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Aspirin Complex, wick Medinait, Meditonsin
Der Glaeske-Realitäts-Check
Sie müssen jetzt ganz stark sein: Ja, schon wieder Gerd Glaeske auf DAZ.online! „Es gibt Arzneimittel, die sollte ein Apotheker einfach nicht empfehlen“ - das erklärte der als Kassenlobbyist umstrittene Apotheker jüngst auf einer Veranstaltung vor renommierten Pharmazeuten. Wir wollten von ihm wissen, was ansonsten zu tun ist. Realistisch bitte.
Julia Borsch: Herr Glaeske, wir werden Sie zu Ihrer Blacklist befragen. Beginnen wir doch direkt mit einem Klassiker: Wie beraten sie bei dem Wunsch eines Kunden nach Aspirin Complex?
Gerd Glaeske: Das ist nicht ganz einfach. Mit den Publikationen von Studien von Professor Ronald Eccles aus Cardiff hat Bayer versucht, den Vorteil dieser Kombination zu belegen. Die grundsätzliche Aktivität des Unternehmens, auch für OTC-Präparate eine belastbare Evidenz anzubieten, ist zunächst einmal zu begrüßen – im Erkältungsbereich die große Ausnahme. Das Problem in diesen Studien ist jedoch zum einen die klinische Relevanz der Messungen. Der primäre Endpunkt „Nasenwiderstand“ bleibt eher unklar, andere patientenrelevante sekundäre Endpunkte, wie subjektive Einschätzung der Nasenbeatmung, bleiben eher nicht signifikant oder grenzwertig. Zum anderen und viel problematischer ist jedoch aus meiner Sicht, dass ein Vergleich mit den hierzulande als Standardtherapeutika eingesetzten Nasentropfen und Nasensprays mit Xylometazolin fehlen.
Nicola Kuhrt: Und daher lehnen Sie das gesamte Präparat ab?
Glaeske: Meine Kollegen bei Stiftung Warentest und ich haben mittlerweile viermal mit Verantwortlichen bei Bayer gesprochen und uns jetzt auf Folgendes verständigt: Aspirin Complex wird von uns weiterhin als eine unnötige Kombination bewertet, weil die Begründung für die Kombination der beiden Wirkstoffe nicht mit dieser Studie geliefert wird – das traf nicht unbedingt auf Begeisterung. Aber Bayer hat zumindest neue Studien vorgelegt und damit gezeigt, dass ihnen die Evidenz auch für OTC-Produkte wichtig erscheint, als einzige übrigens. Für Wick MediNait, Grippostad oder Boxagrippal gibt es Studien dieser Art nicht. Bayer ist also aktiv geworden. Aber es bleibt dabei: Mich stört der systemische Ansatz von Aspirin Komplex, da es gute lokale Alternativen gibt. Wenn es um die Linderung eines Schnupfens geht, kann ich lokal Nasensprays oder Nasentropfen ohne Konservierungsstoffe anwenden.
Borsch: Aber anderswo, vor allem im angelsächsischen Raum, wird der systemische Ansatz bevorzugt. In diesen Ländern hat man sogar Probleme, ein lokal wirksames Mittel zu finden.
Glaeske: Das ist ein wenig das Problem. Auch in der immer wieder zitierten Cochrane-Studie, die angeblich den Vorteil von Kombinationen bei grippalen Infekten gezeigt haben soll, wurden nur Studien einbezogen, die als Vergleich Placebo gewählt haben. Dass solche Produkte, selbst also nicht sinnvoll zusammengesetzte Kombinationen mit Schmerzmitteln und etwa Antihistaminika, dann besser abschneiden, kann wirklich nicht erstaunen. Was die Studie zeigt ist übrigens, dass Aspirin Complex in den ersten beiden Tagen spürbar hilft. Es ist aber danach nicht mehr erforderlich, es weiter zu nehmen, weil es dann bessere lokale Alternativen gibt. Es wäre eine Anfangstherapie, sozusagen eine akute Intervention. Ich habe Bayer schon vorgeschlagen, doch eine Packung mit zwei oder vier Tabletten anzubieten. Dann wäre das umgesetzt, was die Studie nahelegt.
Es gibt zudem keinen Hinweis darauf, wie die jeweilige Dosis wirkt, das wurde aus alten Studien übernommen. Meine kritische Haltung zu diesem Produkt bleibt daher grundsätzlich erhalten, solange keine Studien Vorteile im Nutzen, in der Anwendung und in der Verträglichkeit gegenüber einer freien Kombination mit Schmerzmitteln und Nasensprays gezeigt haben.
Kuhrt: Kombipräparate werden aber nun mal häufig nachgefragt und durch die Kunden gewünscht. Es ist doch realitätsfern, so zu tun, als wäre die Situation im akuten Erkältungsfall in der Offizin eine andere. Was sagen Sie den Kollegen?
Glaeske: Es spricht aus meiner Sicht überhaupt nichts dagegen, die freie Kombination zu empfehlen. Damit kann übrigens der gleiche Umsatz erzielt werden wie mit solchen Kombinationspräparaten. Und Aspirin Complex ist mit Blick auf das enthaltene Pseudoephedrin nicht zu unterschätzen. Ich glaube, dass sensible Menschen mit Herzinsuffizienz oder mit Herz-Kreislauferkrankungen durchaus Herzbeschwerden bei der systemischen Anwendung bekommen könnten, die ich bei einer lokalen Anwendung nicht hätte. Und wenn ich den gleichen Patientennutzen habe mit relativ weniger Risiken, dann ist eine freie Kombination ganz sicher die bessere Wahl.
Borsch: Ich finde den Zweitages-Aspekt interessant. Das ist für mich die Nische, die diese Kombi-Mittel gefunden haben.
Glaeske: Bedenken Sie bitte noch einmal: Es ist ein Manko der Bayer-Studie, dass diese nicht die bei uns gängigen Vergleiche und Alternativen einbezogen hat. Dass haben wir bei Stiftung Warentest auch thematisiert, aber dennoch – wenn auch mit großer Zurückhaltung – die Bewertung ergänzt und auf die Anwendung zu Beginn einer Erkältung mit Schnupfen hingewiesen. Das war uns wichtig. Wir wollen Studien, die zur Evidenz beitragen, nicht nur nutzen, sondern auch belohnen, wenn sie zu einem differenzierten Erkenntnisgewinn beitragen. Wenn eine Firma Bayer dafür etwas tut, dann soll sich dies auch in der Bewertung und der daraus möglichen Empfehlung niederschlagen. Aber es ist und bleibt aus meiner Sicht keine gute Empfehlung für die Behandlung eines dauerhaften Schnupfens.
Aspirin® complex
Die Antwort der Firma Bayer: Schnupfen ist das Leitsymptom einer Erkältung. In etwa 80 Prozent der Fälle entwickeln sich parallel dazu Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen. Zur Schmerzlinderung bei gleichzeitig verstopfter Nase ist der Einsatz eines rezeptfreien Präparats sinnvoll. Speziell dafür wurde Aspirin Complex entwickelt. Es enthält 500 mg Acetylsalicylsäure gegen Schmerzen und Fieber im Rahmen einer Erkältung und 30 mg Pseudoephedrin (PSE), das die Nasenschleimhaut abschwellen lässt. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aspirin Complex wurde in drei Placebo-kontrollierten klinischen Studien mit mehr als 2000 Patienten nachgewiesen [1, 2, 3]. Eine aktuelle monozentrische randomisierte doppelblinde vierarmige Parallelgruppenstudie untersuchte die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aspirin® Complex im Vergleich zu den darin enthaltenen Monosubstanzen ASS und PSE sowie Placebo bei 833 Patienten mit Nasenschleimhautschwellung und Schmerzen assoziiert mit einer akuten, viralen Infektion der oberen Atemwege (URTI) [3]. Mit ihrem Design entspricht die Studie den seit 2009 geltenden EMA-Richtlinien für fixe Arzneimittelkombinationen [4]. Die Studie dokumentiert eine statistisch signifikante Überlegenheit der Kombination aus ASS plus PSE gegenüber der Monosubstanz PSE in Bezug auf eine Schmerzreduktion sowie eine signifikante Überlegenheit gegenüber ASS oder Placebo in Bezug auf eine Nasenschleimhautabschwellung. Die Studie untermauert damit die bisherigen klinischen Daten und Ergebnisse nicht-interventioneller Studien zu Aspirin® Complex der letzten zehn Jahre. Bayer hat sich bewusst dafür entschieden, diese Studie durchzuführen, um den aktuellen wissenschaftlichen Anforderungen Genüge zu tun. Auf Basis aller vorliegenden Daten kann bei bestimmungsgemäßer Verwendung von Aspirin Complex das Risiko für unerwünschte Wirkungen als gering erachtet werden.
Bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Arzneimittel gegen die verschiedenen Erkältungssymptome können Neben- oder Wechselwirkungen hervorgerufen werden. Der Vorteil von Kombinationspräparaten ist, dass die Wirkstoffe in Form, Dosierung und Wirkung aufeinander abgestimmt sind. Die Sicherheit dieser Arzneimittelkombinationen sollte wie bei Aspirin® Complex durch klinische und nicht-interventionelle Studien geprüft und bestätigt sein.
Aspirin® Complex erfüllt alle Anforderungen an ein modernes Erkältungspräparat: Es wirkt aufgrund seiner Granulat-Formulierung schnell und lange bis zu sechs Stunden nach Einnahme und trocknet die Nasenschleimhaut nicht aus. Vor allem genießt es das Vertrauen der Anwender: Nach einer Befragung von mehr als 1000 Verwendern im Jahre 2011 sind über 90 Prozent der Anwender mit Aspirin® Complex zufrieden [5]. Als bewährtes und in Studien als wirksam nachgewiesenes rezeptfreies Arzneimittel ist Aspirin® Complex eine sinnvolle Empfehlung zur Behandlung der wichtigsten gleichzeitig auftretenden Erkältungssymptome.
Quelle: Nicht andrehen lassen? - DAZ 35/2013
Wick MediNait
Kuhrt: Was halten Sie denn von dem Kombi Wick MediNait?
Glaeske: Eine typische Kombination, mit der man systemisch ganz viel nebeneinander schaffen will – wir nennen so etwas auch ein wenig despektierlich „Schrotschusstherapie“, so nach dem Motto: Irgendetwas wird schon treffen. Das Produkt enthält vier Substanzen, diese Mischung finde ich dramatisch. Das Dramatischste finde ich aber, dass dieser Wirkstoff in 18 prozentigem Alkohol angeboten wird. Bei Wick MediNait ist eigentlich alles missachtet, was Apotheker immer empfehlen würden: Nehmen sie ja keine Arzneimittel zusammen mit Alkohol ein, und schon gar nicht zusammen mit Paracetamol, das die Leber sowieso schon belastet. Und Mittel mit einer zentralwirksamen Komponente wie die übrigen Wirkstoffe sollten auch nicht mit Alkohol eingenommen werden, weil deren Wirkung verstärkt werden kann. Der Alkoholgehalt in Wick MediNait entspricht dem bei Sherrys oder Portwein. Es ist für mich schon unverständlich, dass man so etwas anbietet und dass ein solches Mittel von manchen Apothekern zum Medikament des Jahres gewählt wurde.
Kuhrt: Was wäre denn die Alternative? Gleiches Thema wie bei Aspirin Complex – die Kunden in der Apotheke fragen danach...
Glaeske: Besser wäre doch zu entscheiden: Was ist das Symptom, das mich am meisten belastet? Dann kann ein Apotheker gezielt ein Produkt gegen Schnupfen oder Husten empfehlen. Stattdessen bietet Procter&Gamble ein Mittel an, womit sie alles gleichzeitig „erschlagen“ wollen. Es gibt allerdings keine einzige biometrisch akzeptable Studie zu Wick MediNait, die einen Nutzen zeigt. Es ist zudem ein OTC, das etwa in den USA nicht nach den üblichen Kriterien der FDA geprüft wurde, sondern nach den Regeln des Selbstmedikationsmarkts. Der ist deutlich weniger ambitioniert reguliert. Man hat die gesamte Kombination geprüft, aber nicht die einzelnen Stoffe gegeneinander - es fehlen also Belege für die Begründbarkeit der Wirkstoffe miteinander, es wurde nur geschaut, wie viele Personen leiden gleichzeitig und unter welchen Symptomen. Und daraus entstehen dann solche Mittel.
Borsch: Aber das würde es in Deutschland heute so nicht geben?
Glaeske: Wenn Wick MediNait bei uns neu auf den Markt käme, müsste es die üblichen Prüfungen nach dem Arzneimittelgesetz durchlaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Kombination diese Prüfung übersteht. Ich würde Wick MediNait nie empfehlen. Die einzelnen Stoffe haben auch verschiedene Ansatzpunkte, unterschiedliche Wirkeintrittszeiten, das passt alles nicht wirklich zueinander. Was die Leute merken, ist das, was in der Werbung auch immer wieder herausgestellt wird: die wohltuende Wirkung von Schlafen und sich ausruhen. Das geht mit einer Kombination aus einem Schlafmittel und Alkohol natürlich besonders gut. Das ist wohl einer der Gründe dafür, dass Wick MediNait häufig gekauft wird.
Wick Medinait Erkältungssirup
Procter & Gamble's Reaktion: Die einzelnen Wirkstoffe sind in einer klinisch geprüften Dosierung in Wick Medinait kombiniert. Mehrere Erkältungssymptome mit nur einer Einnahme zu lindern erhöht die Patientencompliance. Wick Medinait wird seit Jahrzehnten in Deutschland vermarktet und erfreut sich bei den Patienten großer Beliebtheit.
Dextromethorphanhydrobromid wirkt als Antitussivum. Paracetamol wirkt gegen Schmerzen und Fieber. Ephedrin bewirkt ein Abschwellen der Schleimhäute. Doxylaminsuccinat hat Einfluss auf die Sekretionshemmung der Nasenschleimhaut und eine leicht sedierende Wirkung. Diese Effekte tragen zur gewünschten Wirkung von Wick Medinait Erkältungssirup für die Nacht bei. Im Rahmen der empfohlenen Dosierung wird Wick Medinait Erkältungssirup für die Nacht einmal täglich abends vor dem Schlafengehen angewendet.
Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Wick Medinait ist positiv und wurde in der Vergangenheit wie bei allen zugelassenen Arzneimitteln regelmäßig durch Pharmakovigilanz-Maßnahmen überprüft. Es ist erwiesen, dass sich die Wirkungen des Arzneimittels seit Jahren bewährt haben und mögliche Nebenwirkungen übertreffen.
Quelle: Nicht andrehen lassen? - DAZ 35/2013
Kuhrt: Aber einmal im Ernst: Was ist denn daran eigentlich so schlimm? Dann nehme ich es und am nächsten Tag geht es mir doch besser!
Glaeske: Wick MediNait enthält zentral wirkende Stoffe plus Alkohol. Das ist so, als würden Sie ein Psychopharmakon mit Alkohol verordnen. Die dämpfende Wirkung wird auf diese Weise unkontrolliert verstärkt - das geht aus meiner Sicht überhaupt nicht. Wir haben es ja hier nicht mit einem Kräutertee zu tun. Es ist ein Arzneimittel, das mit bestimmten Indikationen antritt. Es geht ja nicht nur darum, dass man sich gut fühlt, das Mittel wird ja auch mit einem Heilsversprechen vermarktet. Dann hat es gefälligst auch gewissen Auflagen mit Blick auf die Zusammensetzung zu entsprechen.
Borsch: Was macht dann ein Apotheker, wenn jemand unbedingt Wick MediNait möchte?
Glaeske: Als Apotheker verliere ich meine professionelle Position, wenn ich dazu keine kritische Haltung entwickle. Es ist zwar im Markt und es ist zugelassen. Und es wird leider massiv beworben. Aber ich sollte gerade deshalb eine Haltung dazu haben. Man kann Alternativen empfehlen. Einzelne Präparate. Keine alkoholhaltigen Mittel, mögen Melissengeiste heute angeblich auch noch so wertvoll sein. Es gibt viele gute Alternativen. Und der Apotheker hat auch keinen wirtschaftlichen Schaden, wenn er andere Mittel abgibt. Dies habe ich einmal in einer kleinen Tabelle zusammengestellt, die das sehr schön zeigt.
Dobendan und Meditonsin
Borsch: Was raten Sie bei Halsschmerzen? Das Angebot an Halsschmerztabletten ist groß.
Glaeske: Manche Halsschmerztabletten, etwa Lemocin oder Dorithricin, enthalten Antibiotika, die Anwendung von lokal wirkenden Antibiotika geht aber gar nicht. Handelt es sich um einen viralen Infekt, wirken sie nicht und sind unnötig. Und auch, wenn es ein bakterieller wäre, sollte man Antibiotika nicht lutschen, sondern sollte diese schlucken, damit die Infektion ausreichend behandelt wird. Ansonsten kann es zum Beispiel zu einer Herzschleimbeutel-Entzündung kommen.
Borsch: Was also empfehlen als Apotheker, ihrer Meinung nach?
Glaeske: Was habe ich denn bei Halsschmerzen? Ich habe Schluckbeschwerden, das Schlucken kann Schmerzen verursachen. Und da gibt es aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten. Entweder Lidocainhaltige Lutschpastillen, das sind Trachilind, das Lokalanaesthetikum Benzocain, das sich in vielen Mitteln gegen Halsentzündungen wiederfindet, ist dagegen weniger geeignet, da es allergische Reaktionen verursachen kann. Oder Mucoangin. Das ist das einzige Mittel, für das eine erfolgversprechende Studie vorliegt. Es steht aber nur an zehnter Stelle der verkauften Halsschmerzmittel. Dagegen dominiert die Dobendan-Palette den Markt, die Wirksamkeit ist zweifelhaft, es wurde aber nach meiner Kenntnis ziemlich in den Markt gedrückt, weil beim Einkauf von wenigen Packungen bereits Rabatte versprochen wurden. Vielleicht ist dies einer der Gründe dafür, dass solche Mittel, mit deren nachgewiesener Wirksamkeit es nicht zum Besten steht, in jeder Apotheke zu haben sind.
Dorithricin® und Lemocin®
Dazu die Reaktion des Herstellers von Dorithricin®, Medice: Dorithricin® ist ein zugelassenes Arzneimittel. Das bedeutet, dass seine Sicherheit und Wirksamkeit von der Zulassungsbehörde (BfArM) als nachgewiesen akzeptiert wurde. Dorithricin® ist zugelassen „zur symptomatischen Behandlung bei Infektionen des Mund- und Rachenraumes mit Halsschmerzen und Schluckbeschwerden“. Wohingegen die Indikation von Ambroxol-Lutschtabletten (z.B.: Mucoangin®) lautet: „Schmerzlinderung bei akuten Halsschmerzen“. Für Trachilid® lautet die Indikation „Zur kurzzeitigen lokalen Behandlung von Halsschmerzen bei nicht eitrigen Infektionen“. Die Präparate besitzen somit unterschiedliche Anwendungsgebiete, Mucoangin® und Trachilid® stellen deshalb keine therapeutischen Alternativen zu Dorithricin® dar.
Mucoangin® und Trachilid® sind erst für Kinder ab 12 Jahren zugelassen, dahingegen ist Dorithricin® einsetzbar, sobald Kinder in der Lage sind, kontrolliert zu lutschen, was in etwa einem Alter von 3 Jahren entspricht.
Die Novartis Consumer Health GmbH nimmt zu ihrem Präparat Lemocin® wie folgt Stellung: Bei Lemocin® Lutschtabletten handelt es sich um ein zugelassenes Arzneimittel zur temporären unterstützenden Behandlung bei schmerzhaften Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut, dessen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit belegt worden sind. Die Zulassung wurde zuletzt 2011 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verlängert.
Jede der drei Wirkstoffkomponenten der Lemocin® Lutschtabletten hat eine andere Wirkeigenschaft und trägt somit zum therapeutischen Gesamtkonzept bei. Das Lokalanästhetikum Lidocain sorgt für eine Linderung der entzündungsbedingten Schmerzen. Die Kombination des Tyrothricins in Verbindung mit Cetrimoniumbromid wirkt synergistisch und zeichnet sich durch eine breite antibakterielle Wirkung aus. Cetrimoniumbromid erhöht als grenzflächenaktive Substanz die Löslichkeit von Tyrothricin erheblich. Durch diesen Effekt werden höhere Dosierungen von Tyrothricin an den Wirkort (auch in die Vertiefungen der Mundschleimhaut) gebracht und unterstützen die antibakterielle Wirkung vor Ort. Durch seine schmerzstillenden und keimtötenden Eigenschaften wirkt Lemocin® den Symptomen einer Mund- beziehungsweise Rachenentzündung entgegen. Dabei sollen nicht nur die Schmerzen des Patienten gelindert werden, sondern auch der Heilungsprozess aktiviert und verkürzt werden. Entscheidend hierfür ist die Eingrenzung einer bereits vorhandenen Infektion, um eine weitere Ausbreitung des Erregers zu verhindern. Bei einem gesunden Menschen ist der Mund- und Rachenraum unter physiologischen Bedingungen nicht nur von nicht-pathogenen Bakterien, sondern auch von potenziell pathogenen Bakterien kolonisiert. Diese können sich bei einer gesunden Schleimhaut aufgrund der natürlichen Schleimhaut-Barriere und des Immunsystems jedoch nicht ausbreiten. Kommt es jedoch zur einer Entzündung der Schleimhaut, z.B. durch Viren, wird das Gewebe geschädigt und die Barrierefunktion kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Die akut geschwächte Schleimhaut bietet den Bakterien eine ideale Eintrittspforte. So können virale Infektionen in bakterielle Infektionen übergehen und zu zusätzlichen Komplikationen führen. Gerade in diesem Fall ist es besonders sinnvoll, die Keimzahl an der geschädigten Schleimhautoberfläche zu reduzieren.
Das in Lemocin enthaltene Lokalantibiotikum (Tyrothricin) und Antiseptikum (Cetrimoniumbromid) erfüllen genau diese Aufgabe. Tyrothricin, wirkt bakterizid gegen grampositive Mikroorganismen, vor allem gegen die an Mund- und Racheninfektionen häufig beteiligten Streptokokken und Staphylokokken. Dabei soll es die Keimanzahl an der Schleimhautoberfläche reduzieren und nicht in tiefere Gewebsschichten eindringen. Zusätzlich wirkt das im Lemocin enthaltene Antiseptikum Cetrimoniumbromid desinfizierend und in höheren Konzentrationen auch gegen gramnegative Mikroorganismen bakterizid.
Wird dagegen nur ein rein schmerzstillendes Monopräparat angewandt, besteht immer noch das Risiko einer bakteriellen Sekundärinfektion.
Quelle: Nicht andrehen lassen? - DAZ 35/2013
Kuhrt: Kommen wir zum letzten Kandidaten ihrer Blacklist: Meditonsin.
Glaeske: Ein Mittel aus der Homöopathie, auch noch eine homöopathische Kombination, ein Graus für viele klassische Homöopathen. Da können wir ja eigentlich schon aufhören.
Borsch: Das hält aber viele Menschen nicht davon ab, es in der Apotheke nachzufragen!
Glaeske: Ja, leider! Was mich aber am meisten an Meditonsin ärgert: Es ist ein Mittel mit Quecksilbersalz. Die Dosierung ist gering, keine Frage, das wird durch den Hersteller ja auch immer gesagt, aber Quecksilber gehört aus meiner Sicht nicht mehr in ein Arzneimittel. Dann bitte Mucoangin. Aber Meditonsin, wie auch die anderen Kombinationen, muss ich nicht haben und nicht empfehlen.
Meditonsin®
Medice zu Glaeskes Kritik: Meditonsin® ist ein zugelassenes homöopathisches Arzneimittel mit der Indikation „akute Entzündungen des Hals-, Nasen- und Rachenraumes“ und einer nachgewiesenen Wirksamkeit bei typischen Erkältungssymptomen. Im Gegensatz zu vielen anderen Homöopathika, die nur behördlich registriert sind, ist Meditonsin® zugelassen. Das bedeutet, dass seine Sicherheit und Wirksamkeit von der Zulassungsbehörde (BfArM) als nachgewiesen akzeptiert wurde. Die Einordnung als Halsschmerzmittel entspricht nicht der erteilten Zulassung, klassische Lutschtabletten können keine Alternative zu einem homöopathischen, ganzheitlichen Erkältungsmittel sein.
Mercurius cyanatus ist eine anerkannte Substanz des homöopathischen Arzneibuchs zur Behandlung von Entzündungen der Mandeln, des Rachens und des Kehlkopfes und insofern ein zur Wirkung von Meditonsin® wesentlich beitragender Bestandteil. Eine Flasche Meditonsin® 35g enthält nur ein Zehntel der Quecksilber-Menge, die in einem Liter Trinkwasser akzeptiert wird. Insofern kann dieser Bestandteil nicht als bedenklich angesehen werden und wurde auch seitens der Behörde nicht so bewertet.
Meditonsin® ist für Säuglinge ab 7 Monaten zugelassen, die genannten Lutschtabletten (Mucoangin® und Trachilid®) hingegen sind erst zur Anwendung für Kinder ab 12 Jahren zugelassen.
Quelle: Nicht andrehen lassen? - DAZ 35/2013
Kuhrt: Und jetzt bitte noch der Realitätscheck!
Glaeske: Ich weiß, dass das leichter gesagt ist als getan. Die Mittel sind auf dem Markt und werden beworben. Und wenn ich einen Kunden partout nicht überzeugen kann, dann geht er raus aus meiner Apotheke und kauft es in einer anderen. Das ist sicher ein Problem. Der Hintergrund hinter diesem Problem: Die Apotheker sind sich nicht einig bezüglich einer evidenzorientierten Empfehlung. Deshalb dringe ich ja immer wieder darauf, dass sich in der Erkältungszeit von Apothekerseite jemand ins Fernsehen setzt und sagt, was wirklich zu empfehlen ist. Was der Almased-Apotheker kann, müssten wir doch auch können. Ich mache das immer mal wieder, bekomme aber anschließend oft genug Ärger. Dass der von der Industrie kommt, daran bin ich gewohnt, dass der aber auch immer wieder von manchen Kolleginnen und Kollegen kommt, enttäuscht mich doch sehr.
Das Gespräch führten Julia Borsch (Apothekerin) und Nicola Kuhrt (Medizinjournalistin).
15 Kommentare
Meditonsin
von Dr. Schweikert-Wehner am 11.02.2016 um 10:46 Uhr
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Nasenspray anstelle von Kombipräparaten
von Karl Bird am 11.02.2016 um 10:24 Uhr
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Was sagt die Zulassungsbehörde zu den Argumenten von Prof. Glaeke?
von Dr. Klaus Wallis am 10.02.2016 um 9:28 Uhr
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Realitätsfern, aber inhaltlich korrekt!
von Dr. Kloebner am 10.02.2016 um 9:19 Uhr
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AW: Da kann ich nur zustimmen!
von Doris Maria Krünägel-Schropp am 10.02.2016 um 10:44 Uhr
"Stark sein"
von Dr.med.Manneck am 10.02.2016 um 8:31 Uhr
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Nachtrag....
von gabriela aures am 09.02.2016 um 23:20 Uhr
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Ach ja... die gleiche...
von gabriela aures am 09.02.2016 um 23:08 Uhr
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Guru Glaeske
von Dietmar Bittenbinder am 09.02.2016 um 20:54 Uhr
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Präparatebewertung
von Dr.Diefenbach am 09.02.2016 um 20:51 Uhr
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Allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei
von Andreas P. Schenkel am 09.02.2016 um 20:11 Uhr
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Halb-evident
von Andreas P. Schenkel am 09.02.2016 um 20:02 Uhr
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Einigkeit der Apotheker heraufbeschwören: Wieso eigentlich?
von Armin Spychalski am 09.02.2016 um 18:54 Uhr
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AW: Einheitssoße = Industrialisierung
von Andreas P. Schenkel am 10.02.2016 um 18:00 Uhr
Auseinandersetzungen
von Christiane Patzelt am 09.02.2016 um 15:53 Uhr
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