Österreich

dm greift Apothekenpflicht an

Traunstein - 02.03.2016, 09:15 Uhr

Die Apothekenkosmetik sortiert dm gerade aus seinen Regalen - nun will die Drogeriekette OTC verkaufen. (Foto: dm/Krug)

Die Apothekenkosmetik sortiert dm gerade aus seinen Regalen - nun will die Drogeriekette OTC verkaufen. (Foto: dm/Krug)


Ermutigt von der Zulassung des Arzneimittelversandhandels in Österreich, wittert man bei dm offenbar Morgenluft und bläst zur Jagd auf das OTC-Segment. Per „Individualantrag“ beim österreichischen Verfassungsgerichtshof will dm erreichen, dass künftig auch Drogerien nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben dürfen.

Die dm-Drogeriemärkte planen den Gang zum österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH). Ihren Individualantrag untermauern sie durch ein Gutachten vom ehemaligen Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, dem Verfassungsrechtsexperten Heinz Mayer. Dieser kommt, so die Pressemeldung von dm, „zweifelsfrei zum Schluss, das grundsätzliche Verbot der Abgabe von rezeptfreien Arzneimitteln (OTC) durch österreichische Drogisten sei verfassungswidrig“.  Dabei beruft er sich vor allem auf die Parallelen zum neuerdings auch in Österreich erlaubten Versandhandel mit OTC-Arzneimitteln.

Kein Grund für Ungleichbehandlung?

Mit dem grundsätzlichen Verbot der Abgabe von nicht rezeptpflichtigen Arzneispezialitäten durch Drogisten in Selbstbedienung werde, so Mayer, vor allem das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Arzneimittelkonsumenten verfolgt. Dazu sei ein Verbot der Abgabe ohne pharmazeutische Beratung zwar grundsätzlich geeignet. Ein anderes Bild ergebe sich jedoch angesichts der Tatsache, dass die Abgabe von nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln durch Drogisten in Selbstbedienung nach dem österreichischen Arzneimittelgesetz grundsätzlich auch dann untersagt sei, wenn eine Beratung in gleicher Form wie beim erlaubten Fernabsatz durch Apotheken angeboten werde – nämlich eine fakultative pharmazeutische Beratung über das Internet, per E-Mail oder per Telefon. „In beiden Fällen muss der Arzneimittelkonsument bzw. die für ihn entscheidende Person selbst aktiv werden, um eine pharmazeutische Beratung zu erhalten“ – weshalb Mayer keinen wesentlichen Unterschied sieht, der eine rechtliche Ungleichbehandlung von (Versand-)Apotheken und Drogerien sachlich begründen könnte. Zudem sei bei nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln generell eine weniger intensive Beratung als bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln notwendig.

dm plant 200-Artikel-Sortiment

Spätestens in einem Jahr erwartet man bei dm eine Entscheidung, so das österreichische Handelsmagazin Cash. Sollte der VfGH zugunsten von dm entscheiden, rechnet die Drogeriemarkt-Kette mit einem Zusatzumsatzpotenzial von 35 bis 80 Millionen Euro. Das OTC-Startsortiment soll rund 200 Artikel umfassen, sowohl Markenartikel als auch Eigenmarkenprodukte und Generika. Laut einem Bericht von ORF.at  sollen für den Verkauf Pharmazeuten und eigens ausgebildete Drogisten eingestellt werden. Analog zum Onlineverkauf soll in den dm-Filialen eine Gratishotline mittels Telefon oder Internet zu einem Pharmazeuten eingerichtet werden. Dann werde, so dm-Sprecher Stefan Ornig gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA, dieselbe Beratungsqualität wie von Apothekern gewährleistet. 

Der österreichische dm-Geschäftsführer Harald Bauer weist vor allem auf die Einsparmöglichkeiten hin: Arzneimittel in der Drogerie könnten rund 20 Prozent billiger angeboten werden, eine vierköpfige Familie könne dadurch rund 100 Euro im Jahr einsparen. International würden, so Bauer unter Bezug auf „Wirtschaftsforscher“, immer mehr bisher rezeptpflichtige zu rezeptfreien Arzneimitteln, um die Krankenversicherungsträger zu entlasten. Dadurch würden zusätzliche Kosten auf die Konsumenten übergewälzt. „Umso mehr hat der Gesetzgeber die Pflicht, nicht nur die Kosten der Versicherungen im Blick zu haben, sondern auch Strukturen zu beseitigen, die die Verbraucher unnötig belasten“, fordert Bauer.

Hinweis

Das Thema dm dürfte auch eine Rolle spielen bei einer Diskussionsrunde im Rahmen der Wirtschafts-INTERPHARM in Berlin am Samstag, den 19. März 2016:

  • 12:00 - 12:45
Neue Zeiten – neue Konzepte: Von anderen Ländern lernen 
Mag. pharm. Max Wellan, Prasident der Osterreichischen Apothekerkammer Gerben Klein Nulent, Vorsitzender der niederlandischen Apotheker-Vereinigung KNMP Moderation: Dr. Benjamin Wessinger, Stuttgart, Chefredakteur der DAZ

Apotheker reagieren gelassen

Der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Max Wellan, misst der Initiative von dm nur geringe Erfolgsaussichten bei: dm probiere schon seit Jahren immer wieder, sich im Arzneimittelmarkt auszubreiten. Die Apothekerkammer habe der Politik die Arzneimittelsicherheits-Aspekte vermittelt und diese stehe hinter den Apothekern und hinter der Versorgungssicherheit der Patienten. Sofern die Gesundheitsaspekte und die Versorgungsaspekte gewürdigt würden, könne man dem Verfahren gelassen entgegensehen.

„Herzig“ sei das von dm angeführte Argument der „Ungleichbehandlung“ von Drogerien und Apotheken. Gerade dm sei ein Rosinenpicker, wenn es sich 200 Medikamente herauspicke und diese bis zu 20 Prozent günstiger anbiete, aber einerseits ausschließlich diese „Renner“ im Sortiment habe und andererseits keine Nacht- und Notdienste leiste und keine Rezepturen herstelle.

Auch der von dm angeführte Vergleich mit dem Versandhandel stimme so nicht: In Österreich müsste laut Versandhandelsverordnung jede Bestellung von einem Apotheker überprüft werden, und falls die Arzneimittelsicherheit dies erfordere, müsse der Apotheker aktiv Kontakt mit dem Kunden aufnehmen. Das sei überhaupt nicht damit vergleichbar, was dm wolle, nämlich dem Anruf des Kunden bei einer Hotline. Frage der dm-Kunde dagegen die Kassiererin, so werde er von dieser zur Beratung in die Apotheke geschickt, es komme also, so Wellan, zum „Beratungsdiebstahl“.

Zweifel an Kompetenz

Ohnehin hat Wellan offenbar wenig Zutrauen zur Kompetenz von dm in Sachen Apothekenmarkt: Gerade habe man den Handel mit Apothekenkosmetik eingestellt, und der Versandhandel über die Apotheke Zur Rose habe auch kaum Erfolg. Und nun, so Wellan weiter, rechnete man bei dm bezüglich der OTC-Arzneimittel mit Zahlen aus dem Konsumgüterbereich  und könne sich nicht vorstellen, was hinter der apothekerlichen Leistung stehe, beispielsweise auch bei Kontroll- und Rückrufaktionen.

Danach gefragt, was die österreichische Apothekerkammer nun konkret unternehme, verweist Wellan auf die Kontakte zu Behörden und Politik sowie die Information der Medien.  Ein wichtiges Argument sei dabei, dass es in dem österreichischen „bedarfsgeregelten System“ auch Apotheken in Wohngegenden gebe, die nicht so gut liefen, aber den Standort nicht ändern könnten. Würden die OTC-Arzneimittel wegfallen, so wäre die Versorgung gefährdet. 


Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Verwirrung im Oesiland durch Dm

von Heiko Barz am 04.03.2016 um 13:14 Uhr

Wehret den Anfängen!
Was dm im Ausland probiert, könnte bei positivem Ausgang nätürlich auch Auswirkungen auf unser System haben. Allerdings halte Ich die Hürden für zu gigantisch, aber......?
Zu erwarten wäre dann ja auch von dm eine Schmalspur - Arztpraxis mit einem Bachelor Arzt, wenn es dann Bemühungen gäbe, solch einen Berufszweig zu generieren.

Zu sehr abwegig ist das Ganze allerdings nicht, wenn die Diskussionen auch in Deutschland bei der Versorgung auf dem Flachen Land schon mal in diese Richtung verschiedentlich angedacht wurde.

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