- DAZ.online
- News
- Politik
- Wen sollten Apotheker in ...
Landtagswahl 2016
Wen sollten Apotheker in Baden-Württemberg wählen?
Welche Partei ist die richtige für Apotheker? Um diese Frage zu erleichtern, haben wir für die drei anstehenden Landtagswahlen Umfragen gemacht: Wo drückt den jeweiligen Apothekerkammern und Verbänden der Schuh, und was wollen die Parteien ändern?
In drei Bundesländern wird am 13. März gewählt – Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Wir haben jeweils den Präsidenten von Apothekerverband und Kammer sowie den wichtigsten zur Wahl stehenden Parteien im Land Fragen zur Situation der Apotheker gestellt. Hier lesen Sie das Ergebnis für Baden-Württemberg – in den nächsten Tagen folgen dann die Antworten für Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Alle angefragten Parteien aus Baden-Württemberg haben unsere Fragen beantwortet, mit einer Ausnahme: Die AfD ließ sich als junge Partei entschuldigen, die Fragen könnten „nur aus Fachdiskussionen heraus beantwortet werden“. Aufgrund ihres sehr ausgiebigen demokratischen Prozesses habe sie außerdem noch kein legitimiertes Grundsatzprogramm und verwies auf ihr Wahlprogramm. Im Kapitel zur Gesundheitspolitik findet sich zwar die Forderung, dass Turnhallen von Schülern statt Asylanten genutzt werden sollten, doch keine Aussage zu Apotheken. So blieben die Antworten der CDU, SPD, der Grünen, Linken, sowie der FDP.
Drei Apotheken-nahe Kandidaten treten bei der Wahl an: Für die CDU im Wahlkreis Pforzheim die studierte Apothekerin Marianne
Engeser, für die Grünen kandidiert die ausgebildete PTA Martina Braun in Villingen‐Schwenningen und für die FDP Andrea Kanold, Kreisvorsitzende des Kreisverbands Schwarzwald-Baar.
Wie bewerten Kammer und Verband die bisherige Politik?
Trotz der recht tiefgreifenden Umstellung im Jahr 2011, als die grün-rote Regierung an die Macht kam, bewerten Kammer wie Verband die Zusammenarbeit als gut bis sehr gut.
Der Präsident des Landesapothekerverbands Fritz Becker spricht von Offenheit, Sachlichkeit und einem konstruktiven Herangehen. „Unsere Meinung wurde dort eingeholt, wo sie aus Sicht der Landesregierung notwendig war“, so Becker – und bei den regionalen „Gesundheitskonferenzen“ sei die Apothekerschaft gut eingebunden gewesen.
Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer, bescheinigt dem Sozialministerium, im Bundesrat vernünftige Positionen zu vertreten. Auch habe Sozialministerin Katrin Altpeter beispielsweise beim Thema „Pille danach“ den Apothekern von Anfang an die erforderliche Beratungskompetenz zugetraut. Die Landesregierung sei außerdem sehr bemüht, eine flächendeckende ärztliche Versorgung sicherzustellen, wovon auch die Apotheken profitieren würden. Für ihn bleibe die Wahl spannend, in der es möglicherweise eines Dreierbündnisses bedürfe – oder einer Grün/Schwarzen Koalition.
Was sind die Wünsche der Apotheker?
Die Apothekerkammer freut sich, dass auf ihre Anfrage an die im Landtag vertretenen Parteien die Bedeutung der Apotheken von allen Seiten betont wurde. Hanke wünscht sich neben einem klaren Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke vor Ort auch, dass den Apothekern mehr Verantwortung in der Versorgung der Patienten übertragen wird, bei gleichzeitiger Honorierung.
Statt Preiswettbewerb beispielsweise im OTC-Bereich fordert er „Mehr Heilberuf, weniger Kaufmann“ als langfristige Perspektive für die Apotheken. Während die Landesregierung die Apotheken in der Pflicht sah, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen, um mit Nachwuchsproblemen umzugehen, wünscht er hierfür verbesserte wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die Arzneimittelversorgung für Flüchtlinge laufe soweit gut – Einigkeit bestehe mit dem Sozialministerium, dass sie weiter über die öffentlichen Apotheken laufen soll.
Ähnlich wie Hanke ist auch Becker vom Apothekerverband zuversichtlich, dass die zukünftige Landesregierung sich – unabhängig von der genauen Zusammensetzung – für die flächendeckende Arzneimittelversorgung einsetzen wird. Hierfür müsse das wirtschaftliche Fundament auch von kleinen Apotheken durch entsprechende Honorierung gestärkt werden.
Außerdem solle die zukünftige Landesregierung auch zukünftig das Gewicht von Baden-Württemberg im Bundesrat nutzen, um auf Bundesebene die Interessen der Apotheken zu stärken. Wichtig seien hierbei die Themen Rezeptur-Honorar und Btm-Vergütung. Bei der Versorgung und Erstattung von Arzneimitteln für Flüchtlinge gäbe es kommunale oder regionale Unterschiede, die Becker sich vereinheitlicht wünscht. Hier hofft er, dass die Landesregierung Transparenz bei regionalen Einzelregelungen unterstützt. Die Gesundheitsministerin habe schon versprochen, sich bei zukünftigen Abrechnungsschwierigkeiten einzuschalten.
Wie schätzen die Parteien die Lage der Apotheken ein – und wie möchten sie sie unterstützen?
Von Seiten der FDP, die als erstes antwortet, gibt es viele Vorschusslorbeeren für die Apotheker. Deren Kompetenzen sollten in Zukunft noch stärker genutzt werden, schreibt der stellvertretende Fraktionsvorsitzender Jochen Haußmann – beispielsweise bei einem wirksamen und vergüteten Medikationsmanagement, von dem das Gesundheitswesen insgesamt profitieren könnte. Er verweist darauf, dass in der Amtszeit des FDP-Gesundheitsministers das Fixhonorar der Apotheker erstmalig auf 8,35 Euro angepasst wurde. „Verantwortung und Leistung müssen sich lohnen und angemessen honoriert werden“, so Haußmann. Er fordert bei Retaxationen bis hin zu Null-Retaxationen eine praxisorientierte Lösung – und auch zukünftig die Sicherung der inhabergeführten Apotheke. „Wir wollen in Baden-Württemberg keine Monopol- oder Oligopolstruktur großer Ketten“, so Haußmann.
Auch die CDU weist daraufhin, dass sie sich im Bundestag für die Erhöhung des Fixhonorars um 25 Cent eingesetzt und so für eine um rund 190 Millionen Euro höhere Honorierung gesorgt habe. Von den 120 Millionen Euro, die durch das Gesetz zur Sicherstellung des Apothekennotdienstes in das System kamen, hätten insbesondere ländliche Apotheken profitiert. Bei Bedarf würde sich der Landesverband weiterhin dafür einsetzen, dass eine faire Honorierung der Apothekenleistungen gewährleistet bleibt.
Die Grünen schreiben, dass sie die wohnortnahe Versorgung angesichts des leichten Rückgangs der Apothekenzahl genau im Blick behalten werden. Für die ausreichende Honorierung der Apotheker wollen sie sich im Bund starkmachen. Auch der Medikationsplan ist für sie ein Thema, wo „für eine umfassende Arzneimitteltherapiesicherheit“ Apotheker in das E-Health-Gesetz mit aufgenommen werden sollten.
Die SPD verweist auf den erfreulichen Anstieg des Gewinns vor Steuern von Apotheken in Baden-Württemberg, der von 2012 bis 2014 um 23 Prozent gestiegen sei – und sehen einen Zusammenhang bei der Überwindung der Wirtschafts- und Bankenkrise, bei der auch das SPD-geführte Wirtschaftsministerium sein Möglichstes getan habe. Die gestiegenen Gewinne seien gleichzeitig ein Anzeichen, dass die Apotheker heute stärker wirtschaftlich denken – „das ist ein gutes Zeichen für die Branche“, so die SPD. Ausgenommen bei Sicherheitsvorschriften wolle sie die notwendigen Regelungen dem bewährten Kammersystem überlassen, und so den Apotheker als „freien“ Beruf erhalten.
Auch Die Linke will sich weiter für die inhabergeführte Apotheke stark machen – und lehnt Apothekenketten und Versandhandel im Großen und Ganzen ab. Stattdessen solle die evidenzbasierte und patientenzentrierte Versorgung in den Mittelpunkt gestellt werden. Dem ABDA-KBV-Modell, das eine engere Apotheker-Arzt-Kommunikation auf Augenhöhe vorsieht, stehe die Partei sehr offen gegenüber. Sie fordert eine transparente, regelgebundene Dynamisierung des Fix-Honorars, die Abschaffung von Arzneimittel-Rabattverträgen und Hilfsmittelausschreibungen sowie der Reimport-Quote – sowie ein Ende des „widersinnigen Nebeneinanders“ von verschiedensten Rabattsystemen.
Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
Die Nachwuchssituation von Apothekern ist für alle Parteien ein Thema, laut den Linken sei sie sogar „kritisch“. Die SPD verweist darauf, dass die Zahl der Plätze für Studienanfänger in Freiburg, Heidelberg und Tübingen seit 2006 um 75 auf 275 gestiegen sei – sie wolle sich dafür einsetzen, das Niveau zu halten. Sie ist auch auf die inzwischen 18 anerkannten Ausbildungsstätten für PTAs stolz. Zwar sei laut Apothekenkammer-Präsident Hanke der Nachwuchsbedarf abgedeckt, doch wolle die SPD das Angebot an Studienplätzen zukünftig weiter an den Bedarf anpassen. Auch die CDU will gegensteuern, um bereits manchmal auftretende Personalengpässe zu verhindern. Außerdem wolle sie neue Berufsbilder entwickeln und auf Kooperation und Delegation im Gesundheitswesen setzen.
Um die Attraktivität des Apothekerberufs zu steigern, will die FDP den bürokratischen Aufwand verringern und fehlende Planbarkeit verbessern. Die Grünen sind am wenigsten von den Nachwuchssorgen der Apotheker geplagt: Die Zahl der Studienanfänger hätte sich in den letzten fünf Jahren im Bundesschnitt um ungefähr 200 erhöht, die der Neuapprobationen um knapp hundert – daher sähe sie keinen Mangel an Nachwuchskräften.
Ist die Arzneimittelversorgung im öffentlichen Raum sichergestellt?
Angesichts der Äußerungen der ABDA und der Zahl an Pharmazeuten sehen die Grünen derzeit keine Schwierigkeiten – wollen aber die zukünftige Entwicklung genau im Auge behalten und bei drohenden Engpässen zum Beispiel auf Rezeptsammelstellen setzen. Laut SPD klappt die flächendeckende Versorgung derzeit auch so gut, weil Apotheken Lieferdienste anbieten. Die CDU will neue Konzepte wie die mobile oder rollende Apotheke prüfen und auf eine intensive Diskussion mit der Apothekerschaft setzen. Die Linke sieht Landapotheken als Teil einer Infrastruktur, die Regionen lebenswert mache und Landflucht verhindere.
Die Linke sowie die FDP betonen den Zusammenhang mit der sinkenden Zahl von praktizierenden Ärzten im ländlichen Bereich. Für die Liberalen ist die Lage der Apotheken eine Motivation, an diesem Punkt etwas zu ändern: „Nachdem die ärztlichen Verordnungen ein wesentliches Standbein der Apothekerinnen und Apotheker sind, ist es von großer Bedeutung, die ärztliche Versorgung in der Fläche des Landes sicherzustellen“, schreibt Haußmann.
Wie steht es mit der Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge?
Die Grünen sehen die bedarfsgerechte medizinische Versorgung von Flüchtlingen als humanitäres und verfassungsrechtliches Gebot. Anders als bisher sollten nicht nur akute Erkrankungen und Schmerzen behandelt werden – durch sich verschlimmernde und chronifizierende Krankheitsverläufe würden hierdurch die Kosten steigen, so die Partei. Die Linke sieht dies als Bruch internationaler Menschenrechtsvereinbarungen – auch würden medizinische Laien auf dem Sozialamt über den Bedarf entscheiden, bevor Flüchtlinge zum Arzt gehen können. Die Grünen verweisen außerdem darauf, dass auf ihre Initiative die Einführung der Gesundheitskarte ermöglicht worden sei – welche helfe, bürokratische Hürden abzubauen.
Die SPD sieht wie auch die Grünen und Linke eine besondere Sorgfalts- und Fürsorgepflicht gegenüber traumatisierten Flüchtlingen, so dass die psychosoziale Versorgung ausgebaut werden sollte. Sie will außerdem sicherstellen, dass alle notwendigen Erstuntersuchungen durchgeführt und auch bei Bedarf geimpft wird. Die CDU will dies sogar per gesetzlicher Impfpflicht für Kleinkinder erreichen, außerdem solle innerhalb von 48 Stunden nach Eintreffen in der Erstaufnahmeeinrichtung eine gesundheitliche Untersuchung erfolgen.
Die FDP spricht sich zwar für bei Asylbewerbern mit Bleibeperspektive für eine elektronische Gesundheitskarte aus, die bei akuten Erkrankungen eine schnelle medizinische Hilfe ermöglichen würde. Die Liberalen verweisen jedoch darauf, dass laut der Lenkungsgruppe der Landesregierung für Flüchtlingsaufnahme noch sicherzustellen sei, dass Asylbewerber nur eingeschränkte medizinische Leistungen in Anspruch nehmen können.
Wie halten die Parteien es mit der derzeit unter Kritik stehenden Homöopathie?
Die Linke befürwortet die Gleichbehandlung aller Therapierichtungen. Obwohl die Risiken einer homöopathischen Behandlung sich in Grenzen hielten, sei eine umfassende Beratung wichtig, für die es Fachpersonal benötige. Für eine Kostenübernahme bräuchte es laut der Linke Nachweise des Nutzens – derweil verweist sie auf die Möglichkeit, dass Kassen Globuli und Co als Satzungsleistung erstatten.
Die FDP erwähnt, dass dieser zusätzliche Spielraum auf ihre Initiative hin geschaffen worden sei. Auch sie will am Apothekenvorbehalt festhalten und sieht es nicht als seriöses Versprechen, den gesetzlichen Leistungskatalog umfassend zu erweitern – auch wenn es sicher im Sinne von Apotheken wäre, Menschen für Naturheilmittel zu gewinnen.
Die Grünen sehen Homöopathie als wichtigen und nützlichen Bestandteil einer ganzheitlichen medizinischen Behandlung, die zur Vielfalt und Qualität der medizinischen Versorgung beitrage. Sie wollen sich für eine bessere Kostenerstattung einsetzen – denn die Gesundheitspolitik müsse sicherstellen, dass homöopathische Medikamente für alle Patienten verfügbar sind.
Die CDU will sich für die bestmögliche Behandlung Kranker einsetzen. Der Wettbewerb der Kassen würde zu einer hochwertigen, effizienten Versorgung beitragen – wozu auch die Satzungsleistungen zählen würden. Die SPD befürwortet gleichfalls weiterhin den Apothekenvorbehalt und sieht homöopathische Arzneimittel nicht benachteiligt, da ihre Kosten dann auch übernommen würden, wenn ihre Qualität und Wirksamkeit dem Stand der Wissenschaft entspricht. Für Patienten mit schweren Erkrankungen verweist sie auf Ausnahmeregelungen.
1 Kommentar
Wahl 16
von Dr.Diefenbach am 02.03.2016 um 21:28 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.