaren Vorsitzenden Jörn Graue hat das getan – in der jüngsten Auseinandersetzung mit der AOK Rheinland/Hamburg. Die Kassen hatten Anfang Juli den Hamburger Apotheken die Berechtigung zur Ausgabe von Hilfsmitteln abgesprochen. Einfach so fristlos den Hilfsmittelvertrag gekündigt. Für Graue war dies ganz klar der Versuch eines Rechtsbruchs. Aber: Recht muss Recht bleiben – Graue kündigte Widerstand und Rechtsmittel an, hinzu kam mediales Feuer. Das brachte die AOK Rheinland/Hamburg zum Einlenken. Ab sofort sind die betroffenen Hamburger Apotheken wieder für alle in dem Vertrag geregelten Hilfsmittel nach dessen Bestimmungen lieferberechtigt, lautete ein Rundfax des Apothekervereins. Was „lernt“ uns das, mein liebes Tagebuch? Genau, den Kassen die Stirn bieten, bringt’s.
12. August 2014
Immer wichtig, immer richtig, Politiker in die Apotheke einzuladen. Gabriele Overwiening, die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, hat es getan: Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ingrid Fischbach, besuchte Overwienings Apotheke. Und tauchte in die Apothekenwelt ein. Sie sagte: „Wo Apotheke drauf steht, muss auch Apotheke drin sein.“ Und sagte auch, was sie damit meint: „Ich möchte, dass sich Apotheken von Drogeriemärkten und ihrem Angebot abgrenzen.“ Mein liebes Tagebuch, bei der Apotheke von Frau Overwiening dürfte sie damit keine Schwierigkeit gesehen haben. Aber es ist gut, wenn die Politik deutlich macht, was sie von den Apotheken erwartet. Was Overwiening dazu nutzte, aufs Medikationsmanagement (MM) hinzuweisen und dass dies honoriert werden müsse. Frau Fischbach dazu: „Wir wollen ein Mehr an Qualität, und da ist es nur logisch, dafür auch Anreize zu schaffen.“ Also, mein liebes Tagebuch, da hören und lesen wir doch heraus, dass die Politik sehr wohl verstanden hat, dass MM auch bezahlt werden muss.
Er lässt nicht locker: Hans-Rudolf Diefenbach, stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV) hat erneut dazu aufgerufen, ihm von Lieferengpässen zu berichten und darum gebeten, Defektlisten zu schicken. Er möchte auf dem Deutschen Apothekertag in München die nach wie vor bestehenden Arzneimittel-Lieferengpässe thematisieren und will sich mit den Defektlisten einen aktuellen Überblick verschaffen. Mein liebes Tagebuch, das Engagement von Diefenbach ist löblich. Man fragt sich nur, wenn er es nicht machen würde, wer würde es dann tun? Von der Jägerstraße kommen dazu keine Aktivitäten.
Schöne neue Selbstbedienungswelt – mit vielen Tücken und Fallstricken: Visavia-Automaten, die als Abgabeterminal z. B. für den Nachtdienst oder auch tagsüber für OTC-Käufe angedacht waren, werden abgebaut. Nachdem es anfangs um diese Terminals berufspolitische und juristische Auseinandersetzungen gab und das Bundesverwaltungsgericht das Abgabeterminal für Arzneimittel sogar weitgehend für unzulässig erklärte, legte der Hersteller im Juli 2012 unter den Augen der damaligen rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin Malu Dreyer dennoch ein Modellprojekt auf. Man wolle herausfinden, so Dreyer, ob ein Abgabeterminal für Medikamente in Apotheken eine sinnvolle und qualitätsgesicherte Ergänzung für die Bürger und Bürgerinnen auf dem Land sein könnte. Na ja, mein liebes Tagebuch, das hätte man sich sparen können. Mitte 2013 wurde das Projekt eingestellt. Umfragen und Auswertungen brachten keine durchschlagenden Erkenntnisse. War zu erwarten und ist auch gut so. Irgendwie war’s ein Projekt, das den Apothekerberuf letztlich auf ein Abgabeterminal reduziert hätte – und das kann’s nicht sein, das kann man nicht wollen und es ginge in eine vollkommen falsche Richtung. Mein liebes Tagebuch, die verantwortungsvolle Arzneimittelabgabe braucht den persönlichen, vertrauensvollen Kontakt zur Apotheke.
13. August 2014
Na, mein liebes Tagebuch, da sorgt er schon heute für Wirbel, obwohl er erst im Frühjahr nächsten Jahres kommt: Prof. Dr. Gerd Glaeske auf dem Westfälisch-Lippischen Apothekertag im März 2015. Er hält dort auf Einladung der Kammer einen Vortrag über evidenzbasierte Entscheidungsfindung in der Apotheke. Bekannt ist: Glaeske, von Haus selbst Apotheker, ist für viele seiner Kollegen ein rotes Tuch, weil er recht Kritisches zu diesem Beruf sagt. Ein Apotheker der Freien Apothekerschaft e.V., Reinhard Rokitta, war über die Einladung zum Apotag so wenig erfreut, dass er gleich einen (Leser-)Brief an seine Kammerpräsidentin Gabriele R. Overwiening schickte und sein Entsetzen über diese Einladung Glaeskes zum Ausdruck brachte: Wie könne man nur jemanden einladen, der „das Ansehen der Apothekerschaft in der Vergangenheit unter anderem mithilfe ausgesuchter Medien bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Dreck gezogen hat“. Mein liebes Tagebuch, egal, wie man zum Apotheker und Professor Glaeske steht und was man vom ihm hält: Die Einladung sollte man sportlich sehen. Ja, man hätte ihn von Seiten der ABDA und der Kammern schon viel früher einladen und in berufspolitische Diskussionen miteinbinden müssen. Man hätte mit ihm schon viel früher diskutieren müssen – möglicherweise wäre die eine oder andere seiner Ansichten über Apotheker anders ausgefallen. Vom Fernsehen gern als Arzneikritiker vor die Kamera gesetzt, provoziert er häufig, er ist ein streitbarer Kopf. Und, hinter vorgehaltener Hand gesagt: Nicht immer, aber manchmal hatte er auch Recht mit seinen Aussagen. Es bringt in aller Regel nichts, Kritiker zu meiden, sie zu ignorieren – im Gegenteil. Daher: Das Programm des Westfälisch-Lippischen Apothekertags ist super: Philosoph Precht über Egoismus, Marketingmann Kaapke über die ABDA und (k)eine erfolgreiche Interessenvertretung – und „Apothekerprofessor“ Glaeske ganz brav über evidenzbasierte Entscheidungsfindung. Die Mischung bringt‘s!
14. August 2014
Knapp 20.000 Euro für 28 Filmtabletten, eine Tablette für 700 Euro – das ist natürlich ein Hammer. Da macht der Hersteller Gilead mit seinem Hepatitis-C-Medikament Sovaldi mächtig Wirbel in der Pharma- und Kassenlandschaft. Von Wucher- und Mondpreisen ist bereits die Rede. Das Arzneimittel ist kein Einzelfall, es gibt bereits weitere hochpreisige Arzneien und möglicherweise folgen in den nächsten Jahren noch mehr. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) ruft jetzt nach der Politik. Er schlägt vor, dass der mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelte Erstattungsbetrag rückwirkend ab Markteinführung gelten sollte und nicht erst ab dem 13. Monat. Mein liebes Tagebuch, über die Preisbildung bei solchen Arzneiinnovationen muss sich unsere Gesellschaft Gedanken machen. Es ist leicht vorstellbar, dass morgen oder übermorgen ein Krebsmittel gefunden wird, das einen durchschlagenden Erfolg hat, aber auch einen durchschlagenden Preis, der die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung ins Unermessliche steigern würde. Was dann? Ich glaube, es ist höchste Zeit, darüber zu diskutieren.
Da haben sich GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) schon mal geeinigt, den Kassenabschlag auf 1,77 Euro per Gesetz festzuschreiben – und jetzt zickt die Politik. „Die Bundesregierung prüft derzeit, ob eine gesetzliche Festlegung des Abschlages angezeigt ist“, heißt es zurückhaltend in einer Antwort von BMG-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke. Das Bundesgesundheitsministerium weist darauf hin, dass im AMNOG Kriterien für die Festlegung formuliert worden seien. Diese „Konkretisierung des Entscheidungsspielraums soll der Selbstverwaltung die Einigung auf dem Verhandlungsweg erleichtern, ihr aber gleichzeitig die Möglichkeit lassen, den Abschlag jährlich an sich ändernde Marktverhältnisse anzupassen“. Tja, mein liebes Tagebuch, genau diese Möglichkeit führte doch in der Vergangenheit zu einem Hickhack zwischen Kassen und Verband und funktionierte nicht. Um hier mehr Ruhe und Planungssicherheit reinzubekommen, hatten sich GKV und DAV verständigt. Und jetzt will die Politik nicht mitspielen? Na, dann wird die Selbstverwaltung, GKV und DAV, im nächsten Jahr dann einen Abschlag für 2016 aushandeln müssen. Wie diese Verhandlungen dann ausgehen werden? Ob der dann noch bei 1,77 Euro liegen wird?
15. August 2014
Schon vor über zwanzig Jahren sagten es Insider voraus: Die Großhandelslandschaft in Deutschland geht in Richtung Oligopol, das mit Blick auf die großen Großhändler und Konzerne wie Phoenix, Gehe, Alliance Healthcare sowie bei den Genossenschaften Sanacorp und Noweda weitgehend abgeschlossen ist. Bei den kleineren, privaten Großhandlungen, die unter der Großhandelskooperation „Pharma privat“ auftreten (etwa zehn Gesellschafter), zeigen sich noch Fusionsmöglichkeiten. Jetzt haben sich Leopold Fiebig GmbH & Co. KG aus Rheinstetten und die Ebert+Jacobi Holdermann GmbH & Co. KG aus Baden-Baden zusammengeschlossen. Ob damit das vorläufige Ende von Fusionen erreicht ist, wird sich zeigen. Laut eigenen Angaben liegt der Marktanteil von Pharma privat bei etwa 8,5 Prozent. Mein liebes Tagebuch, wäre irgendwie schade, wenn die Kooperation unabhängiger Familienunternehmen vom Markt verschwände und von den Großen gefressen würde.
Die Sache mit der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland ist ein Witz. Mindestens seit 2006 soll sie eingeführt werden. Doch seitdem streiten sich die Beteiligten um Datenschutz, Speichermöglichkeiten und mehr. Vor Kurzem machte Bundesgesundheitsminister Gröhe Druck. Scheint gewirkt zu haben, jetzt kommen Ärzte, Zahnärzte und GKV in die Puschen. Ab dem 1. Januar 2015 sollen alle GKV-Versicherte die neue elektronische Karte in den Händen halten und sie dann beim Arzt und Zahnarzt vorlegen. Arg elektronisch ist sie allerdings bis heute nicht. Bis jetzt sind kaum mehr als Name, Anschrift und Versichertennummer gespeichert. Mein liebes Tagebuch, dass dies „ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die Telematikinfrastruktur ist“, wie es die GKV-Chefin Doris Pfeiffer ausdrückte, mag man nicht glauben. Datenschutz und Eigeninteressen aller Beteiligten deuten nicht auf die Einführung von viel Telematikbrimborium hin. Und das elektronische Rezept sollte sich bitte auch Zeit lassen.
17.08.2014, 08:00 Uhr