Botulinumtoxin

Merz setzt auf Tests ohne Mäuse

Berlin - 24.11.2015, 16:10 Uhr

Der LD50-Test wird zum Leidwesen von Mäusen noch immer genutzt - obwohl es Alternativmethoden gibt, (Foto: vfa)

Der LD50-Test wird zum Leidwesen von Mäusen noch immer genutzt - obwohl es Alternativmethoden gibt, (Foto: vfa)


Tierversuchsgegner freuen sich: Die Frankfurter Firma Merz setzt bei ihren Botulinumtoxin- Präparaten Xeomin und Bocouture künftig auf tierversuchsfreie Tests. Die Zulassung für das neue In-vitro-Verfahren soll ab Anfang Dezember für alle EU-Staaten gelten.

Die auf ästhetische Medizin spezialisierte Firma Merz testet ihre Faltenglättungs-Präparate Xeomin und Bocouture, die Botulinumtoxin enthalten, derzeit bei einem Hamburger Auftragslabor an Mäusen. Da es sich bei Botulinumtoxin um ein Nervengift handelt, muss jede einzelne Charge auf ihre Sicherheit geprüft werden, bevor sie in den Verkauf gehen kann. Allein Merz hat für seine Botulinumtoxin-Tests pro Jahr 35.000 Mäuse „verbraucht“. Doch nun melden der Ärzte gegen Tierversuche e.V. und  der Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., dass das Frankfurter Unternehmen für eine tierversuchsfreie Zellmethode in Europa eine behördliche Anerkennung bekommen hat.

Die Überprüfung Botulinumtoxin-haltiger Produkte in deutschen Labors erfolgte bei Merz bislang über den umstrittenen LD50-Test. Für diesen wird das Nervengift Gruppen von Mäusen in die Bauchhöhle gespritzt. Jede Gruppe erhält eine andere Verdünnung Botox. Sodann wird die Menge ermittelt, bei der genau die Hälfte der Tiere stirbt (LD50 = tödliche Dosis bei 50 Prozent der Tiere). Die Mäuse sterben in diesem Test nach drei bis vier Tagen Todeskampf an Atemlähmung.

Allergan machte es vor

Dass es auch anders geht, zeigt der Botox-Hersteller Allergan; er testet bereits seit 2011 mit einem Zelltest. Nun gratuliert „Ärzte gegen Tierversuche“ auch Merz zu dem wichtigen Schritt weg von den Mäuseversuchen. Die von dem Unternehmen selbst entwickelte tierversuchsfreie Zellmethode, für die in den USA seit Anfang 2015 eine Zulassung besteht, ist nun auch in Europa anerkannt. Merz teilte den Tierschützern mit, die Mäuseversuche könnten 2016 um 70 Prozent auf 10.400 Tiere gesenkt werden und 2017 um 85 Prozent auf 5.400 Tiere.

Allem Lob zum Trotz kritisiert der Ärzteverband, dass immer noch Tausende von Mäusen in „Botox“-Versuchen leiden und sterben müssen. So testeten etwa die deutschen Standorte der britischen Firma Ipsen und des japanischen Herstellers Eisai unvermindert an Mäusen weiter. Der Verein fordert, die Botulinumtoxinproduktion einzustellen, bis die tierversuchsfreie Methode für alle Testarten und für alle Länder anerkannt ist. Der Verein kündigte an, die Hersteller, die noch auf LD50-Tests setzen, insbesondere Ipsen und Eisai, „weiterhin unter Druck setzen, bis kein einziges Tier mehr für das Antifaltenmittel sterben muss“.

Ein Allround-Test steht grundsätzlich bereit

Der Bundesverband der Tierversuchsgegner fordert, dass schnellstens ein Allroundtest für alle Botulinumtoxin-Typen anerkannt wird. Bei aller Freude über die Nachricht von Merz, dürfe nicht übersehen werden, dass das neue Verfahren nur für die Produkte der Firma Merz für das Botulinumneurotoxin Typ A eingesetzt werden könne. Dabei gebe es bereits einen Allroundtest für alle Botulinumtoxin-Typen. Erst kürzlich hat für diesen Test ein Forscherteam um Professor Gerhard Püschel von der Universität Potsdam den Forschungspreis des Landes Berlin zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche erhalten.

Das Problem ist jedoch, dass dafür zunächst eine kostenintensive Validierungsstudie durchgeführt werden muss. „Um sicherzugehen, dass die qualvollen Botox-Tests an Mäusen dauerhaft beendet werden, muss die Regierung oder ein Wissenschaftskonsortium die nötigen Gelder zur Verfügung stellen",  sagt Christiane Hohensee von „InVitro+Jobs“, einem Portal für tierversuchsfreie Forschung. Das tierverbrauchsfreie Botulinum-Testverfahren von Professor Püschel müsse schnellstens anerkannt werden.

Mehr als zwei Millionen Versuchstiere 2014

Vergangene Woche veröffentlichte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Daten über die Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2014. Danach wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 2.008.537 Wirbeltiere und Kopffüßer in Tierversuchen eingesetzt. Davon waren mehr als 80 Prozent Nagetiere, 63 Prozent waren Mäuse (1.263.519)


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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