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Apotheker als Parfümeur
„Pink Patchouli“ statt Pillen und Pistill
Sven Pritzkoleit ist Apotheker, das hat er studiert. Wenn er heute nicht mehr hinter dem HV-Tisch steht, sondern lieber feine Duftwässerchen mischt, dann hat dies mindestens einen Grund. DAZ-Herausgeber Peter Ditzel hat seine Duftspuren verfolgt.
Die meisten Menschen haben ein Gedächtnis für Düfte. Sie wissen, wie ihre Lieblingsspeise riecht, wie ein Blumengarten duftet oder was es heißt, wenn man sagt: Hier riecht es wie in einer Apotheke. Das Duftgedächtnis von Sven Pritzkoleit ist besonders gut ausgeprägt. Das hat er sehr bald entdeckt und daraus eine Leidenschaft für Düfte entwickelt.
Düfte der Kindheit
1970 in der DDR geboren, erinnert er sich noch heute an die Gerüche aus seiner Kindheit: die Düfte, die er im Garten seiner Oma wahrnahm, die Gerüche von Haarwässern und Shampoos, wenn er mit seiner Mutter den Friseurladen besuchte, oder auch den Duft der Apotheke, die im Erdgeschoss des Hauses lag, in dem er als Kind lebte.
„Das war ein Mix aus Kamille, Fenchel und Baldrian, aus Methylsalicylat und Steinkohlenteer und dem Hustensaft Fagusan, den alle Buchenteer nannten, er roch cresolartig“, beschreibt Sven Pritzkoleit den Geruch. „Als Kinder hassten wir diesen Saft!“
Natürlich war in der DDR auch der Geruch des Desinfiziens Chlorokresol omnipräsent, ein Geruchserlebnis, das sogar jedem „Wessi“, der nach der Wende öffentliche Gebäude oder auch Hotels der DDR besuchte, bekannt sein dürfte. Pritzkoleit erinnert sich aber auch an teure Düfte des Westens, etwa an „Magie Noire“ von Lancôme, ein Parfüm, das seine Mutter trug, die es im Exquisitladen der DDR, kurz Ex genannt, erstanden hatte.
„Das Parfüm“
Doch das, was sein Leben bis heute prägt, geschieht kurz nach seinem Abitur, als er seinen Grundwehrdienst bei der NVA absolvieren muss. In der Bibliothek der Funktechnischen Abteilung Hinrichshagen bei Rostock fällt ihm ein Buch von Patrick Süskind in die Hände, das ihn fesselt: „Das Parfüm. Die Geschichte eines Mörders“. Es soll sein Leben beeinflussen.
Geprägt durch den Beruf seiner Mutter – sie war Apothekerin – entscheidet er sich, 1990 in Halle Pharmazie zu studieren. Während des Studiums bleiben Parfümdüfte sein Steckenpferd. Eine Reise ins südfranzösische Grasse, dem Mekka der Düfte und Parfüms, wo er sich Parfümerien und das Parfüm-Museum ansieht, wirkt als Verstärker für seine Leidenschaft: „Damals zeichnete ich noch, aber die Liebe zu den Düften nahm überhand.“
Alles, was mit der Chemie und der Botanik ätherischer Öle zu tun hat, saugt er in sich auf, „ich habe viel über die pharmakologische Wirkung ätherischer Öle gehört“, so Pritzkoleit, „aber wenig über die Grundsubstanzen. Deshalb begann ich mit meinem autodidaktischen Studium der Parfümherstellung. Das bedeutete, Literatur zu suchen, was damals nicht einfach war. Das Internet gab es Anfang der Neunzigerjahre in dieser Form wie heute noch nicht. Alte Pharmaziebücher waren eine erste Quelle für Rezepturen wie Kölnisch Wasser oder Florentiner Wasser.“
Der Frust in der Apotheke
Nach dem Studium arbeitet er in der Apotheke seiner Mutter in Barby in der Nähe von Magdeburg. Eigentlich sollte er die Apotheke später einmal übernehmen. Doch dann kommt die zweite Richtungsbestimmung in seinem Leben: Die äußeren Umstände und der Wettbewerb machen die Träume zunichte: „Wir durften eine ‚digitale Betriebsprüfung‘ des Finanzamtes Staßfurt miterleben, die an Willkür und Nötigung im gesamten Procedere ihresgleichen sucht. Methoden wie auf einem ägyptischen Basar“, erinnert sich Pritzkoleit. Er hat die Nase voll von den Strukturen und Bedingungen, denen eine Apotheke ausgesetzt ist: Mitte 2012 schließt er die Apotheke.
„Danach fiel ich in ein tiefes Loch“, so Pritzkoleit, „eine Krankheit kam hinzu. An Apotheke war nicht mehr zu denken. Umso mehr schob sich mein Hobby, die Beschäftigung mit Parfüms, in den Vordergrund.“ Seine Überlegung: „Entweder jetzt oder nie, also jetzt.“
Sein erstes Parfüm
2014 besucht er eine Parfümkonferenz in Leipzig. Kontakte auf dieser Messe spornen ihn an, seinen Duftspuren zu folgen. Schon vorher hat er Kontakt zu Firmen aufgenommen, die synthetische Riechstoffe herstellen: „Eine Parfümschule habe ich nicht besucht, ich bin Autodidakt auf diesem Gebiet.“ Der Kontakt zu einem Duftstoff-Experten von Givaudan, der seine selbst komponierten Düfte rezensiert und ihm Tipps gibt, bringt ihn voran. Pritzkoleit: „Ich schickte ihm mein erstes Parfüm: Pink Patchouli. Er bestätigte mir, dass ich damit auf dem richtigen Weg bin.“
Im Lauf der Zeit baut er sich sein eigenes kleines Duftlabor auf. „Heute stehen da etwa 500 bis 600 verschiedene Grundstoffe zur Parfümherstellung in den Regalen. Letztlich kommt man mit etwa 200 Stoffen aus, die man bevorzugt verwendet, wie ein Maler, der seine Farben gefunden hat.
Klar, die pharmazeutischen Kenntnisse sind von Vorteil, wenn man Düfte mischt, schon in der Herangehensweise an einen Duft. Ich gehe da sicher analytischer heran, was von Vorteil, aber auch von Nachteil sein kann. Wenn man einen Duft kreiert, muss man den Kopf eher abschalten. Besser ist dann schon eine Art ‚Flow‘, in den man kommt. Aber beim Ausfeilen des Duftes kann die Pharmazie schon eine Rolle spielen“, ist sich Pritzkoleit sicher.
Handwerk, Talent und Leidenschaft
„Das Komponieren eines Duftes ist wie Schreiben“, so Pritzkoleit, „ein kreativer Prozess. Man macht zuerst einen Rohentwurf, entwickelt den Duft in eine bestimmte Richtung. Ich habe ein Thema, das ich riechen möchte, und verfolge es vom Anfang bis zum Ende. Ein Parfüm, das nach drei Stunden anders riecht als am Anfang, möchte ich nicht. Wobei das allerdings Geschmackssache ist. Ich füge Stoffe hinzu, die als Verstärker bestimmter Düfte wirken. Und irgendwann wird der Duft rund.
Dann lasse ich die Duftkomposition erst einmal stehen. Wenn es frisch gemischt ist, riecht es unter Umständen völlig anders als nach drei Wochen – das heißt nicht, dass es kippt, aber es kann eine Richtung bekommen, die einem nicht gefällt. Dann korrigiere ich die Rezeptur.“ Kann man das lernen oder ist es Talent? „Beides gehört zusammen“, meint Pritzkoleit, „die Nase kann man trainieren. Es ist vergleichbar mit anderen Künsten, etwa dem Erlernen und Spielen eines Instruments – handwerkliche Aspekte, Talent und Leidenschaft.“
Die ersten zehn Düfte
Seine ersten zehn Düfte – fünf Fresh- und fünf Wood-Düfte – stellt er im April auf der Parfümmesse in Düsseldorf erstmals vor. An eine Großproduktion seiner Parfüms denkt er nicht. Sein Ziel: Eine Parfümmanufaktur, limitierte Düfte, pro Parfüm 100 Flakons. Er bietet sie über den eigenen Webshop an. Zum Kennenlernen ist jeder Duft als Muster bestellbar.
Er ist auch offen dafür, wenn jemand zusammen mit ihm einen persönlichen Duft entwickeln möchte. Das Besondere seiner Parfüms: „Ich verwende natürliche Essenzen in hohen Konzentrationen. Meine Düfte haben weit mehr als zehn Prozent Riechstoffanteile, das nennt man dann Eau de Parfum. Oder Extrait de Parfum, wenn sie mehr als 25 oder 30 Prozent Riechstoffanteile haben. Als Parfumeur und Apotheker achte ich natürlich darauf, Stoffe mit allergischem Potenzial ordnungsgemäß zu deklarieren, das ist Vorschrift.“
Was er sich auch vorstellen kann: „Für kleine Parfümerien oder Interessenten einen Duft zu entwickeln, der exklusiv nur dort verkauft wird. Keine Massenproduktion.“
Jetzt hofft er darauf, dass viele auf seinen Webshop
aufmerksam werden. Und natürlich auf sein Buch „Duftspuren“, in dem er viel
Wissenswertes über Parfüms, für Parfümbegeisterte und einiges aus seiner
Biographie zusammengetragen hat: „Was ich mir gut vorstellen kann: eine Lesung
mit Vorstellung von Duftstoffen.“ Seinen Webshop finden Sie hier.
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