POTENZMITTEL

Pflanzliche Produkte sind oft mit Sildenafil verfälscht

Stuttgart - 25.11.2015, 13:53 Uhr

Angeblich natürlich: Urologen aus den USA haben "Nutraceuticals" analysiert. (Foto: nito - Fotolia)

Angeblich natürlich: Urologen aus den USA haben "Nutraceuticals" analysiert. (Foto: nito - Fotolia)


Viagra & Co., die zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassenen Arzneimittel, haben ihren Praxistest bei Millionen Anwendern längst bestanden. Dennoch gibt es Männer, die „natürliche“ Mittel zur Potenzsteigerung bevorzugen. Amerikanische Urologen haben die umsatzstärksten Produkte analysiert und bewertet.

Potenzmittel aus der Natur stehen nicht nur in China hoch im Kurs, sondern auch in den USA. So geriet neulich das Mittel „Reload“ in den Blickpunkt, weil der populäre amerikanische Basketballspieler Lamar Odom es bei einem dreitägigen Aufenthalt in einem Bordell zusammen mit Cocain in einer Überdosis eingenommen hatte und danach bewusstlos zusammengebrochen war.

Nun haben Urologen der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem (North Carolina) die angeblich natürlichen Potenzmittel, die in den USA in großer Zahl als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden, untersucht. Die Präparate haben zwar keine medizinische Indikation (z.B. zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion), denn dann müssten sie die Hürde der Arzneimittelzulassung nehmen. Die Hersteller werben vielmehr mit Lifestyle-Argumenten wie Verbesserung des Sexuallebens.

Mittel firmieren unter "Nutraceuticals"

Die deklarierten pflanzlichen oder tierischen Inhaltsstoffe dieser Präparate gelten in den USA nicht als zulassungspflichtige Arzneistoffe. Immerhin ist offensichtlich, dass es sich aber bei den Produkten um Zwitterwesen von Lebensmittel und Arzneimittel handelt, deshalb hat sich der Begriff „Nutraceuticals“ eingebürgert.

Die Urologen haben festgestellt, dass 80 Prozent der analysierten Potenzmittel synthetische PDE-5-Hemmer wie Sildenafil (in Viagra®) enthalten, also chemisch definierte Arzneistoffe, die nach dem Gesetz nur in den Handel gebracht werden dürfen, wenn die Arzneimittelbehörde FDA sie zugelassen hat. Bei 20 Prozent der Präparate ist der Gehalt an PDE-5-Hemmern sogar so hoch, dass bei der empfohlenen Dosierung die therapeutische Höchstdosis überschritten wird, sodass hier mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden muss.

Dagegen ist der Gehalt der deklarierten Wirkstoffe oft relativ gering. Typische Ingredienzien der 30 am häufigsten in den USA verkauften Produkte sind folgende (dazu die Bewertung der Autoren):

Die beliebtesten natürlichen Potenzmittel

Ginseng (Panax ginseng) kommt am häufigsten vor, und zwar in Dosierungen von 10 bis 150 mg Pulver pro Kapsel oder Tablette. Die koreanische Wurzel gilt als universales Stärkungsmittel und ist auch in Deutschland in vielen Produkten auf dem Markt, wobei der Wirkstoffgehalt der Produkte sehr unterschiedlich sein kann. Beispielsweise gibt es Kapseln mit 500 mg Pulver.

Burzeldorn (Tribulus terrestris) wurde in Dosierungen von 100 bis 1000 mg angetroffen. Die erwünschte Wirksamkeit ist nicht belegt, vielmehr muss mit Schädigungen von Leber und Niere gerechnet werden.

Elfenblume (Epimedium). Der Extrakt führt bei Ratten zur Erektion, doch gibt es keine klinischen Studien. Als Wirkstoff gilt das Flavonolglykosid Icariin.

Bockshornklee (Trigonella foenum-graecum). In einer placebokontrollierten Studie (n = 60) erhielten die Männer der Verumgruppe eine Tagesdosis von 600 mg und berichteten mehrheitlich über eine Verbesserung ihres Sexuallebens. Das Lebensmittel aus der Leguminosenfamilie gilt in gesundheitlicher Hinsicht als unbedenklich.

Maca-Wurzel (Lepidium meyenii). Ein stimulierender Effekt zeigte sich zwar in Tierversuchen, aber die Ergebnisse der wenigen klinischen Studien sind nicht überzeugend. Gesundheitliche Risiken sind nicht bekannt.

Yohimbin, ein Indolalkaloid aus der Rinde des in Westafrika wachsenden Yohimbe-Baums (Pausinystalia yohimbe), dürfte das am besten untersuchte pflanzliche Potenzmittel sein. Es wirkt über das zentrale Nervensystem und erwies sich in mehreren placebokontrollierten Studien als wirksam. Allerdings ist die gleichzeitige Einnahme von Antidepressiva kontraindiziert.

Zink, Magnesium und Selen sind die häufigsten Mikronährstoffe in den untersuchten Präparaten. Sie sind wohl vor allem als ein Zugeständnis an bestimmte Vorstellungen von gesunder Ernährung anzusehen, die allenfalls indirekt die Potenz steigern.

Fazit: Gefahr droht den Anwendern der untersuchten Potenzmittel kaum von den „natürlichen“ Inhaltsstoffen, sondern von den nicht deklarierten Synthetika. Andererseits wären die Präparate ohne diese Zusätze wohl relativ wirkungslos. Viele Hersteller sehen sich anscheinend gezwungen, ihre Produkte zu verfälschen, damit sie sich im Markt behaupten können. Dieses gesetzwidrige Verhalten ist bisher kaum verfolgt und bestraft worden.

Die Studie von Dr. Tao Cui und Mitarbeitern wird demnächst im Journal of Sexual Medicine gedruckt, sie wurde aber schon online publiziert.

J Sex Med 2015, online 3. November


Dr. Wolfgang Caesar (cae), Biologe
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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