Apothekerhonorar

Konsequent unkaufmännisch

Berlin - 17.04.2016, 05:25 Uhr

Unlogisch: Der letzte Rest kaufmännischer Logik in der Honorierung eines Apothekers würde nach den jüngsten Plänen der Regierungsfraktionen verschwinden. (RFF / Fotolia)

Unlogisch: Der letzte Rest kaufmännischer Logik in der Honorierung eines Apothekers würde nach den jüngsten Plänen der Regierungsfraktionen verschwinden. (RFF / Fotolia)


Die geplante Deckelung der Apothekenspanne für Hochpreiser würde den Apotheken ihre letzten kaufmännischen Optionen nehmen. Wenn die Politik das will, muss sie die Konsequenzen tragen, meint Thomas Müller-Bohn. Ein Kommentar.

Die Belieferung von Hochpreiserrezepten ist ein Lotteriespiel. Wenn das Arzneimittel Schaden nimmt, der Privatpatient nicht zahlen kann, die Krankenkasse retaxiert oder sonst etwas schief geht, ist der Schaden gewaltig. Doch wenn alles klappt, kann sich eine Apotheke mit guter Finanzierungssituation über einen schönen Beitrag zur Mischkalkulation freuen. Doch auch dieser letzte Rest kaufmännischer Logik in der apothekerlichen Honorierung soll nach den jüngsten Plänen der Regierungsfraktionen verschwinden. Wenn der Apothekenaufschlag auf Hochpreiser gedeckelt wird, schwindet die letzte Chance, für einen Zahlungsausfall bei einem Hochpreiser vorzusorgen.

Dann könnten die Apotheker nicht einmal mehr eine Versicherung für einen solchen Fall finanzieren, deren Prämie notwendigerweise vom Warenwert abhinge. Aus dem Auch-Kaufmann mit Verantwortung für seine Ware würde ein Nur-noch-Dienstleister. Doch der müsste von jedem Risiko des Zahlungsausfalls freigehalten werden, wenn die Versorgung funktionieren soll. Wenn die Politik die Hochpreiserspanne deckelt, muss daher von staatlicher Seite eine Versicherung geschaffen werden, die die Risiken der Hochpreiser übernimmt. Nur dies könnte die Versorgung sicherstellen. Wer überhaupt nicht vom Warenwert profitiert, kann diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Ob die Politik das wirklich will und diese Verantwortung künftig übernimmt, sollten sich die Parlamentarier gut überlegen.

Anerkennung für den Apotheker?

Immerhin passen die jüngsten Vorschläge konsequent zum Trend gegen typisch kaufmännische Mischkalkulationen. Das bei den Hochpreisern eingesparte Geld soll für Rezepturen und Betäubungsmittel ausgegeben werden. Eine solche Umverteilung wäre keine Anerkennung der Apothekenleistungen. Den Apotheken stünde nicht mehr Geld für Rezepturen und Betäubungsmittel zur Verfügung, sondern es würde an anderer Stelle fehlen. Es würden nur die offensichtlich lächerlich gewordenen Tarife korrigiert, die wohl auch den Politikern peinlich geworden sind.

Für die Politiker wäre das geradezu genial. Die unvermeidliche Nachbesserung gäbe es als billiges Nullsummenspiel und zugleich würde unterstrichen, dass Mischkalkulationen nicht mehr gewünscht sind. Dies sollten Apotheker dann aber konsequent einfordern. Für alle klar definierten Leistungen sollten daher Extra-Honorare gefordert werden, dann allerdings ohne Abzüge an anderer Stelle: Anwendung von Rabattverträgen, Umgang mit Kühlware und Einholen von Genehmigungen wären schon mal gute Einstiege. Wenn die Mischkalkulation immer weiter ausgehöhlt wird, bleibt den Apothekern nur dieser Weg, so bedauerlich bürokratisch das dann auch werden mag.

Daher kommt der Vorschlag Apothekerhonorar

Allerdings müssten sich die Apotheker dann langfristig auch auf die nächste Konsequenz einstellen. Wenn unter dem steigenden wirtschaftlichen Druck immer mehr Apotheken schließen werden, wird die gezielte Subvention für versorgungsrelevante Standorte viel wahrscheinlicher als eine auskömmliche Erhöhung des Festzuschlags für alle. Auf die Verteilung des Geldes durch den Markt will die Politik offenbar bei den Apotheken nicht mehr setzen. Dies macht der Vorschlag zur Deckelung des Hochpreiserhonorars überaus deutlich. So bedauerlich das alles sein mag, ist es immerhin konsequent unkaufmännisch. 


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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9 Kommentare

Was nicht...

von Reinhard Rodiger am 14.04.2016 um 14:33 Uhr

.....bezahlt wird,wird nicht gemacht! Jedes Unternehmen hat die Entscheidung, defizitäre Bereiche aufzugeben und sich auf einträgliches zu konzentrieren. Geht es um gesellschaftliche Aufgaben, so ist dies kein Freibrief , erstattungsfreie Dienstleistungen zu erpressen. Es fehlt die Berechnung dieser Leistungen(Rabattvertragsumsetzung etc)

Deckelung bedeutet nicht bezahlen wollen und Austausch gegen Almosen für gnadenlos unterbezahlte Leistungen
bestätigt nur die Absicht, breitangelegte Versorgung einzustellen. Das kann man tun, aber nicht ohne es der Bevölkerung zu sagen.

Es ist wieder der gleiche Fehler im Visier wie bei der Drehung: völliges Aushebeln der Honorierung für die Fälle, die es nötig haben.Mit reiner Frequenzorientierung sind keine mehr als oberflächlichen Dienste möglich.Dann doch gleich via Amazon-ohne weitere Quälerei.Auch diese Politikrichtung gehört ordentlich publik gemacht. JEDER MUSS WISSEN; WAS NICHT MEHR SEIN WIRD.

Also eine Auflistung der noch bezahlten Leistungen, der Rest wird aktiv zur Debatte gestellt-nachvollziehbar.Dass selbst die Presse überzeugbar ist,hat Frau Kemmritz jüngst bewiesen.Also , empört euch mal wirklich über die politischen Zumutungen und die laufenden KK-Beschimpfungen.



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Stellungnahmen des DAV

von Dr.Diefenbach am 14.04.2016 um 9:51 Uhr

Bei einer Infoveranstaltung des HAV vorgestern wurde dargestellt dass mehr als die Hälfte der Verbandsleiter FÜR eine Deckelung der 3 Prozent bei den Hochpreisern seien.Stimmt das?-Wenn dem so ist:Dann bitte ich um Klarstellung und Erklärung.Mit Verteilen nach unten darf das wohl nicht abgetan werden.Und "dafür" -2.94 für BTM und etwas mehr für Rezepturen.Lächerlich.Also:WAS sagt man den KollegInnen?

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Hochpreiser gibt es bald nicht mehr

von Christoph Leddin am 13.04.2016 um 22:24 Uhr

Die Krankenkassen haben 24 Monate Zeit zu retardieren , das bei zB Revlemid, Preis 7500,- , der Pat. Hat zwei Jahre damit überlebt und jetzt fängt die Kasse an zu retaxieren dann hat man 180000€ auf der Uhr. Gesundes Unternehmen kaputt und das bei dem lächerlich Verdienst pro Packung. Ich habe mich nicht gewundert das immer mehr Kunden mit solchen Rezepten zu mir gekommen sind, immer mit der Frage können SIE mir das besorgen. Auf meine Nachfrage sagten viele Kunden das die anderen Apotheken es nicht besorgen könnten. Nachdem meine Rendite dann auch nicht mehr reichte habe ich meine Apotheke geschlossen und muss noch 1 ½ Jahre mit dem Risiko der Retaxationen leben.
Die deutsche Apotheke wird systematisch kaputt gemacht.

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Kaufmann - nein danke!?

von Reinhard Herzog am 13.04.2016 um 17:37 Uhr

Der guten Ordnung halber sei ergänzt, dass es unsere eigenen Leute sind, die den Politikern ständig insoufflieren, wir seien Heilberufler - und quasi nur nebenbei, notgedrungen, Kaufleute. Demzufolge werden (feste) Honorare gefordert, von künftigen Gebührenordnungen und Leistungskatalogen wird geträumt (die dann jahrzehntelang unverändert bleiben dürften ...).

Und die Politik nimmt den Ball nunmehr auf, den Kostendeckel wohl im Blick. Allzu viel Feingefühl und Detailwissen bis in die Haarspitzen darf man dabei nicht erwarten. Der Beruf wird mehr und mehr vor die Wahl gestellt: Was nun? Das eine oder das andere?

Rein kaufmännisch betrachtet sind auch die heutigen 3% Aufschlag ein Witz, Stückerträge hin oder her. Welcher Händler mit Laden und Lagerhaltung arbeitet in der freien Einzelhandelslandschaft mit solchen Margen, auch bei hochpreisigen Produkten? Selbst Autohändler haben sogar im Neugeschäft weit höhere Aufschläge.
Margen im niedrig einstelligen Bereich gibt es "in der freien Wirtschaft" für reine Vermittlergeschäfte ohne jedes weitere Risiko! Und tatsächlich könnte es mit etwas Geschick darauf herauslaufen: Die Apotheke erbringt eine pharmazeutische Dienstleistung für ein festes Salär, wird aber ab einem gewissen Packungswert x aus vielen heutigen Haftungs- und den Finanzierungsrisiken herausgenommen. Das könnte Sinn machen, verlangt aber schon nach vertieftem Nachdenken, da "systemrelevant".

Mit der heutigen Lage ist aber perspektivisch auch wenig Staat zu machen. Was, wenn der Hochpreiseranteil weiter so schnell steigt und noch ganz andere Risiken (ich sag nur a la Juwelier und Co.) hinzutreten?
Das Thema Hochpreiser muss grundlegend neu gedacht werden!

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Es ist ...

von gabriela aures am 13.04.2016 um 16:29 Uhr

..ungleich bequemer, die Versorgung in "privatrechtlicher Hand" zu lassen, statt konsequent den Schritt zur "Apotheke in öffentlicher Hand" zu gehen.
So liegt das wirtschaftliche Risiko einzig und allein beim Inhaber (und -in), während im Falle einer Bezahlung nach, z.B. Richter-Besoldung, die Kosten von staatlicher Seite getragen werden müßten.
Egal, wie sich die Preise für neue Therapien entwickeln - bei der Variante ist bei der Apotheke schlicht nichts zu holen.
Aber jetzt wird wiedermal an unserer Grundlage geschraubt, bis es kracht - ist ja ein privates Problem und somit völlig irrelevant für die Nachtruhe unserer Politiker (und -innen)

Das ist zwar heute schon so (nichts zu holen), aber noch kann sich das Vorurteil des "reichen Apothekers" bestens halten - Sozialneiddebatten inklusive.

Wir sind schon lange nicht mehr frei in kaufmännischer Sicht - und es ist auch endlich an der Zeit, daß FS und andere Funktionäre diesen Quatsch nicht immer noch zelebrieren .

Bei der Rezeptur bringen wir das Geld bereits mit in die Apotheke, da steigt meine Laune auch nicht, wenn ich - dem Rat eines Kammerpräsidenten folgend - abends nach Dienstschluß im Labor stehe und mir mantramäßig vorsinge, das täte ich fürs Gemeinwohl und alleine die Rezeptur macht die Apotheke zu dem, was sie ist.
Und jetzt die Hochpreiser ....und in einem Jahr die "Nicht-ganz so hochpreisigen" und in 3 Jahren ?
Auf unserer Seite wird nur immer genommen - bekommen haben wir dafür Ausgleich im Promille-Bereich.
Flaschenpfand und Notdienstgroschen - und:
warme Worte ohne Ende !

Herrschaften, Herr Becker, die Zeit ist vorbei, auf Gespräche, Einsicht oder das übernächste Omnibus-Gesetz zu warten - DA KOMMT NICHTS MEHR.
"Game isch over" - oder wir fangen mal ensthaft an mit kämpfen.
"Dienst nach Vorschrift" machen wir übrigens zwangsläufig, sonst wird auf Null retaxiert.
Die Ankündigung war nett, aber wirkungslos.

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Zur "guten" Mischkalkulation: Einspruch, euer Ehren!

von Wolfgang Müller am 13.04.2016 um 15:55 Uhr

Lieber Kollege Müller-Bohn,

so sehr mir natürlich das meiste hier wieder gefällt, vor Allem die Passage mit den peinlichen "offensichtlich lächerlich gewordenen Tarifen" für die Rezepturhonorierung und BTM-Dokumentation, so muss ich Ihnen beim Thema "Mischkalkulation" widersprechen. Das ist normalerweise eigentlich gar nicht besonders gut kaufmännisch. Und man macht es nur, wenn Produkte oder Geschäftsbereiche WIRKLICH so existenziell voneinander abhängen, dass die vernünftige Kalkulation des einen, bisher nicht profitablen Produktes/Bereiches die Existenz auch des anderen gefährden würde.

Die auskömmliche Kalkulation der Rezeptur würde die GMP-Situation der Apotheken-eigenen Herstellung massiv verbessern können, besser als jede verschärfte ApoBetrO. Und auch die Kostensituation gerade kleinerer Apotheken um entscheidende Beträge, bei Entspannung der Personalnot. Die Sanierung dieses weitgehend eigenständigen Geschäftsbereiches "Rezeptur" würde aber keineswegs die Existenz anderer Geschäftsbereiche wie OTC und Rx gefährden, auch wenn INNERHALB des Rezeptur-Geschäftes es natürlich bei vernünftigen Preisen zu einem Mengen-Rückgang käme. Was ja wohl der eigentliche berufspolitisch unvernünftige Grund für die irrationale Angst "Der ABDA" ist, das überhaupt zu fordern.

Es verbietet sich hier m. E. eine Mischkalkulation geradezu, kaufmännisch wie aus GMP-Gründen.

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AW: wie weit mischen?

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 13.04.2016 um 16:49 Uhr

Lieber Herr Müller, vielen Dank für die sehr genaue Auseinandersetzung mit meinem Kommentar. Ich stimme Ihnen vollständig zu, dass eine den Kosten angemessene Honorierung der Rezeptur anzustreben ist, auch um Fehlanreize zu vermeiden. Eine Mischkalkulation sollte sich nicht über verschiedene Leistungsbereiche erstrecken. Mein Titel "konsequent unkaufmännisch" bezog sich dagegen auf die angestrebte Deckelung der Spanne, die die kaufmännische Kalkulation bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln untergräbt. Meine Idee ist dabei, dass ein Kaufmann aus seiner Marge alle Kosten des Handels (zugegebenermaßen nicht einer nebenbei betriebenen Herstellung) finanzieren sollte, ohne dabei für jede Einzelheit eine Extra-Gebühr kassieren zu müssen. Doch den Apotheken wird nun nur noch der Weg bleiben, sich jeden Handschlag extra entlohnen zu lassen. Denn die Mischkalkulation innerhalb (!) des Geschäftsbereiches Fertigarzneimittel wird untergraben.

Ja

von Peter am 13.04.2016 um 15:40 Uhr

Wundert mich eh, dass noch keiner von uns rechtliche Schritte gegen den e.K. eingeleitet hat. Seit dem Packungshonorar und erst Recht seit dem quasi Rabattverbot im RX Einkauf des AMNOG ist dieser gemessen an der Umsatzstruktur mit 80:20 eigentlich nicht mehr haltbar. Ich hafte für 80% des Umsatzes auf die mir per Gesetz jedweder kaufmännische Einflussnahme verboten ist.

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AW: Schlau...

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 13.04.2016 um 16:59 Uhr

Das hab ich mir bisher noch gar nicht so bewußt gemacht- aber Sie haben völlig Recht! Der e.K. ist genauso überholt wie die lästige Mitgliedschaft bei der IHK. Unser Geld und unsere Verantwortung nimmt man gerne, aber alle wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten sind per Gesetz verboten.

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