Wilhelm Möhrke – Bürgermeister von Lengerich 

Lieber Bürgermeister als Apotheker

Lengerich - 05.03.2016, 09:20 Uhr

Bitte Platz nehmen: Apotheker Wilhelm Möhrke ist jetzt Bürgermeister einer Kleinstadt. (Foto: privat)

Bitte Platz nehmen: Apotheker Wilhelm Möhrke ist jetzt Bürgermeister einer Kleinstadt. (Foto: privat)


Seine Sonnen-Apotheke in Lengerich hat er verkauft: Apotheker Wilhelm Möhrke steht nicht mehr hinterm HV. Er sitzt jetzt lieber im Bürgermeistersessel und führt die Geschäfte der Stadt Lengerich. DAZ-Herausgeber Peter Ditzel unterhielt sich mit ihm. 

„Da sieht man doch“, scherzt der Apotheker zu Beginn unseres Gesprächs, „den Apothekern steht die Welt offen, sie müssen sie nur betreten!“ Wenn es so einfach wäre! Aber wenn ein Apotheker mit 64 Jahren seine Apotheke verkauft, um in die Kommunalpolitik einzusteigen, dann ist das auf jeden Fall nicht alltäglich. Umso spannender, die Gründe dafür zu erfahren, diesen Schritt zu gehen. 

Schon immer ein bisschen mehr

Möhrkes Start ins Berufsleben ist voller Idealismus. Während des Studiums in den Siebzigerjahren engagiert er sich in der Fachschaft Pharmazie. Schon mit 25 macht er sich in seiner Heimatstadt Lengerich selbstständig und kann die Sonnen-Apotheke übernehmen. Reichlich Erfahrung in kommunalen Fragen sammelt er im Rahmen seiner ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit im Stadtmarketing von Lengerich, die er 20 Jahre ausübt. „Was mich auch prägte“, sagt Möhrke. „Ich habe nebenbei zehn Jahre lang bis 2007 Gesundheitserziehung an der Realschule unterrichtet. Dort konnte ich zum einen mein Wissen als Apotheker an junge Menschen weitergeben, zum andern den Apotheker, die Apotheke, als wichtige Einrichtung des Gesundheitswesens positionieren, nicht nur als Tablettenverkaufsstelle.“ 

Der Frust über die Richtung

Doch im Lauf seines Lebens sammelt sich bei ihm Frust über die Entwicklung der Apotheken an. Angefangen bei der Zulassung von Filialen und Versandapotheken, was er als großen Sündenfall in der Pharmazie sieht, bis hin zu den Entwicklungen im Großhandelsbereich.

Deprimierend ist für ihn die Umbildung bei der damaligen Anzag-Kooperation Vivesco, für die er als Ideengeber fungierte. Dass Vivesco als Marke verschwinden musste, sei besonders schmerzlich gewesen. „Aber letztlich waren es nicht der Apothekerberuf und die Pharmazie, die mich zur Abkehr vom Apothekerberuf veranlasst haben“, macht Wilhelm Möhrke deutlich, „enttäuschend war die große Richtung, in die sich Pharmazie und Apotheken, die Apothekenlandschaft entwickelten haben.“ 

Die Entscheidung fürs Bürgermeisteramt

Auch wenn die Idee, fur das Bürgermeisteramt zu kandidieren von seiner Frau Nadine, selbst PTA, gekommen sei: Diesen Schritt habe er sich gut überlegt, wie Apotheker Wilhelm Möhrke durchblicken lässt. Denn für ihn ist es von Anfang an klar: Er muss die Apotheke abgeben, sollte er gewählt werden. Apotheker und Bürgermeister in Personalunion lassen sich eben nicht vereinbaren.

Ende September 2015 war es soweit: Wilhelm Möhrke gewinnt die Wahl zum Bürgermeister von Lengerich. Für die nördlich von Münster gelegene Stadt mit ihren 23.000 Einwohnern ist es ein Novum: Erstmals in der Nachkriegsgeschichte wird ein parteiloser Bürger ins höchste Amt der Stadt gewählt. Als „Lengericher Urgewächs“ – Wilhelm Möhrke ist dort gebürtig – sieht er dies als Vorteil: „Nicht die Interessen Einzelner dürfen im Vordergrund stehen, sondern die der Stadt… das geht am besten als parteipolitisch unabhängiger Bürgermeister.“ 

Der weiße Kittel hängt am Nagel

Und dann wurde es ernst für ihn. Für eine Übergangszeit, von Oktober 2015 bis Ende Februar 2016, bedeutete das erstmal Mehrarbeit. Als hauptamtlicher Bürgermeister führte er unter der Woche die Geschäfte der Stadt. Am Wochenende stand er noch hinterm HV und musste sich um seine Apotheke und deren Verkauf kümmern. Ein Studienfreund konnte ihm vertretungsweise zur Seite springen.

Am 29. Februar 2016 war es dann endgültig vorbei: Möhrke übergab den Schlüssel seiner Sonnen-Apotheke an einen Mitbewerber – seinen weißen Kittel hängte er an den Nagel. Dass er als Apotheker einen guten Job gemacht hat, zeigen viele Dankesworte seiner Kunden zum Abschied. Ein Kommentar auf Facebook: „Ich finde es schade, dass Herr Möhrke als Apotheker aufhört…“ 

Mehr Freiheitsgrade

Obwohl er die Apotheke rund 38 Jahre lang führte, weint er ihr nur eine kleine Träne nach. Er habe zwar gerne seine Kunden und Patienten beraten, aber die Bürokratie in der Apotheke habe doch mehr und mehr über Hand genommen. Da die Krankenkassen das Sagen hätten, was und wie viel die Patienten bekommen, sei der Apotheker zum Erfüllungsgehilfen der Kassen degradiert, so Möhrke.

Jetzt schaut er nach vorne: „Selbstständigkeit und Freiheitsgrade habe ich eher als Bürgermeister in einer Kleinstadt und nicht als Apotheker in einer Apotheke“, sprudelt es voller Elan aus ihm heraus. Er ist überzeugt, in seiner neuen Position mehr bewegen zu können. Als Ziele hat er sich vorgenommen, die Gesundheitsversorgung seiner Stadt zu optimieren, die Schulbildung verlässlich zu organisieren und den Tourismus zu fördern. Wilhelm Möhrke: „Ich sehe die Arbeit und kann anpacken“ – eben echte Apothekertugenden.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Berufswechsel

von Dr.Diefenbach am 06.03.2016 um 13:51 Uhr

Ich finde diesen Werdegang richtig gut.Hätten wir alle mehr Zeit und auch die Chance,in das politische Alltagsgeschehen einzugreifen,würde das nicht nur der eigenen Person sondern vielleicht auch dem Berufsstand stark zugute kommen.Ich freue mich für den Kollegen und wünsche ihm viel Glück.Analytisch denken kann er ja!

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Apotheker wird Bürgermeister

von Heiko Barzz am 05.03.2016 um 11:29 Uhr

Mit kurzer Analyse hat der Kollege die Situation der deutschen Pharmazie beschrieben. Wie gern würden viele Apothekeninhaber seiner Entscheidung folgen, viele aber müssen sich wohl oder übel durch Verbindlichkeiten und andere Pressionen in ihr Schicksal fügen. Auch wenn, wüßten Viele nicht, was sie danach beruflich und finanzausgleichend machen sollten.

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Seine Fähigkeiten dort einbringen, wo sie gebraucht werden.

von Dr. Christoph Klotz am 04.03.2016 um 19:49 Uhr

Man könnte den Kollegen Möhrke kurz charakterisieren als einen Delphin unter Haien. Immer mit warmen Herzen dabei, wenn er Lobbyarbeit anpackt.
Seine neue Aufgabe wird der Devise gerecht: Seine Fähigkeiten dort einzubringen, wo sie gebraucht werden.

Da auch Bürgermeister heute sehr gut vernetzt sind, kann seine Fernwirkung im Falle eines Falles durchaus weit reichen und es könnte davon auch der Berufsstand profitieren.
Es beginnt gerade die 4. Staffel von House of cards. Vielleicht wird daraus ja die Serie House of Trumps.
Die Hoffung in einer Demokratie beruht darauf, dass die Guten die Schurken in Schach halten. Wenn die Guten das nicht mehr schaffen, dann krieselt oder stürzt das System. Apotheker wie Möhrke haben diese Erosion mit großem Bedauern im Berufsstand gesehen.

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