Beratungs-Quickie

Ein Antidepressivum gegen Schmerzen

Stuttgart - 24.02.2016, 13:30 Uhr

(Foto: contrastwerkstatt / Fotolia)

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Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Was für Zusatzinformationen kann man geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jede Woche einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine ältere Patientin, die eine Verordnung über Novaminsulfon-Tabletten und Amitriptylin gegen ihre chronischen Schmerzen einreicht.

Eine ältere Frau kommt in die Apotheke. Sie kommt vom Hausarzt. Neben Novaminsulfon, das sie schon seit einer Weile gegen ihre chronischen Schmerzen einnimmt, hat er ihr erstmalig Amitriptylin verschrieben.

Formalien-Check

Verordnet sind 50 Stück Novaminsulfon ratiopharm® 500 mg Tabletten sowie 20 Stück Amitriptylin Neurax® Dragees, Wirkstärke 10 mg. Ab dem Ausstellungsdatum ist das Rezept einen Monat gültig. Die Dame kommt am Tag der Ausstellung. Aut-idem ist nicht angekreuzt, Rabattverträge sind daher zu beachten.

Beratungs-Basics

Novaminsulfon wird nach ärztlicher Anweisung angewendet. Wenn vom Arzt nicht anders verordnet, beträgt die Einzeldosis 500 bis 1000 mg (ein bis zwei Tabletten). Maximal viermal täglich kann das Schmerzmittel eingenommen werden (Tageshöchstdosis 2 bis 4 g). Die Tabletten werden mit Wasser verabreicht, bei Schluckbeschwerden können sie zermörsert und suspendiert werden. Alternativ könnten Tropfen und Brausetabletten (Novalgin® akut) verordnet werden.

Während der Einnahme kann sich der Urin rot verfärben. Das ist aber harmlos. Alkohol sollte vermieden werden, da es möglicherweise Wechselwirkungen gibt (Alkoholintoleranz).

Einige Hersteller vertreiben Novaminsulfon unter dem Namen Metamizol. Bei Präparatewechseln muss dem Patienten das mitgeteilt werden. Ist das nicht zu vermitteln, sollten pharmazeutische Bedenken geltend gemacht werden.

Neben chronischer Schmerzen - wie bei dieser Patientin - wird Amitriptylin vor allem  zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Darauf muss die Dame bei der ersten Verordnung hingewiesen werden, um Irritationen zu vermeiden. Das gilt insbesondere dann, wenn ein das verordnete Präparat oder ein möglicher Rabattartikel für die Indikation „Schmerzen“ nicht zugelassen ist. Für einen Austausch müssen die Präparate nur in einer zugelassenen Indikation übereinstimmen. Das verordnete Neurax-Präparat hat nur die Zulassung „Depressive Erkrankungen“.

Die Dosierung muss beim Arzt erfragt werden. Die Startdosis für Erwachsene zur Behandlung chronischer Schmerzen sind 25 mg abends, schrittweise kann dann auf 75 mg bis 100 mg, bei Bedarf auch auf 150 mg gesteigert werden. Bei  älteren Patienten (die Dame ist 71 Jahre alt) muss individuell dosiert werden, oft reicht die Hälfte der üblichen Dosis.

Amitriptylin wirkt sedierend und sollte daher abends eingenommen werden. Bis zum Wirkeintritt dauert es etwa ein bis drei Wochen, auch darauf muss die Patientin hingewiesen werden. Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Verstopfung und Sedierung treten aber sofort auf. Alkohol und andere zentraldämpfende Wirkstoffe, wie rezeptfreie Schlafmittel, verstärken die Nebenwirkungen.

Auch noch wichtig

Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation sind zu beachten. So sollte Johanniskraut nicht gleichzeitig eingenommen werden. Die sedierende Wirkung bestimmter Wirkstoffe (Hustenblocker, Antihistaminika, Schlafmittel) wird verstärkt.

Amitriptylin ist aufgrund seiner anticholinergen und sedierenden Wirkung ein Stoff der Priscus-Liste, also für ältere Patienten potenziell ungeeignet. Erachtet der Arzt den Einsatz als alternativlos, müssen beispielsweise das Blutbild, die Leberfunktion, die Nierenfunktion und andere Parameter regelmäßig überwacht werden. Dosisanpassungen sind notwendig (in diesem Fall der niedreren Dosis nach zu urteilen offensichtlich geschehen) und es muss einschleichend dosiert werden. Je nach Art der Schmerzen können auch andere Co-Analgetika wie Gabapentin oder retardierte Opioide eine Option sein.

Der DAZ.online-Beratungsquickie

Jede Woche präsentieren wir einen kurzen Fall, wie er im Apothekenalltag vorkommen könnte. Die Fälle und die Beratungshinweise basieren auf dem Rezepttrainer 1, dem Rezepttrainer 2 und dem HV-Trainer, des Deutschen Apotheker Verlags.
Die Beispiele geben Anregungen zur Beratung und anderen Dingen, die bei der Abgabe zu beachten sind:

  • Formalien-Check: unter anderem Informationen zur Verordnungsfähigkeit sowie Gültigkeit des Rezeptes
  • Beratungs-Basics: die wichtigsten Informationen zur Anwendung
  • Auch noch wichtig: Infos zu häufigen Nebenwirkungen und anderen Anwendungsproblemen, Wechselwirkungen mit der Selbstmedikation, Warnzeichen für Komplikationen, …
  • Darf`s ein bisschen mehr sein? Weitergehende Informationen und mögliche Zusatzempfehlungen
Fehlt was?
Haben wir etwas Wichtiges übersehen, haben Sie noch eine weitere Idee oder gar einen ganz anderen Ansatz? Nutzen Sie die Kommentarfunktion und lassen Sie es uns wissen.

Darf`s ein bisschen mehr sein?

  • Bei chronischen Schmerzen können Entspannungsverfahren oder Krankengymnastik hilfreich sein.
  • Je nach Art der Schmerzen können sie auch unterstützend lokal behandelt werden, z. B. mit topischen NSAR. Je nach Empfinden kann auch Wärme oder Kälte zum Einsatz kommen.
  • Gegen Mundtrockenheit helfen Lutschbonbons.
  • Quellstoffe wie Leinsamen oder Flohsamen beugen einer Obstipation vor. Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist dabei zu achten.

Die Patientin wurde  mit den jeweiligen Rabattartikeln versorgt. Außerdem hat sie eine Packung Flohsamenschalen mitgenommen. Als sie nächste Mal ein Rezept einlöst, berichtet sie, dass ihr Amitriptylin gut geholfen hat. Sie brauche jetzt weniger Novaminsulfon. Bis auf den trockene Mund vertrage sie den Wirkstoff auch ganz gut. Der Hausarzt hätte ihr den Tipp gegeben, bei Bedarf Gummibärchen zu essen. Und die möge sie sehr.


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1 Kommentar

chronische Schmerzen

von Angelika Harenberg am 18.10.2019 um 8:32 Uhr

Ich habe seit sieben Jahren chronische Schmerzen im Rücken und wurde von meinem Orthopäden nun in die Schmerzklinik überwiesen. Die sprachen von Phantomschmerzen und mein Hausarzt hat mir nun zu den seit sieben Jahren eingenommenen Tramadol noch Amitriptylin verschrieben. In der geringen Dosis von 10 mg.
Ich bin nicht drepessiv und mochte nicht fragen, warum und wie lange ich das Zeug nehmen soll. Bevor ich mich lächerlich mache, wie lange muss ich das nehmen und ersetzt Amitriptylin oder ein anderes Mittel dann die Schmerzmittel? Ich will eigentlich gar nichts davon mehr nehmen müssen. Die Nebenwirkung des Antidepressiva sind schlimmer als meine Schmerzmittel. Und ich bin ein erklärter Gegner von Antidrepessiva. Vor allem, wenn ich nicht depressiv bin. Ich wollte meine Arzt aber auch nicht durch dumme Fragen verärgern.

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