Proband aus Rennes spricht über Zwischenfall

Mit Paracetamol und Eiswürfeln gegen BIA 10-2474

Stuttgart - 29.02.2016, 10:40 Uhr

Der erste Proband von der Phase-I-Studie in Rennes sprach mit der Tageszeitung „Le Maine libre“. (Screenshot)

Der erste Proband von der Phase-I-Studie in Rennes sprach mit der Tageszeitung „Le Maine libre“. (Screenshot)


Am Tag nach der Einweisung des später verstorbenen Probanden hatte auch er Kopfschmerzen, später schwere Seh- und Gangprobleme, zitiert die Tageszeitung  „Le Maine libre“ einen 42-jährigen Teilnehmer der verhängnisvollen Studie in Rennes. Biotrial habe sehr spät reagiert. Dass er sich schon soweit erholt hat, sei für die Neurologen ein Wunder gewesen – aber mit Folgeproblemen wird er wohl leben müssen.

Er hat den schweren Zwischenfall bei der Studie in Rennes knapp überlebt – und beschreibt nun in der französischen Tageszeitung „Le Maine libre“ (Montagsausgabe) seine Odyssee. Für die Neurologen an der Uniklinik in Rennes sei er ein Wunder, sagt der 42-jährige Fotograf Stéphane Schubhan – sie hätten nicht geglaubt, dass er wieder gehen oder sprechen könnte. Er war einer der acht Probanden, die ab dem 7. Januar 2016 über zehn Tage hinweg jeweils 50 Milligramm BIA 10-2474 beziehungsweise Placebo bekamen. Von den sechs Probanden mit Wirkstoff starb einer am 17. Januar, vier weitere erkrankten mit teils starken Nebenwirkungen.

Am Morgen die Prüfarznei, später Paracetamol

Am 10. Januar war der später verstorbene Versuchsteilnehmer mit Kopfschmerzen und Sehproblemen in die Neurologie gekommen, dennoch wurde den restlichen Probanden das Mittel am nächsten Morgen weiter verabreicht. Im Laufe des Tages hätte er auch Kopfschmerzen bekommen und dies den Ärzten und Krankenschwestern gesagt, so Schubhan. Sie gaben ihm Paracetamol, trotz der Krankenhauseinweisung des anderen Teilnehmers. Am nächsten Tag wurde es nochmal schlimmer – doch ein Arzt gab ihm nur einen Sack mit Eiswürfeln und weitere Paracetamol.

Als er am 13. Januar aufstand, sei ihm schwindelig gewesen und er habe nichts mehr sehen können. Er habe nicht duschen können. „Als ich meine Sachen in die Garderobe tun wollte, bin ich hingefallen“, sagt Schubhan der Zeitung. Dann sei er wie die vier anderen Probanden in die Neurologie der Uniklinik eingeliefert worden. Seine Symptome seien vom Team des Neurologen Gilles Edan als schwer bezeichnet worden: Vokalisationsstörungen, Gangprobleme und insgesamt verlangsamte Psychomotorik. Im Kernspin seien im Hippocampus Blutspuren und weiße Muster sichtbar gewesen. 

Trotz einer ersten Behandlung hat sich seine Lage in den nächsten zwei Tagen verschlechtert. „Ich konnte nicht sprechen, mich rühren oder sitzen“, sagt Schubhan – „ich konnte nichts mehr machen“. Seine Frau bestätigt dies der Zeitung: „Die Ärzte sagten mir, es wäre gut, wenn ich die Kinder mitbringen würde“, sagt sie. „Man wüsste ja nie.“

Zorn über Biotrial

Weiterhin sei er ein Versuchskaninchen geblieben, sagt Schubhan – doch nun hätten die Ärzte versucht, sein Leben zu retten. Inzwischen ist er in einer Reha-Klinik. In einem späteren Gerichtsverfahren würde er gerne aussagen, da er Zorn verspüre: Auch über den Chef von Biotrial, den er im Fernsehen sagen sah, dass es nicht die Schuld der Firma gewesen sei. Doch sie hätten Fehler gemacht, nicht zuletzt die Gabe von BIA 10-2474 am Tag nach der ersten Einweisung.

Auch weiterhin klagt er über Schwindel sowie Schwächeanfälle, wenn er mehr als zehn Minuten steht. Auch sehe er immer Doppelbilder, so Schubhan. Die Ärzte hofften, dass sich dies in einem halben oder ganzen Jahr zurückbilde – aber sie seien sich nicht sicher.

Biotrial war lange nicht im Alarmzustand

Biotrial-Chef François Peaucelle hatte gegenüber der „Zeit“ gesagt, dass die Situation erst am dritten Tag nach Einweisung des ersten Probanden in Krisenstimmung umschlug – als sie von den Symptomen der anderen Probanden erfahren hätten. Doch nach Aussage von Schubhan hätte das Auftragsforschungsinstitut schon seit zwei Tagen von seinen Kopfschmerzen wissen müssen.

Er wartet darauf, dass sich Biotrial und Co. mit den Problemen auseinandersetzen. Und ihre Fehler eingestehen. 

Update 29.02.2016, 13:15 Uhr: Ergänzung um die Aussage vom Chef von Biotrial.


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