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Prophylaxe von Frakturen und Osteoporose
Calcium-Supplemente: empfehlen oder nicht?
Wer über 50 ist und es nicht schafft, mit der Nahrung ausreichend Calcium aufzunehmen, sollte auf Supplemente zurückgreifen. Muss diese Empfehlung nach dem Erscheinen zweier Studien im British Medical Journal revidiert werden?
Bisher schien die Strategie, zum Schutz vor Osteoporose und Knochenbrüchen ausreichend Calcium zuzuführen, „in Stein gemeißelt“. So empfiehlt beispielsweise die 2014 aktualisierte S3-Leitlinie des Dachverbandes der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. (DVO) postmenopausalen Frauen sowie Männern ab dem 60. Lebensjahr ohne spezifische Osteoporosetherapie eine Zufuhr von täglich ca. 1000 Milligramm Calcium mit der Nahrung. Falls diese nicht möglich ist, sollte eine Supplementierung durchgeführt werden. Als Obergrenze für die Gesamtzufuhr aus Nahrungs-Calcium und Supplementen orientierte man auf 2000 Milligramm. Der Grund: für höhere Mengen sei bisher kein zusätzlicher Nutzen belegt, unter Umständen steige aber das kardiovaskuläre Risiko [1].
Nutzen infrage gestellt?
Zwei im renommierten Fachblatt British Medical Journal (The BMJ) veröffentlichte Studien sorgen derzeit für kontroverse Diskussionen, da sie den Nutzen der Calcium-Supplementierung infrage stellen. Bolland und Mitarbeiter [2] kommen nach ihren Analysen zu dem Ergebnis, dass es aus klinischen Studien nicht genügend Beweise für eine Schutzwirkung von Nahrungs-Calcium vor Frakturen bei Menschen über 50 gibt. Für die Hypothese, dass Supplemente Knochenbrüche verhindern können, sei die Evidenzlage schwach und uneinheitlich. Tai und Mitarbeiter [3] schlussfolgerten, dass eine erhöhte Calciumzufuhr aus der Nahrung oder Supplementen zwar geeignet ist, die Knochendichte zu erhöhen. Nach Analyse von 59 klinischen Studien lag die Zunahme der Knochendichte nach einem bis 2,5 Jahren zwischen 0,7 bis 1,8 Prozent. Eine klinisch signifikante Reduktion des Frakturrisikos ließe sich daraus aber nicht ableiten.
Differenzierte Betrachtung notwendig
In einem Beitrag in der aktuellen DAZ-Ausgabe warnt Professor Johannes Pfeilschifter, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie und unter anderem Koordinator der Leitlinienkommission Osteoporose des Dachverbandes Osteologie vor voreiligen Schlüssen aus diesen beiden Studien. Stattdessen sei eine differenzierte Betrachtung notwendig. Beispielsweise müsse bei Patienten, die mit Bisphosphonaten und Denosumab behandelt werden, vor Therapiebeginn eine ausreichende Versorgung mit Calcium und Vitamin D gemäß den Fachinformationen dieser Medikamente sichergestellt sein. „Es wäre ein falsches Signal, wenn diese Patienten den Eindruck bekommen würden, Calcium sei unwichtig“, so Pfeilschifter.
Weitere Untersuchungen erforderlich
Die Analysen in den beiden Studien schließen in erster Linie Personen über 50 ohne Besonderheiten im Calcium-Stoffwechsel ein. Ob dieser Personenkreis nun von einer Supplementierung profitiert oder nicht, können nach Ansicht Pfeilschifters auch diese beiden Studien nicht abschließend klären. Dazu seien weitere Untersuchungen notwendig. Viel wichtiger sei aber, dass es sehr viele Menschen mit Besonderheiten des Calcium-Stoffwechsels gibt, die eine individuelle ärztliche Beratung benötigen. Dazu gehören beispielsweise Patienten mit Nierensteinen, Hypercalciurie, Osteomalazie oder auch Personen nach Magenentfernung oder Darmoperationen. Kinder und Jugendliche sowie Schwangere und Stillende müssten hinsichtlich der täglichen Calciumzufuhr wieder anders beraten werden. „Man sollte also keinesfalls pauschale Empfehlungen für alle abgeben“, betont Pfeilschifter.
Zum Weiterlesen:
DAZ 43: Keine dichteren Knochen durch Calcium?
DAZ 44: Calcium – kein Schutz vor Knochenbrüchen?
Quellen:
[1] Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der OSTEOPOROSE bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und bei postmenopausalen Frauen S3-Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. 2014
[2] Bolland MJ et al.: Calcium intake and risk of fracture: systematic review. BMJ 2015; 351:h4580
[3] Tai et al.: Calcium intake and bone mineral density: systematic review and meta-analysis. BMJ 2015; 351:h4183
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
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