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Honorarkürzung in England
Jede vierte britische Apotheke vor dem Aus?
Sechs Prozent des Apothekenhonorars will der britische Gesundheitsdienst (NHS) einsparen. Das bedrohe bis zu 3000 Apotheken in ihrer Existenz, fürchten Politiker. Vor allem kleine, unabhängige Apotheken seien gefährdet.
22 Milliarden Britische Pfund, das sind etwa 28 Milliarden Euro, sollen bis 2021 im staatlichen Gesundheitswesen Großbritanniens eingespart werden. Die Apotheke als „Kernelement“ der Primärversorgung müsse dabei einen wichtigen Beitrag leisten, heißt es in einem Schreiben des Gesundheitsministeriums und des Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) an die wirtschaftliche Interessenvertretung der öffentlichen Apotheken, das Pharmaceutical Services Negotiating Committee (PSNC), vom Dezember 2015.
In dem Schreiben wird angekündigt, dass die Ausgaben des NHS für die Apothekenhonorare ab Oktober 2016 um 6,1 Prozent auf jährlich 2,63 Milliarden Pfund (ca. 3,38 Mrd. Euro) sinken werden. Eigentlich waren 2,8 Milliarden Pfund (ca. 3,6 Mrd. Euro) im „Community Pharmacy Contractual Framework“ vertraglich festgeschrieben.
Bis zu 3000 Apotheken bedroht
Doch die geplanten Einsparungen dürften Lücken ins Apothekennetz reisen, fürchten Apotheker und Politiker. Der Staatsminister im Gesundheitsministerium Alistair Burt sagte der BBC, er gehe davon aus, dass zwischen 1000 und 3000 der rund 11.700 britischen Apotheken schließen müssen. Bei einem Treffen der „All Party Pharmacy Group“, einer Arbeitsgruppe von Parlamentsmitgliedern aller Parteien zu Apothekenfragen, warnte Burt im Januar, dass kleinere, unabhängige Apotheken wahrscheinlich am meisten unter den Kürzungen leiden werden.
Die Royal Pharmaceutical Society befürchtet, dass die Kürzungen die Qualität der pharmazeutischen Versorgung und den Zugang zu Apotheken verschlechtern. Auch der Vorsitzende der National Pharmacy Association, der Interessenvertretung der unabhängigen Apotheken, äußerte sich besorgt. In einem Brief an Premierminister Cameron spricht er von einem „gefährlichen Experiment, durch das Apotheken schließen müssen“ und das so den Zugang zur Gesundheitsversorgung erschwere. Laut NPA haben bereits über eine dreiviertel Million Menschen eine Petition gegen die Kürzungspläne unterschrieben.
Sparen mit zentralisierter Versorgung?
In dem BBC-Bericht heißt es, dass eine britische Apotheke jährlich im Schnitt etwa 220.000 Pfund (ca. 283.000 Euro) Honorar vom NHS erhalte – und dass die Zahl der Apotheken seit 2003 um 20 Prozent gestiegen sei.
40 Prozent dieser Apotheken, so das Schreiben des Gesundheitsministeriums, befänden sich in einem „Cluster“ von drei oder mehr Apotheken innerhalb von zehn Minuten Fußweg. Deswegen sei die Regierung überzeugt, dass Effizienzsteigerungen möglich seien, ohne die Versorgungsqualität zu beeinträchtigen. Als ein Beispiel für solch effizienzsteigernden Maßnahmen nennt das Schreiben das automatische Dispensieren in großem Maßstab, wie es in „Hub and Spoke“-Modellen praktiziert werde.
Trotz der angekündigten Kürzungen um umgerechnet rund 218 Millionen Euro werden die Apotheker in dem Schreiben als „Herzstück des NHS“ bezeichnet. Es gebe ein „echtes Potenzial für eine sehr viel stärkere Nutzung der Apotheken und Apotheker“, beispielsweise in der Prävention, Gesundheitsförderung, Unterstützung der Selbstbehandlung, Medikationsanalyse in Pflegeheimen und als Teil von integrierten lokalen Versorgungsmodellen.
Kurzfristig sollen Apotheken und Apotheker auch gefördert werden, beispielsweise in dem Modellversuch der „Clinical Pharmacists“ in Arztpraxen. Dieser soll ausgebaut werden, bis 2020 soll in jeder britischen Praxis ein Apotheker angestellt sein und den Allgemeinarzt bei Medikationsfragen beraten.
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