Grippeimpfstoffe der Saison 2015/2016

Wahl zwischen wirksam und rabattiert?

Berlin - 05.10.2015, 11:45 Uhr

Der Grippeimpfstoff der Saison steht in der Kritik. (Foto: Eisenhans/Fotolia)

Der Grippeimpfstoff der Saison steht in der Kritik. (Foto: Eisenhans/Fotolia)


Schon in der vergangenen Saison wirkte der Grippeimpfstoff nicht optimal – für die kommende sieht es erneut kritisch aus. Vor allem deshalb, weil gesetzlich Krankenversicherte in der Regel einen rabattierten Dreifachimpfstoff bekommen werden – und nicht den teureren, aber breiter wirksamen Vierfachimpfstoff. Dennoch ruft etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Impfung auf. Die möglichen Folgen dieses unbedingten Sparwillens der Krankenkassen hat nun auch die Publikumspresse aufgegriffen.

Der Wiesbadener Infektiologe und Klinikdirektor Professor Markus Knuf erklärte dem Berliner „Tagesspiegel“, es sei „skandalös“, dass man hierzulande, nur um Geld zu sparen und obwohl es Alternativen gebe, „bewusst in Kauf nimmt, dass die verwendeten Impfstoffe nicht gut wirken“. Der Aufruf zur Grippeimpfung sei nur sinnvoll, wenn man sich für Impfstoffe mit höchster Wirksamkeit und geringster Nebenwirkungsrate entscheide. Doch gerade dies sei derzeit nicht der Fall. Denn die üblichen trivalenten Impfstoffe, die Gegenstand der Rabattverträge sind, enthalten zwei Influenza-A-Stämme und einen B-Stamm aus der Yamagata-Linie. Es kursiert jedoch aber ein zweiter B-Stamm – und zwar aus der Victoria-Linie. Dieser ist nur im quadrivalenten Impfstoff Influsplit® Tetra und dem nasal anzuwendenden Impfstoff Fluenz® Tetra enthalten – beides nicht rabattierte Vakzine mit geringem Marktanteil.

Laut „Tagesspiegel“ hatte Influsplit® Tetra im vergangenen Jahr gerade mal eine Marktdurchdringung von 0,9 Prozent. Das liegt nicht zuletzt am Preis: Mit einem Einzelpreis von 23 Euro ist er deutlich teurer als Dreifachimpfstoffe, die mit Rabatt bei etwa acht Euro liegen dürften – doch ganz genau weiß man dies nicht. Bundesweit hochgerechnet gehe es um eine Kostendifferenz im dreistelligen Millionenbereich, schreibt das Blatt. „Der teurere Vierfachimpfstoff hat unter diesen Bedingungen in unserem Krankenversicherungssystem keine Chance“, zitiert es den Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch Institut (Stiko), Jan Leidel.

WHO-Treffsicherheit: man könnte auch würfeln

Der Direktor des Jenaer Instituts für Virologie und antivirale Therapie, Andreas Sauerbrei, ist aber überzeugt: Ein Vierfachimpfstoff bietet gegenüber der Influenza B schlicht besseren Schutz – und B-Viren verursachten etwa 30 Prozent der Influenza-Krankheitslast. Doch die Weltgesundheitsorganisation legt sich stets sehr früh auf die Zusammensetzung des jeweiligen Impfstoffs für die nächste Grippesaison der Nordhalbkugel fest – und liegt dabei oft daneben. „Die Treffsicherheit ist hinsichtlich Influenza B einem Würfeln nicht wesentlich überlegen“, räumt auch Leidel ein. Der „Tagesspiegel“ verweist auf eine Veröffentlichung des Virologen Peter Wutzler, derzufolge es in sechs der letzten elf Influenza-Saisonzeiten keine Übereinstimmung zwischen dem vorherrschenden und dem im Impfstoff enthaltenen B-Stamm gegeben hat. Daher sei es naheliegend gewesen, Vierfachimpfstoffe mit beiden B-Linien zu entwickeln.

Doch Auswahl gibt es infolge der Rabattverträge nicht mehr. Differenzierte Produkte – etwa solche mit Wirkverstärkern oder spezielle nasale Impfstoffe für Kinder – würden nur in ganz besonderen, von den Ärzten aufwendig begründeten Ausnahmefällen, erstattet, erklärt Sauerbrei. Die Stiko empfiehlt zwar ausdrücklich, Kinder zwischen zwei und sechs Jahren bevorzugt mit Nasensprays zu impfen. Aber die Praxis sieht oft anders aus. Stiko-Chef Leidel sieht dies kritisch: Auch wenn er die Notwendigkeit sieht, die Kassenausgaben zu begrenzen, müsse man das Preis-Leistungs-Verhältnis beachten. Womöglich sei die Ersparnis am Ende höher, wenn man sich für teurere Impfstoffe mit besserer Wirkung entscheide. Klinikdirektor Knuf empfiehlt Eltern bei den Kassen Druck zu machen. Und, wenn dies nicht fruchte, bessere Impfstoffe aus eigener Tasche zu finanzieren. Doch um medizinisch Sinnvolles selber zu bezahlen, findet Stiko-Chef Leidel, sei man eigentlich nicht in einer Krankenkasse.

Eine Dosis des nasalen Vierfachimpfstoffs Fluenz® würde die Eltern 36 Euro kosten. Für den Sprechstundenbedarf wäre er in der Zehnerpackung allerdings günstiger – sie kostet rund 250 Euro. Auch Influsplit®Tetra ist in der Zehnerpackung übrigens deutlich günstiger: statt 23 sind es dann nur noch 13 Euro.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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