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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Das war's dann mit dem Sommer, der Herbst macht sich breit – und der Apothekertag steht vor der Tür. Mein liebes Tagebuch, mit Blick in die vorbereiteten Anträge zum Apothekertag: Da gibt’s mächtig was zu tun. Alle Baustellen sind dabei. Auch der ABDA-Antrag: So geht mehr Honorar. Und in einem DAZ-Interview erklärt ABDA-Präsident Schmidt, warum das Leitbild zum Perspektivpapier mutierte und was er sich von den Ärzten erhofft. In dieser Woche auch dabei: Weg mit der Importquote, sagen die Apothekers. Importe sind ja sooo wichtig, sagt die Politik. Und: Lieferengpässe, was ist das? – fragt die Politik. Mein liebes Tagebuch, wir fragen: Wo steckt die Freude im Apotheker-Dasein?
18. August 2014
Mein liebes Tagebuch, du erinnerst dich: Vor zwei Wochen war ich stark gefrustet: Da sollte auf der Health-Tagung in Berlin im Oktober das sächsisch-thüringische Modell Armin vorgestellt werden – und Apothekers waren nicht eingeladen oder aus irgendwelchen Versäumnissen des Veranstalters hatte man nur an die Ärzte gedacht. Die Präsentation der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN), das Gemeinschaftsprojekt von Apothekern, Kassenärzten und der AOK plus – ohne Apotheker, was ist das für ein Zeichen! Dem thüringischen Apothekerverband ließ dies jedenfalls auch keine Ruhe und er hielt nochmal Rücksprache mit den Veranstaltern. Jetzt sind die Apotheker doch dabei: Stefan Fink, der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbands, ist mit von der Partie; er hält einen Vortrag und vertritt die Position der Apotheker. Mein liebes Tagebuch, so ist’ recht. Aber aufpassen muss man schon...
Ein alter Zopf: Re- und Parallelimporte. Die Zweifel, ob Importe in der heutigen Zeit noch sinnvoll sind, mehren sich. Vor allem vor dem Hintergrund, dass über Importwege sehr leicht gefälschte Arzneimittel auf den deutschen Arzneimittelmarkt gelangen können. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) fordert den Gesetzgeber auf, die Importquote abzuschaffen. Mein liebes Tagebuch, wie wär’s: Könnte da nicht gleich auch der Deutsche Apothekerverband eins draufsetzen und die Abschaffung fordern, zumal der Chef des baden-württembergischen Verbands, Fritz Becker, und des Deutschen Apothekerverbands derselbe ist. Auch LAV–Vize Christoph Gulde sieht Importe äußerst kritisch: Er hat Zweifel, ob sie angesichts von Rabattverträgen überhaupt noch etwas zur Wirtschaftlichkeit beitragen. Außerdem verunsichern viele Packungen, zerschnittene Schachteln und überklebte Blister die Patienten. Und der Importweg werde zum Einfallstor für Fälschungen und Hehlerware. Gunnar Müller, „Basis“-Apotheker aus Westfalen-Lippe, wandte sich in Sachen Importe sogar an den Bundesgesundheitsminister Gröhe und bat, die Importregelungen zu überdenken. Ministerialrat Michael Meier antwortete: Der legale Parallelhandel trage „wesentlich zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung und seiner Wirtschaftlichkeit bei“ – wie bitte? Geht’s noch? Importe (also wenn die Importeure die Märkte anderer Länder leerkaufen) tragen wesentlich zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in Deutschland bei? Und weiter heißt es in der Antwort: Man sehe keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der gesetzlichen Vorgabe, preisgünstige importierte Arzneimittel abgeben zu müssen und einem Inverkehrbringen von gefälschten Arzneimitteln. Hoppla, da will man wohl nichts sehen. Und er verweist darauf, dass das letztlich GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband in ihrem Rahmenvertrag regeln müssten. Na denn, mein liebes Tagebuch, da geschieht dann erst mal gar nichts. Oder es muss wirklich mehr passieren, dass Politik und Krankenkassen aufwachen: Vielleicht muss der deutsche Markt erst mit importierten Fälschungen überschwemmt werden? In der heutigen Zeit mit Festbeträgen, Rabattverträgen und Fälscherbanden sollten Importe mega-out sein! Wann kommt die Einsicht?
Das Selbstbewusstsein, das Ärzte an den Tag legen, ist bemerkenswert, liebes Tagebuch. Da posaunt die Kassenärztliche Vereinigung (KBV) mit geschwellter Brust die ärztlichen Honorarforderungen in die Welt: fünf Milliarden mehr müssen’s schon sein, gell? Besonders interessant: Sie schalten sogar eine freche Anzeigenkampagne in Tageszeitungen: „Liebe Krankenkassen, das Geld gehört dahin, wo es wehtut.“ Die gehorteten Beiträge der Versicherten sollten, so heißt es weiter in der Anzeige, in die Behandlung investiert werden, jede ärztliche Leistung soll honoriert und die Attraktivität des Arztberufs erhalten werden. Nett, oder? Und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) hat analysiert, dass rund 60 Prozent der Praxen im Jahr 2010 den Referenzwert, auf den sich KBV und Kassen geeinigt hätten und der bei 106.000 Euro liege, nicht erreichten. Man stelle sich vor, es gäbe einen solchen Referenzwert für Apotheken, den die Offizinen als Jahresüberschuss erreichen sollten und auf den sich die Kassen und der Deutsche Apothekerverband geeinigt hätten.
Die ostdeutschen Apothekerkammern haben „Diskussions- und Handlungsbedarf auf Bundesebene“ bei der ABDA angemeldet – und einen Termin bekommen: Am 11. September, kurz vor dem Apothekertag, gibt’s eine Sondersitzung, auf der Themen wie zum Beispiel Freier Heilberuf und Wirtschaftlichkeit, Perspektiven der PTA-Ausbildung, der Umgang mit Anträgen zum Deutschen Apothekertag und industrielle Zweitverblisterung von Arzneimitteln diskutiert werden sollen. Alles spannende Themen, mein liebes Tagebuch. Man fragt sich nur: Warum haben nur die ostdeutschen Kammern Gesprächsbedarf dazu angemeldet? Was ist mit den westdeutschen Kammern? Wären das nicht Themen für alle Kammern? Oder Themen für den Apotag?
19. August 2014
Also, mein liebes Tagebuch, jetzt wissen wir’s: Die Bundesregierung hält nichts von den Einschätzungen des Gesundheits-Sachverständigenrats zum Apothekenmarkt. In diesen Empfehlungen plädierte der Sachverständigenrat u. a. für eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots, für eine Umstellung der Apothekenhonorierung auf einheitliche Festspannen und apothekenindividuelle Handelsspannen. Die Bundesregierung nahm dazu Stellung, weil die Grünen es wissen wollten. Und warum wollten sie es wissen? Tja, mein liebes Tagebuch, die Grünen scheinen noch immer nicht ihren Frieden mit den bewährten Apothekenstrukturen gemacht zu haben. So im Hintergrund schwelt da noch die Kettenglut. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Kordula Schulz-Asche, nimmt da kein Blatt vor den Mund: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot sei für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung nicht zwingend erforderlich, meint sie, und: „Ich sehe im Moment aber auch keinen Anlass, hier als Grüne aktiv zu werden.“ Man möchte ihr entgegenrufen: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot bringt auch keine Vorteile für die flächendeckende Arzneimittelversorgung – warum sollte man es also wollen? Ach ja, mein liebes Tagebuch, die Grünen, das Thema Apotheken ist einfach nicht ihr Ding.
20. August 2014
Das Thema Lieferengpässe ist in der Politik angekommen, zumindest bei der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU). Sie musste sich mit Lieferengpässen befassen, weil die Grünen-Fraktion angefragt hatte. Die Antwort der Staatssekretärin fällt allerdings wenig erhellend aus. Die Möglichkeiten, Engpässen wirksam entgegenzutreten, seien begrenzt, da die Ursachen vielfältig seien. Hhmm, mein liebes Tagebuch, tolle Erkenntnis, oder? Bloß weil es viele Ursachen gibt, kann man kaum etwas machen? Die Regierung sollte sich vielleicht einfach mal fragen, seit wann es diese Lieferengpässe gibt. Die Maßnahmen, die die Staatssekretärin in ihrer Antwort anspricht, wirken irgendwie hilflos. Diskutiert werde über ein verpflichtendes und erweitertes Melderegister zu aktuellen Lieferengpässen sowie eine Liste klinisch unentbehrlicher Medikamente. Puh, mein liebes Tagebuch, als ob man mit der Auflistung der fehlenden und einer Liste der klinisch wichtigen Arzneimittel irgendetwas erreichen könnte: die Arzneimittel fehlen trotz Auflistung. Aber man merkt, so richtig ernst nimmt die Regierung das Problem nicht. Denn Widmann-Mauz sagt auch: Lieferengpässe seien häufig nicht von langer Dauer und führten zudem nicht zwangsläufig zu Versorgungsengpässen. Oft gebe es therapeutische Alternativen. Im Klartext: Also, ihr Apothekers und ihr Patienten, nun habt euch mal nicht so. Wenn’s euer Arzneimittel nicht gibt, dann wartet oder nehmt einfach ein anderes. Super, gell? Und das im Jahr 2014.
Eigentlich wollte die ABDA ein Leitbild für die Apothekerinnen und Apotheker schaffen. Nach über einem halben Jahr an internen Arbeitssitzungen, Online-Diskussionen und ABDA-Konvent liegt nun ein Text vor, der, oh Wunder, allerdings nicht zum Leitbild taugt. Macht nicht’s, so die ABDA, dann nennen wir’s halt Perspektivpapier. Ist doch auch hübsch, oder? So isse halt, die ABDA: pragmatisch und praktisch. Und statt Leitbild können wir uns nun den Zustand anschauen, „wie wir uns die Entwicklung der Apotheke bis zum Jahr 2030 vorstellen und wünschen“, so Schmidt. Also, mein liebes Tagebuch, jetzt mal nicht meckern: Welcher Beruf kann sich seine Entwicklung bis 2030, so schön beschrieben, schon vorstellen. Na siehste. Und selbst der Spagat mit dem Heilberuf und Kaufmann, der in den Diskussionen gerne Konflikte mit sich brachte, wurde gelöst. Jedem Apotheker steht es an seinem Standort frei, sein Leistungsspektrum zu erweitern, „wenn es in das Bild der Apotheke passt“, formulierte es ABDA-Präsident Schmidt. Also, mein liebes Tagebuch, da weiß doch jetzt wirklich jeder, wo er dran ist.
„Wir sind keine Hilfskräfte, die man nach Belieben hinzuziehen kann“, sagte der ABDA-Präsident im DAZ-Interview im Zusammenhang mit der Umsetzung des Medikationsmanagements. Von den Ärzten erwartet er Entgegenkommen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Tja, wär schön, mein liebes Tagebuch, wenn diese Träume wahr würden. Aber mit Erwarten allein wird’s nicht getan sein. Das sieht auch Schmidt so. Deshalb wollen Apothekerkammern und -verbände auf Ärzteorganisationen zugehen und für das Projekt Armin, die Arzneimittelinitiative werben. Wird ein Knochenjob, mein liebes Tagebuch, muss aber sein.
Neue Medizinprodukte-Abgabeverordnung – ja, so was gibt es neuerdings. Sie ersetzt die bisherige Medizinprodukteverschreibungsverordnung und bringt ein paar Neuerungen mit. Zum Beispiel: Auf dem Rezept über ein verschreibungspflichtiges Medizinprodukt muss die E-Mail-Adresse des Arztes stehen, und Telefon- und Faxnummer. (Mein liebes Tagebuch, solche Vorschriften lassen mit Sicherheit die Kassen einbauen, damit sie Retaxgründe haben.) Außerdem neu: Die Abgabe eines Medizinproduktes, das nicht zur Anwendung durch den Laien vorgesehen ist, darf nur noch an Fachkreise erfolgen, Beispiel Intrauterinpessare. Aber keine Sorge, mein liebes Tagebuch, da der Vertriebsweg über die Apotheke für viele Medizinprodukte eh nicht vorgeschrieben ist, werden sich die Ärzte vielleicht gleich direkt beliefern lassen. Und als Praxisbedarf abrechnen oder wie?
21. August 2014
Die Anträge zum Deutschen Apothekertag liegen vor: sechs Kapitel, 78 Anträge, 101 Seiten. So ziemlich alle drängenden Probleme der Apotheker-Berufspolitik sind hier versammelt. Das sieht nach Arbeit aus. Und hoffentlich ist ausreichend Zeit vorgesehen für Diskussionen – auch für ABDA-unliebsame Anträge. By the way, schade, dass der gemeine Apotheker nie erfährt, was aus den Anträgen des letzten Apothekertags im Einzelnen geworden ist. Da wird auf den Apothekertagen diskutiert, gerungen, gekämpft – und irgendwie und irgendwann werden die Anträge bearbeitet, erledigt, beerdigt und beseitigt. Aber wo, wie und mit welchen Ergebnissen? Fragt da keiner nach? Doch, die Thüringer. Die Landesapothekerkammer Thüringen fordert in einem Antrag zum Deutschen Apothekertag, „eine transparente Bearbeitung der angenommenen sowie der in einen Ausschuss verwiesenen DAT-Anträge sicherzustellen“. Die Antragsteller sollen außerdem zu den entsprechenden Ausschusssitzungen eingeladen werden. Und: Alle DAT-Anträge sollen in einer Datenbank mit ihrem Bearbeitungsstand und der Stellungnahme des Antragstellers im internen Bereich der ABDA-Internetseiten transparent einzusehen sein. Danke, Thüringen! Und wenn dann die endgültigen Antragsergebnisse noch für jeden Apotheker in der Datenbank zugänglich gemacht würden, dann erst hätte man Transparenz. Mein liebes Tagebuch, kann das so schwer sein?
22. August 2014
Jetzt will’s der geschäftsführende ABDA-Vorstand wissen: Welche politischen Forderungen für Änderungsmöglichkeiten des Apothekenhonorars tragen die Delegierten mit? Ein entsprechender Antrag zum Apothekertag hält da einiges bereit. In aller Kürze: die Höhe des Festzuschlags soll jährlich überprüft und die Berechnungsmethodik geändert werden, das Sonderentgelt für dokumentationspflichtige Arzneimittel (z. B. BtM, Tierarzneimittel, Einzelimporte etc.) soll angepasst werden. Das Rezepturhonorar ist auch dabei, allerdings fordert die ABDA da keine höheren Arbeitspreise (wieso eigentich nicht? Sollen Apothekers Salben für lau mixen?), sondern den Festzuschlag auf Rx-Rezepturen (einen Antrag für höhere Arbeitspreise will der Apothekerverband Nordrhein einbringen). Ja, und dann soll noch der Zuschlag von 16 Cent für den Nachtdienstfonds erhöht werden, damit unterm Strich die zugesagten 120 Mio. Euro herauskommen. Mein liebes Tagebuch, das ist ein netter Forderungskatalog – nichts Überzogenes, alles recht bodenständig. Ebenso wie die berechtigte Forderung des ABDA-Vorstandes in einem anderen Antrag, die Zulässigkeit von Nullretaxationen grundsätzlich auszuschließen.
Aber auch Anträge von Kammern und Verbänden versuchen sich zum Thema Honorierung. Der Berliner Apothekerverein fordert beispielsweise eine Gebühr von 3,50 Euro für den Zusatzaufwand bei nicht verfügbaren Rabattarzneimitteln. Mein liebes Tagebuch, da ist nicht schwer abzuschätzen, dass auf dem Apothekertag ein dicker Forderungskatalog verabschiedet wird. Tja, und dann? Wie bringt man ihn in die Politik? Wie überzeugt man Politiker? Die Arbeit beginnt danach.
24.08.2014, 08:00 Uhr