- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Der Apotheker und das ...
DAZ.Wochenschau
Der Apotheker und das Dispensierrecht für Ärzte
Ein Apotheker fordert in der Ärzte Zeitung, Ärzten im Notdienst das Dispensierrecht einzuräumen. Dafür gab es aus der Kollegenschaft ziemlichen Gegenwind. Reaktionen zum Aufreger der vergangen Woche, zusammengestellt und kommentiert von DAZ-online-Redakteurin Julia Borsch.
Kennen Sie das Spiel „Onkel Otto sitzt in der Badewanne“? Jeder Teilnehmer ergänzt reihum auf einem Stück Papier einen Teil des Satzes, ohne dabei zu wissen, was seine Mitspieler zuvor geschrieben haben. Dabei entstehen manchmal sehr lustige, aber auf jeden Fall meist ziemlich absurde Aussagen. Der Satz „Apotheker fordert Dispensierrecht für Ärzte im Notdienst“ könnte irgendwie auch dort zustande gekommen sein.
Er war jedoch nicht auf einem Kindergeburtstag zu lesen, wo das Spiel üblicherweise gespielt wird, sondern in der Ärzte Zeitung. Über einem Gastkommentar von Apotheker Dr. Jochen Pfeifer, der im Dispensierecht für Ärzte im Notdienst, eine Chance für die Apotheker sehen will, sich heilberuflich besser zu positionieren.
Sachliche Gründe, am Dispensierverbot festzuhalten, gibt es in Pfeifers Augen nicht. So ginge den Apothekern aufgrund der Nacht- und Notdienstpauschale kein Honorar verloren, Bedenken einer grundsätzlichen Aufweichung des Dispensierreicht auch außerhalb des Notdienstes räumt er aus und praktischerweise ließe sich das Ganze auch noch ohne Gesetzesänderung einführen. Dass die bewährte und gut begründete Trennung von Arzneimittel-Verordnung und Abgabe, die auf das 13. Jahrhundert zurückgeht, unter anderem falsche Anreize verhindern soll, lässt Pfeifer unerwähnt …aber geschenkt.
Erlaubnis für pharmazeutische Tätigkeiten?
Pfeifer schlägt eine Art Deal vor: „Die Apotheker sollen ein ärztliches Dispensierrecht im Notdienst als Chance sehen, eine Neustrukturierung der Tätigkeiten und Einkommensmöglichkeiten öffentlicher Apotheken mit dem Ziel anzugehen, zu einer mit den Ärzten arbeitsteilig organisierten pharmazeutischen Betreuung der Patienten zu gelangen.“ Kurz gesagt: Ärzte übernehmen im Notdienst mit der Dispensierung eine pharmazeutische Aufgabe. Im Gegenzug erlauben sie den Apothekern, die professionssoziologisch laut Pfeifer ein Assistenzberuf des Arztes sind, Patienten pharmazeutisch zu betreuen.
Bei den Kollegen stießen Pfeifers Aufführungen nicht auf Gegenliebe. So findet DAZ-Chefredakteur Dr. Benjamin Wessinger in seinem stark diskutierten Kommentar sehr klare Worte: „Die pharmazeutische Betreuung der Patienten sei, wie der Name schon sagt, die Aufgabe der Apotheker. Um diese zu übernehmen, brauchten sie keine Zustimmung der Ärzte. Wenn die Apotheker wirklich wollen, sollten sie es machen. Der Vorschlag, sich die Erlaubnis der Ärzte ausgerechnet mit dem Dispensierrecht zu erkaufen, sei leider blöd.“
Viel kommentiert
Auch eine Vielzahl von Kollegen äußerte sich auf DAZ.online und auf Facebook. Hier eine kleine Auswahl:
"Mit seinem Vorschlag nehme Pfeifer jedem Patienten die Chance, arzneilich gut therapiert zu werden - denn zur Arzneitherapie gehörten immer Arzt und Apotheker!! Auch im Notdienst!! Gerade im Notdienst!!Denn da müsse auch der Gynäkologe Kinder therapieren, oder der Internist Mittelohrentzündungen behandeln", schreibt ein Kollege auf DAZ.online.
Ein anderer schlägt eine Art Gegendeal vor: „Ärzte dürfen im Notdienst dispensieren, Apotheker dürfen dafür bei Chronikern verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept als selbst ausgestelltes Folgerezept beliefern. Was würde das dem Patienten Zeit und Stress ersparen wenn er anstatt jedes Quartal nur jedes halbe Jahr oder bei Erkrankungen wie Diabetes nur einmal im Jahr zum Arzt müsste?“
Ein weiterer Vorschlag lautet, den Apothekern im Gegenzug zu erlauben, im Notfall, weil kein Arzt in Reichweite scheint, das gesamte Rx-Sortiment ohne Verordnung abgeben zu dürfen. Würde diese Forderung von einem renommierten Arzt in der DAZ veröffentlicht, sei das erlaubte Satire, kommentiert der Kollege auf DAZ.online.
Auf Facebook taucht zudem die Frage auf, ob der Arzt dann ohne Vergütung dispensiert. Denn er solle ja nicht dazu verleitet werden, teure Therapien zu verordnen, an denen er dann verdient. Auch folgende–nicht ganz ernst gemeinte Idee – ist zu lesen: „Der Arzt verkauft das Arzneimittel und schickt den Patienten in die Apotheke .Die beraten natürlich ganz kostenlos und freuen sich , dass sie noch die Umschau mitgeben dürfen.“
So unterstützen viele Kollegen, offensichtlich das Ansinnen sich als Apotheker aus heilberuflicher Sicht besser zu positionieren – aber nicht um diesen Preis. So wie es auch Benjamin Wessinger formuliert: „Die Jahrhunderte lang bewährte und gut begründete Trennung der „Geschwister“ Arzt und Apotheker aufzuweichen, in der vagen Hoffnung, im Gegenzug eine „Neustrukturierung der Tätigkeiten und Einkommensmöglichkeiten öffentlicher Apotheken“ zu erreichen - das kann doch nicht Ihr Ernst sein“, fragt er Pfeifer.
Was meinen die Ärzte?
Die Ärzte Zeitung hat übrigens Ärzte dazu aufgerufen, abzustimmen, ob sie für ein Dispensierrecht im Notdienst sind. Freitag-Nachmittag waren fast zwei Drittel (64 Prozent) dagegen. Zwar kennt man die Teilnehmerzahlen nicht, aber nach überwältigender Zustimmung für Dr. Pfeifers Vorschläge sieht das zumindest zu diesem Zeitpunkt auch bei den Lesern der Ärzte Zeitung nicht aus.
Diese Woche auch noch lesenswert:
FAQ zu den „Panama Papers“ : Was sagt die apoBank zum Fluchtpunkt Panama?
Italien: Apothekenkreuz auch für OTC-Shops
Zulassungsempfehlung: Positives Votum für Gentherapie gegen seltenen Immundefekt
EMA-Review: Symbioflor 2 auf dem Prüfstand
Beratungs-Quickie: Opioidpflaster für einen Schmerzpatienten
Studie: Ohrenstöpsel schützen wirksam vor Lärmschäden
Versorgung mit Spezial- und Sondennahrung: Apothekerverein Hamburg zieht gegen AOK vor Gericht
3 Kommentare
Klare Positionierung notwendig
von Veit Eck am 09.04.2016 um 13:05 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: "Kammer-Tadel für Pfeifer": Schuss ins eigene Knie
von Wolfgang Müller am 10.04.2016 um 19:55 Uhr
notdienst
von nelles am 09.04.2016 um 13:03 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.