- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Alles bleibt anders
Der Präsident der Bundesapothekerkammer wirkt wie ein müder Kater, mancher Apotheker wie ein zitterndes Kaninchen vor einer Schlange. Schluss mit dem Stillstand, findet Ann-Katrin Kossendey-Koch. Es ist Zeit, endlich die Komfortzone zu verlassen.
Klare Worte und doch nur heiße Luft - die Eröffnungsrede von
Dr. Andreas Kiefer, Präsident der BAK, auf dem Pharmacon in Schladming, gleicht
dem Fauchen eines müden Katers. Er spricht aus, was alle im Plenum längst
wissen. Eine für den Patienten sinnvolle Medikationsanalyse bedarf einer
kollegialen Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern. Eine Forderung, die
vehement im politischen Berlin vertreten werden muss, unter Kollegen allerdings
nur noch für ein resigniertes Nicken taugt. Da wundert dann auch nicht mehr der
präsidiale Hinweis, dass der Apotheker dem Kunden nicht schaden solle.
Apotheker, das ist die Berufsgruppe, die noch nicht mal den Vornamen oder die Telefonnummer des verschreibenden Arztes ohne Rücksprache auf einem Rezept ergänzen darf, falls diese Angaben, die ja laut Arzneimittelverschreibungsverordnung für die korrekte Belieferung lebensnotwendig sind, fehlen sollten, aber andererseits das volle Retax-Risiko für den ärztlichen Formfehler trägt.
Apotheker, das sind die, die sich, obwohl gar nicht offiziell
am Medikationsmanagement beteiligt, mit den Ärzten im vorauseilendem Gehorsam
darauf geeinigt haben, dass sie, niemals, aber auch niemals, die Diagnosen der
Patienten lesen dürfen.
Und Friedemann Schmidt fordert eine neue Approbationsordnung
– finde den Fehler!
Die Immobiliensuche und die Vereinsgründung sind durch, neue
Leitlinien erstellt, also schnell ein neues Ablenkungsmanöver. Wie kreiere ich
Zukunft? Indem ich die Ausbildung aufpeppe und an das neue Berufsbild anpasse.
Bloß an welches? An den ausschließlich Medikamente herstellenden und prüfenden
Schubladenzieher von Minister Gröhe oder die Lichtgestalt des
Perspektivpapiers, die außer uns selber so keiner wahrnimmt?
Ja, wir haben in unserem Berufsstand mit sehr vielen Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften zu kämpfen. Aber anstatt innerhalb dieser Grenzen phantasievoll Zukunft zu gestalten, fordern unsere Standesvertreter munter die Überarbeitung dieser Knebel oder erfreuen uns mit immer mehr Bürokratie, angeblich um die Qualität unserer Leistungen zu sichern.
Aber wie wäre es mal stattdessen mit Risiko?
Ich fände einen aktiven Misserfolg der ABDA weitaus
erträglicher als dieser Wachkoma-Zustand, da Scheitern eine Handlung
voraussetzt. Als selbstständiger Apotheker weiß man, dass nicht alles, was man
umsetzt, auch Erfolg hat, das nennt sich unternehmerisches Risiko. Aber wer
nicht wagt, der nicht gewinnt. Wer sich zukunftsorientiert ausrichten will,
braucht eine klare Positionierung und eine innovative Strategie. Man braucht
Empathie und Leidenschaft für sein Business, um weiterhin erfolgreich zu sein.
Einzelkämpfer, die sich an die Befürchtung klammern, dass es
noch schlimmer kommen könnte und damit jedem Kaninchen Konkurrenz machen, das
zitternd vor der Schlange hockt, sind nicht überlebensfähig.
Wir brauchen mehr Teamfähigkeit - nicht nur in den Apotheken
vor Ort, sondern untereinander im ganzen Berufsstand. Und wie in der Familie zu
Hause, lernt es sich am besten anhand von Vorbildern.
Unsere Standesvertretung ist geprägt von einem überalterten System. 17 Apothekerkammern und 17 Apothekerverbände inklusive Anhang plus Bundesverbände und einem Verein mit diversen Tochtergesellschaften. Warum werden diese Strukturen nicht völlig neu geordnet? Verschlankt und rationalisiert.
Hörbare Stimme
Wir leisten uns diese vielen Ehrenamtlichen, die zum Teil
sehr engagiert versuchen, neue Ideen umzusetzen, aber leider aufgrund des starren
Systems nicht viel erreichen können. Wir brauchen eine professionelle Führung,
die sich voll und ganz dieser Aufgabe widmen kann, die für ihre Handlungen
Verantwortung übernehmen muss und deren Erfolg dadurch auch messbar wird. Transparenz
in allen Ebenen statt undurchsichtigem Gemauschel der grauen Herren (und
einigen wenigen Damen). Dazu brauchen wir eine leistungsstarke Basis, die
gemeinsam für die Zukunft der Pharmazie einsteht und die eng mit der
Führungsebene zusammenarbeitet. Es gäbe dann zwar weniger wichtige Pöstchen zu
vergeben, aber unser Berufsstand würde eine hörbare Stimme bekommen.
So wie der Alltag in den Apotheken immer stärker unser
unternehmerisches Know-how fordert, so fordert die Politik unseren Berufsstand
heraus. Ich verdiene mein Geld in der Apotheke nicht, indem ich die Teamregeln
zum x-ten Male überarbeite, nächtelang Benchmark-Listen auswerte oder mir für
das Labor neue Standgefäße kaufe.
Das ist die Kür, das kann ich tun, wenn alles andere in
meinem Unternehmen optimal läuft. Um erfolgreich zu sein, muss ich zu allererst
meine Kunden begeistern, ihnen Lust auf meine Apotheke machen. Das ist im
Großen nichts anderes als im Kleinen.
Lobbyarbeit heißt, den Politikern zu verdeutlichen, welchen Mehrwert wir Apotheker der Gesellschaft bringen, und für unsere Ideen und Konzepte so zu brennen, dass diese Leidenschaft ansteckend ist. Dann werden wir auch für unsere Leistungen angemessen bezahlt.
Nichts zu verlieren
Und wir brauchen den Mut, anders zu sein als andere. Wer es
wagt, aus der Gruppe der angepassten Pharmazeuten auszuscheren, muss damit
rechnen, dass die eigenen Kollegen zu den größten Feinden werden. Jeder neue
Ansatz kann hilfreich sein, und nur weil der Weg nicht meiner ist, heißt es ja
nicht, dass er nicht vielleicht doch zum Ziel führt.
Ein Perspektivwechsel kann manchmal helfen. Anstatt sich zu
fragen, gegen welche Vorschrift der Kollege gerade verstößt, kann man sich ja
auch inspirieren lassen, und wenn es nur dazu dient, für sich zu entscheiden,
was man nicht umsetzen möchte.
Stillstand ist der sichere unternehmerische Tod, der schleichend aber unausweichlich kommt. Die neuesten Zahlen sprechen Bände. Weitere Apotheken wurden 2015 geschlossen, und es wird erwartet, dass wir Ende 2016/Anfang 2017 bereits weniger als 20.000 Apotheken in Deutschland haben werden. Und was noch viel dramatischer ist, dass viele Kollegen in ihrer Apotheke fatalerweise ihre Altersvorsorge gesehen haben, nun aber feststellen müssen, dass ihr Lebenswerk unverkäuflich geworden ist.
Wir haben nichts mehr zu verlieren, schlimmstenfalls bleibt alles beim Alten. Es ist an der Zeit, die Angst vor Veränderung zu überwinden und die Komfortzone zu verlassen. Fangen wir bei uns selber an ... nur so kann sich was bewegen!
10 Kommentare
Alles bleibt anders...
von Toni Rimrod am 23.01.2016 um 11:07 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Alles wird gut . . .
von Uwe Hansmann am 22.01.2016 um 19:49 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
nur unglücklich formuliert?
von Dr. Gregor Huesmann am 22.01.2016 um 18:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Unbedingt Besitzstandswahrung berücksichtigen!
von Wolfgang Müller am 20.01.2016 um 21:22 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Besitzstandswahrung
von Gregor Huesmann am 22.01.2016 um 18:14 Uhr
......im Kleinen funktioniert es ja teisweise!
von Dr. Christian Meisen am 20.01.2016 um 20:50 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Alles bleibt anders
von Gregor Huesmann am 20.01.2016 um 19:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: nur unglücklilch formuliert ?
von Sven Gallinat am 21.01.2016 um 9:18 Uhr
AW: Ergänzung...
von Sven Gallinat am 21.01.2016 um 9:26 Uhr
Perspektivwechsel statt Perspektivpapier!
von Kerstin Kemmritz am 20.01.2016 um 11:57 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.