- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Krank? Das sind doch nur ...
Kossendeys Gegengewicht
Krank? Das sind doch nur die anderen...
Ann-Katrin Kossendey-Koch hat sich gewehrt: Doch es war kein kleiner Infekt, sie fiel ein paar Tage komplett aus. Als Chefin einer Apotheke. Geht eigentlich gar nicht – doch kein Wunder bei der Selbstausbeutung, die für viele Apotheker normal ist. Ändern wird sich daran wohl nichts, schreibt sie. Weil die „kleinen Buden“ für die ABDA nun mal unsexy sind.
Es fing mit leichtem Husten an.
Meine Kollegen auf
der von mir besuchten abendlichen Kooperationssitzung sagten noch: „Werde jetzt
bloß nicht krank!“ Krank? Ich? Ich bin Unternehmerin und Mutter - da wird Frau
nicht krank. Auch als am darauf folgenden Tag die Stimme merklich nachließ, war
ich nicht beunruhigt. Ich war eher genervt, da ich abends über 50 Gäste geladen
hatte zu meinem zehnjährigen Jubiläum der Selbstständigkeit (angesichts der
standespolitischen Horrormeldungen der letzten Jahre vielleicht das einzige
Jubiläum, das ich als Apothekerin feiern kann). Ich krächzte mich also durch
die Veranstaltung und lächelte mit Engelsgeduld beim immer wiederkehrenden
Spruch „Geh doch mal in eine anständige Apotheke“.
Kranke Apothekerin ist wie ein Friseur mit Glatze, eine Kosmetikerin mit Pickeln, ein Tierarzt mit Katzenhaarallergie - das geht einfach nicht. Doch seien wir mal ehrlich, auch beim Elektriker geht mal das Licht aus.
Selbstausbeutung in der Apotheker-Bude
Stur bestand ich auch am nächsten Vormittag noch darauf,
lediglich einen kleinen Infekt zu haben und kämpfte mich weiter durch den
Apothekenalltag. Bis zum frühen Nachmittag, denn da haute es mich einfach um. Ich
habe dann zwei Tage mehr oder weniger durchgeschlafen. Ich weiß nicht mehr,
wann ich das letzte Mal krank im Bett gelegen habe, ich glaube es war während
meiner Schulzeit. Unglücklicherweise erkrankten dann in diesem Zeitraum auch
noch meine Zwillinge an einem Magen-Darm-Infekt. Natürlich hintereinander,
alles andere wäre zu einfach gewesen.
Eine kranke Chefin ist schon ein No-Go, eine kranke Mutter
ein Desaster. Zum Glück habe ich eine fantastische Familie, die sofort
eingesprungen ist. Mein Vater hat die Apotheke übernommen, mein Mann Haushalt
und Tiere gemanagt. Meine Mutter hat gekocht und alle betüdelt. Es wäre mir
sonst definitiv nicht möglich gewesen, mich an einem Donnerstagnachmittag ins
Bett zu legen, egal wie krank ich war! Denn auch wenn das Team wie in meinem
Fall sofort einspringt und Überstunden macht, ein Apotheker muss her.
Auf meine Frage, warum es mich bloß derart doll erwischt hat, bekam ich immer die gleiche Antwort. Es war auch niemand verwundert. „Bei dem, was Du alles gleichzeitig stemmst, holt sich der Körper irgendwann, was er braucht!“ In der Zeit, die ich wach im Bett lag, wurde mir schlagartig klar, dass es pure Selbstausbeutung ist, was wir kleinen Budenbesitzer mit unserer Selbstständigkeit betreiben.
Personalmangel, das ist in Berlin, Hannover, München und
Frankfurt kein Thema, aber auf dem Land
kann das existenzbedrohend sein. Die Tarifgemeinschaft der
Apothekenleiter Nordrhein ging auf ihrer Jahreshauptversammlung der Frage nach, wie man gutes Personal in die
Apotheke locken könne. Sabbatical, flexible Arbeitszeiten und Arbeitszeitkonten
fielen als Stichworte, aber eine Lösung hatte der als Experte befragte
Rechtsanwalt leider auch nicht.
Bei mir hier oben im Nordwesten Deutschlands bin ich recht
gut vernetzt und weiß um die Personalsorgen vieler meiner Kollegen. Auf
Anzeigen bekommt man so gut wie keine Resonanz, der Stellenmarkt der
Apothekerkammer Niedersachsen wird da eher noch von potentiellen Bewerbern
frequentiert. Eine liebe Kollegin von
mir schaltete Heiligabend eine Anzeige in der überregionalen Tagespresse. Ihr
war es nach eigenen Angaben total egal, was die Anzeige kostete, sie war
frustriert von der Aussicht, im neuen Jahr keine Approbierte zu haben, die sie
auch im Urlaub vertreten würde und wollte sich damit selbst beschenken.
Ihr Angebot klang so verlockend, dass ich kurz überlegte, meine Apotheke zu schließen und bei ihr anzufangen. Übertarifliche Bezahlung, flexible Arbeitszeiten, flexible Urlaubsplanung, ein moderner ansprechender Arbeitsplatz, regelmäßige Fortbildungsmöglichkeiten und Hilfe bei Umzug und Wohnungssuche - was will man mehr? Und trotzdem meldete sich niemand.
Flexiblen Arbeitszeitkonto vs Öffnungszeiten einer Apotheke
Es geht also gar nicht um die Suche nach gutem Personal, es
geht darum überhaupt irgendwen mit Approbationsurkunde zu finden, der bereit
ist, uns Apothekenleiter zu vertreten. Die Hilflosigkeit mancher
Apothekenleiter wird darin deutlich,
dass viele Zugeständnisse gemacht werden, nur um sich selbst etwas von der so
wichtigen Luft zum Atmen zu verschaffen. Ich kenne Apothekenleiter, die
gezwungenermaßen 60-70 Wochenstunden plus Nacht- und Notdienste durcharbeiten -
ein Alptraum für jeden Gewerkschaftler, für viele von uns aber Normalität.
Natürlich betrifft der Personalmangel nur einen Teil der
Apotheken, nämlich die, wie Friedemann Schmidt sie taufte, „kleinen Buden“. Bei einem Team von fünf Mitarbeitern wird es
mit dem flexiblen Arbeitszeitkonto schwierig, denn die Apotheke hat vorgegebene
Öffnungszeiten, die abgedeckt werden müssen. Dennoch wird den Mitarbeitern viel geboten, im
Endeffekt auf Kosten des Inhabers, nur um die so dringend benötigte Vertretung
zu bekommen.
Die ABDA nimmt sich
diesem Problem nicht an, denn der
Häuptling hat ja bereits vor Jahren klipp und klar gesagt, dass die
Standespolitik nicht alle Apotheken vertreten könne. Und so kleine Landbuden
sind halt unsexy, gell Friedemann? Nur bei allem Focus auf die großen
Schlachtschiffe der Pharmazie - viele Argumente, mit denen das Apothekenwesen
immer noch gegen Drogeriemärkte und das Internet verteidigt wird, sind mit
allen 20.000 Apotheken aufrecht zu erhalten.
Kleinere Apotheken unterstützen!
Ob große Center-Apotheke oder kleine Land-Klitsche: Den Versorgungsauftrag
der Bevölkerung erfüllen beide! Und deshalb ist es die Pflicht unserer
Standespolitik gerade auch die kleineren Apotheken zu unterstützen, die mit
viel persönlichem Einsatz und Herzblut
jeden Tag wieder ihren Dienst machen.
Die Selbstausbeutung zum Billiglohn muss endlich ein Ende haben. Und nur, wenn wir geschlossen als Apotheker auftreten, unabhängig von der Größe unseres Unternehmens, können wir überleben. Wie lange wollen wir Apotheker uns eigentlich den Luxus dieser unproduktiven Führung leisten?
19 Kommentare
Danke für die rege Diskussion...
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 16.02.2016 um 15:33 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Keiner zu bekommen
von Frank Ebert am 15.02.2016 um 18:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Gutes Personal will auch gut bezahlt werden
von Erik Modrack am 11.02.2016 um 15:14 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 6 Antworten
AW: Gehalt: Groß gegen Klein
von Wolfgang Müller am 11.02.2016 um 16:45 Uhr
AW: "wenn nicht..."
von Christian Giese am 11.02.2016 um 18:02 Uhr
AW: Payback Time
von Erik Modrack am 11.02.2016 um 18:14 Uhr
AW: AW: Payback-Time
von Wolfgang Müller am 11.02.2016 um 19:09 Uhr
AW: "Erich"
von Wolfgang Müller am 11.02.2016 um 19:11 Uhr
AW: "Erich"
von Wolfgang Müller am 11.02.2016 um 19:12 Uhr
Kollegiale Hilfe
von Dr. Christoph Klotz am 10.02.2016 um 23:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Handlungsanweisung
von Reinhard Rodiger am 10.02.2016 um 22:12 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Ann-Katrin K-K
von Heiko Barz am 10.02.2016 um 21:44 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Selbstausbeutung
von Dietmar Bittenbinder am 10.02.2016 um 20:43 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
schwarzes Tagebuch
von Christian Giese am 10.02.2016 um 18:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Das Tagebuch...
von Nicola Kuhrt am 10.02.2016 um 18:28 Uhr
AW: Tagebuch-(Trüffel)-Schwein
von Bernd Jas am 11.02.2016 um 9:46 Uhr
DAS Problem
von Wolfgang Müller am 10.02.2016 um 16:56 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Arbeitsbelastung
von Karl Friedrich Müller am 10.02.2016 um 15:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Apothekenpersonalkontrolle
von Gunnar Majert am 11.02.2016 um 8:40 Uhr
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.