Angebliche Lieferung an Kreuzfahrtschiffe

PanamaPapers bestätigen Graumarkt-Geschäfte von Sanofi-Aventis

Stuttgart - 16.04.2016, 06:00 Uhr

Laubbaum statt Palme: Laut neuen Unterlagen lief der Re-Import von Arzneimitteln wohl sehr gut. (Foto: picture alliance / ZB)

Laubbaum statt Palme: Laut neuen Unterlagen lief der Re-Import von Arzneimitteln wohl sehr gut. (Foto: picture alliance / ZB)


Zum Skandal um Arzneimittel, die über Sanofi-Aventis unter anderem an eine Briefkastenfirma in Panama verkauft wurden, tauchen über Dokumente der Süddeutschen Zeitung neue Details auf: Das Graumarkt-Geschäft lief wohl gut – und die Mittel seien wieder in Deutschland gelandet.

„Schiffbruch in Panama“, titelte Spiegel Online: Im Jahr 2012 deckte das Magazin „Der Spiegel“ auf, dass die von dem deutschen, in Venezuela lebenden Geschäftsmann Siegfried Pulgrabia gegründete Briefkastenfirma Carnival Enterprises jahrelang Arzneimittel im Wert von mehr als 200 Millionen Euro von Sanofi-Aventis bezogen hatte. Angeblich, um Kreuzfahrtschiffe zu beliefern. Laut dem Nachrichtenmagazin hatte Pulgrabia sich das Geschäft zusammen mit dem ehemaligen Chef-Lobbyisten von Sanofi-Aventis ausgedacht: Der Pharmakonzern bezog rezeptpflichtige Arzneimittel im großen Stil von Pfizer, Lilly, Merck, Boehringer Ingelheim oder AstraZeneca – und erhielt einen Auslandsrabatt von 50 Prozent, da er zusicherte, die Substanzen würden auf die Schiffe gebracht.

Nachfragen bei den Reedereien durch den „Spiegel“ ergaben damals jedoch, dass die Arzneimittel die Reise über die Weltmeere wohl nicht antraten. Die Vermutung, dass sie am Ende über deutsche HV-Tische gingen, bestärken nun die Panama Papers – Dokumente der umstrittenen Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama, die der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) zugespielt wurden.

Aus den Dokumenten geht hervor, dass die von Pulgrabia gegründete Briefkastenfirma Carnival Enterprises, die das Geschäft abwickelte, ein Konto bei der Hamburger Privatbank Berenberg hatte.

Der Re-Import laufe gut

Ein Bankmitarbeiter kümmerte sich offensichtlich nicht nur um die Führung des Kontos: „Der Re-Import von pharmazeutischen Produkten nach Deutschland läuft gut“, zitiert die Zeitung einen ehemaligen Vizedirektor von Berenberg Schweiz, der offenbar bei den Medikamenten-Geschäften beraten hat. Dies erfolgte jedoch in privater Funktion, wie die Bank gegenüber DAZ.online betont.

Wegen seiner „erfolgreichen Beratung“ werde der Banker 250.000 Euro pro Jahr bekommen – so ein Dokument aus dem Jahr 2006, das Mossack Fonseca laut SZ den Unterlagen einer Briefkastenfirma des Mitarbeiters von Berenberg beigelegt hat.

Berenberg sah keine Auffälligkeiten

Auf Nachfrage gibt die Bank nun an, nichts von den Aktivitäten des früheren Mitarbeiters gewusst und die Kontobewegungen als unauffällig bewertet zu haben. Der ehemalige Vizedirektor von Berenberg Schweiz gab gegenüber der SZ keine Stellungnahme ab.

Pulgrabia gab gegenüber Spiegel Online 2012 zu, dass „da einige Schweinereien gelaufen sind“, jedoch nur nach seiner Zeit: Er habe die Briefkastenfirma 2006 verkauft und anschließend nichts mehr mit ihr zu tun gehabt. Der ehemalige Sanofi-Cheflobbyist Erich Dambacher sagte hingegen, Pulgrabia würde die Firma weiter beraten – was dieser wiederum bestritt. Pulgrabia starb 2015.

Angebliche Lieferungen nach Nordkorea

Die Kreuzfahrt-Connection kam über Ermittlungen zu einem ähnlich gelagerten Fall heraus: Sanofi lieferte laut Spiegel-Recherchen über Jahre hinweg Arzneimittel mit nahendem Ablaufdatum in Entwicklungsländer wie Nordkorea, der Gesamtwert soll rund hundert Millionen Euro betragen haben. „Tatsächlich landete das meiste aber in deutschen Apotheken“, schrieb das Magazin damals. 

Dabei soll laut dem Nachrichtenmagazin der Großhändler Multi-Trade-International (MTI) die Mittel von verschiedenen Herstellern von Sanofi bezogen und an den Großhändler Gehe verkauft haben. Gehe berief sich damals darauf, nichts von den Hintergründen der Arzneimittel gewusst zu haben.

Verlängerter Arm der Hersteller?

Der Geschäftsführer von MTI räumte gegenüber dem Nachrichtenmagazin ein, die Medikamente an Gehe verkauft zu haben. „Wir waren schlicht der verlängerte Arm der Hersteller“, sagte er. Dem Pharmakonzern sei dies klar gewesen. „Sanofi hat uns nur deutsch beschriftete Packungen verkauft und wollte nicht mal Exportgenehmigungen von uns sehen“, sagte der MTI-Geschäftsführer – während der Manager Dambach sagte, Sanofi hätten sogar Nachweise für die Lieferungen an die Hilfsorganisationen vorgelegen. Dies bezog sich jedoch offenbar nur auf einen Bruchteil der Arzneimittel, die in Deutschland kaum verkäuflich waren und von Sanofi für Centbeträge abgegeben wurden.

Zum Bumerang wurde es für Sanofi, als die Firma eine Klage gegen den Großhändler MTI einreichte, „im Zusammenhang mit vorgetäuschten Ausfuhren von Arzneimitteln für Hilfszwecke nach Nordkorea“. Der Konzern warf MTI vor, der Großhändler hätte die Arzneimittel gar nicht in Entwicklungsländern sondern in Deutschland verkauft. „Ja, natürlich war das so“, sagte der MTI-Geschäftsführer damals dem „Spiegel“, „aber das wussten doch alle Beteiligten, das war der einzige Grund, weshalb Sanofi an uns geliefert hat". Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen mangels Tatverdacht ein und beschuldigte stattdessen die verantwortlichen Mitarbeiter von Sanofi. Im Juni 2011 folgte eine Razzia in der Deutschland-Zentrale wie auch in Privatwohnungen ehemaliger Top-Manager. Insgesamt wurden offenbar 17 Büros und Wohnungen durchkämmt

„Wir halten nichts von diesen intransparenten und auch auf den zweiten Blick unseriösen Geschäftspraktiken“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Fritz Becker, im Juni 2011 der SZ. Es gehe offenbar zu wie auf einem Basar, so Becker, der drastische Konsequenzen forderte.

Strafe in Millionenhöhe

Für illegale Geschäfte im Umfeld der vermeintlichen Lieferungen ins Ausland wurde Sanofi laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ im Mai 2013 zu einer Geldbuße in Höhe von 28 Millionen Euro verurteilt, was allerdings erst ein knappes Jahr später bekannt wurde. Außerdem seien zwei Mitarbeiter entlassen worden, die nur vergleichsweise diskrete Strafbefehle erhielten, sodass es nicht zu öffentlichen Gerichtsverhandlungen kam. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Verden hingen auch mit zweifelhaften Rabatten für „Klosterfrau Melissengeist“ zusammen. 

Sanofi bestätigte gegenüber der Zeitung die Zahlung des Bußgelds – und sagte, dass die illegalen Geschäfte schon vor dem Zusammenschluss von Sanofi und Aventis im Jahr 2004 begonnen hatten.

Für Sanofi ist der Fall abgeschlossen

Auf Anfrage von DAZ.online schreibt das Unternehmen nun, der Vorgang sei vor längerer Zeit abgeschlossen worden. „Zu den Fragestellungen kann Sanofi Ihnen daher keine Informationen zukommen lassen." Die Sprecherin will nicht einmal mehr bestätigen, dass das Bußgeld bezahlt wurde – oder erläutern, wie der Konzern auf die umstrittenen Geschäfte reagiert hat.

Ein Blick in die Vergangenheit könnte jedoch aufschlussreich sein: Bei der Abschiedsfeier des ehemaligen Sanofi-Cheflobbyisten Dambacher im Jahr 2007 dankte er laut „Spiegel Online“ auch seinem Geschäftspartner Pulgrabia: „Ein Wort oder Handschlag von ihm waren mehr wert als jeder Vertrag, und ich durfte lernen, dass Qualität, Service und Zuverlässigkeit wichtiger ist als jeder Preis. Sparsamkeit am falschen Platz ist das Ende eines jeden Geschäfts.“

Wertvolle Handschläge

Für seine Vermittlungstätigkeit bei der angeblichen Belieferung der Kreuzfahrtschiffe habe Dambacher im Gegenzug 85.000 Euro von der Briefkastenfirma Carnival aus Panama erhalten – pro Monat. Er ließ Spiegel Online per Anwalt mitteilen, er und die Pharmafirmen seien getäuscht worden.

Update vom 14.04.2016, 18:35: Gegenüber DAZ.online sagte eine Sprecherin der Bank Berenberg, dass es sich um private Tätigkeiten eines einzelnen Mitarbeiters gehandelt hätte. Dies wurde entsprechend aufgenommen.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Danke

von Dr. CHristoph Klotz am 20.04.2016 um 18:30 Uhr

Danke für den Beitrag, ich konnte es mir auch nicht vorstellen, dass Briegfkastenfirmen für den Arzneimittelmarkt nicht interessant sind.
Eigentlich müsste es da noch mehr Material geben. Also weiter suchen.

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