Prämienrabatt mit neuem Modell

Erst in die Apotheke, dann zum Arzt

Berlin - 31.08.2015, 13:25 Uhr

Eine Schweizer Krankenkasse will Versicherte finanziell „belohnen“, die zuerst in die Apotheke gehen. (Foto: goodluz/Fotolia)

Eine Schweizer Krankenkasse will Versicherte finanziell „belohnen“, die zuerst in die Apotheke gehen. (Foto: goodluz/Fotolia)


Die Schweizer Krankenkasse Swica lanciert mit einer Apothekenkooperation ein neuartiges Krankenversicherungs-Modell: Versicherte, die zunächst eine der rund 120 TopPharm-Mitgliedsapotheken aufsuchen und – sofern erforderlich – erst in einem zweiten Schritt einen Arzt konsultieren, können sich künftig über ordentliche Rabatte auf die Grundversicherungsprämien freuen. Das Modell soll die Eigenverantwortung der Versicherten unterstützt, die Hausärzte entlasten und die Apotheker bewusst in die Erstversorgung einbinden, erklärt die Kasse.

Swica ist nach eigenen Angaben „eine der führenden Kranken- und Unfallversicherungen der Schweiz mit rund 1,3 Millionen Versicherten“. 82 Prozent dieser Versicherten haben sich bereits für ein Managed-Care-Modell entschieden, berichtet die Kasse. Mit „Medpharm“ will die Kasse nun gemeinsam mit ihrem Partner, den TopPharm Apotheken, ein weiteres Modell einführen, das den Swica-Versicherten bis zu 19 Prozent Prämienrabatt bietet und gleichzeitig in der Summe die Gesundheitskosten positiv beeinflussen soll.

Apotheke als erster Ansprechpartner

Dabei sollen sich Versicherte für eine Erstberatung an eine der 118 TopPharm Apotheken wenden. Mitgliedsapotheken der Genossenschaft in der Deutschschweiz, deren Vision laut ihrer Internetseite „der lebensbegleitende persönliche Gesundheitscoach“ ist, verfügen über ein separates Besprechungszimmer und die Möglichkeit, direkt einen Arzt in die Erstbeurteilung per Telefon und/oder Bildschirm miteinzubeziehen (netCare). Zunächst arbeitet Swica exklusiv mit den Apotheken des TopPharm-Verbundes zusammen, später sollen sich andere zertifizierte Apotheken anschließen können.

„Viele unserer Kunden suchen bei gesundheitlichen Problemen aus Zeit- und/oder Kostengründen bereits jetzt die nahegelegene Apotheke auf“, erklärt TopPharm-Geschäftsführer Stefan Wild. Mit Medpharm erhielten die Swica-Versicherten nun das Angebot, im Betreuungszimmer die Lösung direkt mit dem TopPharm-Apotheker unter möglicher Einbeziehung eines Telemediziners der Firma Medgate unverzüglich zu erhalten. Weiterer Bonus: „Als Gesundheits-Coach erkundigt sich der TopPharm-Apotheker nach drei Tagen über den Gesundheitszustand des Versicherten.“

Kasse übernimmt Apotheken-Gebühr

Alternativ zum Apotheker können die Versicherten rund um die Uhr die telefonische Gesundheitsberatung santé24 anrufen und – sofern ein Arzttermin erforderlich ist – direkt einen Arzt aus der Medpharm-Liste auswählen. Die Beratung durch den Apotheker oder durch santé24 ist für die Versicherten kostenlos. Bei Versicherten, die am Medpharm-Modell teilnehmen, übernimmt die Krankenkasse die Kosten, die ihnen eigentlich für diese Beratung in der Apotheke entstehen würden (laut dem Schweizer Nachrichtenportal „watson“ 15 Franken). Im Ergebnis verspricht sich Swica niedrigere Arztkosten. „Viele Fälle lassen sich in der Apotheke lösen“, zitiert das Portal Swica-Sprecherin Silvia Schnidrig. „Wir sparen Geld im Gesundheitswesen, wenn die Versicherten nicht bei jeder Bagatelle erst zum Arzt gehen.“

An den Start gehen soll das neue Versicherungsmodell zum 1. Januar 2016. Laut watson.ch steht die formelle Zulassung durch das Bundesamt für Gesundheit noch aus. Da man alle Forderungen des Amtes erfülle, so Schnidrig, gehe man aber davon aus, dass der Einführung nichts im Weg stehe. Geplant ist, das Model in einer ersten Phase im Deutschschweizer Einzugsgebiet der TopPharm Apotheken anzubieten – also insbesondere zwischen Basel, Bern und Zürich. Gespräche mit weiteren Kooperationspartnern, speziell in der Westschweiz und im Tessin, laufen aber bereits. „Unser Ziel ist, Medpharm bis Ende 2016 flächendeckend in allen Prämienregionen anzubieten“, kündigt Swica-CEO Reto Dahinden an.

Ärzte reagieren skeptisch

Wenig Begeisterung kann hingegen der Schweizer Ärzteverband FMH aufbringen. Der Berufsverband vertritt die Interessen seiner über 39.000 Mitglieder und ist zugleich Dachverband von über 70 Ärzteorganisationen. Gegenüber watson.ch bezweifelte Verbandspräsident Jürg Schlup, dass das Modell wirklich die Kosten senken wird – mangels Diagnosekenntnissen könne der Apotheker nur wenige Fälle abschließend behandeln. Und falls er Zusatzuntersuchungen empfehle, um seine Diagnose abzusichern, könne es durchaus teurer werden.

Schlup befürchtet überdies eine weitere Fragmentierung der Gesundheitsversorgung: Hausärzte könnten die meisten Leiden selbst behandeln und koordinierten die Weiterbehandlung soweit nötig. „Der Apotheker ist nicht dafür ausgebildet, diese koordinierende Rolle wahrzunehmen.“ Zudem sei unklar, erklärte er gegenüber dem Nachrichtenportal, ob das Modell zu mehr Medikamentenkonsum führe. Denn das neue Modell wird seiner Meinung nach im Zusammenhang mit dem revidierten Heilmittelgesetz, das voraussichtlich 2017 in Kraft treten wird, noch potenter: Dieses erlaubt Apothekern, bestimmte verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne Rezept abzugeben.


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