Neuer Therapieansatz

Mit der Enzym-Schere gegen HIV

Hamburg / Hannover - 23.02.2016, 15:00 Uhr

Diese Illustration zeigt, wie das HI-Virus in weiße Blutkörperchen eindringt. Mit der Enzym-Schere der Forscher aus Hamburg und Hannover lässt sich die virale DNA aus dem Genom des Wirts entfernen. (Foto: dpa)

Diese Illustration zeigt, wie das HI-Virus in weiße Blutkörperchen eindringt. Mit der Enzym-Schere der Forscher aus Hamburg und Hannover lässt sich die virale DNA aus dem Genom des Wirts entfernen. (Foto: dpa)


Im Kampf gegen die HIV-Infektion ist Hamburger und Dresdner Forschern möglicherweise ein entscheidender Schritt gelungen, wie sie in „Nature Biotechnology“ berichten. Sie haben sie ein Enzym entwickelt, mit dem Virus-DNA aus der infizierten Wirtszelle herausgeschnitten werden kann.

Weltweit sind derzeit rund 37 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Jährlich kommen zwei Millionen Neuinfektionen hinzu. Einen Impfstoff gibt es bislang nicht. Mit den derzeit verfügbaren antiretroviralen Arzneimitteln lässt sich die Infektion meist gut behandeln und ein Ausbruch von AIDS kann in der Regel unterdrückt werden, aber die Patienten müssen lebenslang therapiert werden. Das Virus aus dem Körper zu verbannen, ist mit den heutigen Behandlungsoptionen nicht möglich.

Deutsche Forscher haben nun einen Gentherapie-Ansatz gegen Aids-Erreger erfolgreich im Labor getestet. Die Wissenschaftler entwickelten eine Genschere, mit der sie das Erbgut von HI-Viren aus infizierten Zellen von Patienten herausschnitten. Dies könnte die Therapie möglicherweise in einigen Jahren bereichern. Über die Arbeit berichtet das Team um Joachim Hauber vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut und Frank Buchholz von der Technischen Universität Dresden im Fachblatt „Nature Biotechnology". 

Nach Ansicht der Forscher stellen die erzielten Ergebnisse die Grundlage für erste klinische Studien zur Heilung von HIV-Patienten dar, die in absehbarer Zeit in Hamburg durchgeführt werden sollen. Zunächst soll eine kleine Studie mit zehn Patienten beginnen.

„Diese Forschung ist schon verheißungsvoll“, sagte Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen Aids-Hilfe. Mit Blick auf angedachte Studien am Menschen ergänzte er: „Die Frage ist: Wen nimmt man da? Man braucht Menschen, die auch gewillt sind, für die Forschung Risiken einzugehen.“

Bei Eingriffen ins Erbgut bestehe immer die Befürchtung, dass das mittel- oder langfristig zu einer Krebserkrankung führen könne. Er gibt zu bedenken: „Wenn es gelingt, heißt das noch nicht, dass die Patienten kein HIV mehr haben.“

„Das ist zwar noch Grundlagenforschung, aber es wurde präklinisch an den besten verfügbaren Modellen getestet“, kommentierte Prof. Boris Fehse vom Universitätsklinikum Eppendorf, der an der Studie nicht beteiligt war. Die genutzten CD4-Zellen des Immunsystems seien zwar nicht das einzige, aber das Hauptziel des Aids-Erregers. Versuche an Patienten könnten - sofern alles gut laufe - fünf bis zehn Jahre dauern, schätzt Fehse. Zuvor hatten verschiedene Medien über die Arbeit berichtet.  

HIV-spezifisches Aktivierung

Die von den Forschern entwickelte Designer-Rekombinase Brec1 kann über 90 Prozent des HIV-1-Genoms aus dem menschlichen Genom  herausschneiden. Bei dem relevantesten Untertyp B sogar mehr als 94 Prozent. Die bisherigen molekularen Scheren würden nur ein Prozent des in die Zelle integrierten HIV-1-Erbguts erkennen, berichtet Prof. Joachim Hauber, Leiter der Abteilung „Antivirale Strategien“ am Hamburger Heinrich-Pette-Institut der Berliner Morgenpost. Zusammen mit Systembiologen der Medizinischen Fakultät derTechnischen Universität Dresden haben die Forscher die Arbeiten durchgeführt.

In die Zelle eingeschleust wird Brec1 mit Hilfe eines viralen Vektors (Genfähre). Der enthält die DNA-Sequenz, die für die Rekombinase codiert, also den Bauplan für Brec1. Ein ebenfalls im Vektor enthaltener „Schalter“ sorgt dafür, dass Brec1 nur gebildet wird, wenn die Zelle tatsächlich mit HIV infiziert ist.

Im Tierversuch und in der Zellkultur wirksam

In der Zellkultur und im Tierversuch haben die Forscher die Wirksamkeit ihrer Methode nachgewiesen. Bei den Tieren, die mit der molekularen Schere behandelt wurden, sank die Zahl der Viren unter die Nachweisgrenze. Und die Zahl der T-Zellen nahm nach anfänglichem Absinken wieder deutlich zu.

Das große Ziel sei die Heilung, aber es sei auch ein Erfolg, wenn Patienten, die damit behandelt würden, keine weiteren Medikamente mehr einnehmen müssten, die die Virusvermehrung hemmen, werden die Wissenschaftler es in der Berliner Morgenpost zitiert. Wenn alles optimal laufe, könne die molekulare Schere frühestens in sieben bis acht Jahren als Medikament zur Verfügung stehen. 


dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.