Neue Serie Pharmaunternehmen in Deutschland - Bionorica

„Apotheker – unsere wichtigsten Partner!“

Neumarkt / Oberpfalz - 27.04.2016, 17:50 Uhr

Er setzt auf die Apotheke: Prof. Dr. Michael Popp, Vorstandsvorsitzender der Bionorica SE. (Fotos (3): Bionorica SE)

Er setzt auf die Apotheke: Prof. Dr. Michael Popp, Vorstandsvorsitzender der Bionorica SE. (Fotos (3): Bionorica SE)


BIONORICA –Fragt man einen Apotheker, was er spontan mit Bionorica verbindet, dann nennt er vermutlich Sinupret, Phytothek und Phytoneering. Und damit ist bereits viel, aber längst nicht alles über das Unternehmen gesagt, das heute einer der weltweit führenden Hersteller pflanzlicher Arzneimittel ist. DAZ-Herausgeber Peter Ditzel unterhielt sich mit Bionorica-Inhaber Michael A. Popp. 

Popps Großvater Josef war Heilpraktiker. Die Rezepturen für seine Patienten bereitete er selbst zu aus Extrakten selbst gesammelter Arzneipflanzen. Nach seinem frühen Tod übernahmen 1945 Josef Popps Kinder, die Pharmazeutin Erna Popp und ihr Bruder, der naturheilkundlich ausgerichtete Arzt Dr. Hans-Oskar Popp, die Geschäftsführung des kleinen Manufakturbetriebs. Anfang der 1960er Jahre begann die „Industrialisierung“ von Bionorica: Die in Nürnberg ansässige Firma legte sich eine Abfüll- und eine Etikettiermaschine zu, die ersten Angestellten begannen zu arbeiten. Bionorica wuchs, erste Forschungsaktivitäten und ein wissenschaftlicher Außendienst kamen hinzu. 

Der Anfang – mit großen Baustellen

1988 übernimmt Michael Popp, der Enkel des Firmengründers, nach seinem Pharmaziestudium die Geschäftsführung. Er beschließt, das Werk ins oberpfälzische Neumarkt zu verlegen. Und er bringt große Pläne mit – sogar selbst entworfene: „Den Plan für das neue Werk habe ich damals selbst gezeichnet, maßstabsgetreu“, so Apotheker Popp mit einem stolzen Unterton. Schon von Kindheit an war er während der Schulferien im Werk, „ich habe alle Abteilungen kennengelernt“. Sein Ehrgeiz war es, sich mit modernsten Pharmabauten zu befassen, „ich besuchte sogar Seminare dazu“.

In diese Phase fällt die Sparpolitik von Blüm und die Zeit der Nachzulassung, „das war meine größte Baustelle“, erinnert sich der Unternehmer, „Riesenherausforderungen! Ich bin damals ins kalte Wasser gesprungen. Immerhin, man hatte einen gewissen Freiraum, alte pflanzliche Arzneimittel an den ‚state of the art‘ anzupassen“. 

Sinupret ist das Zugpferd der Bionorica. Im Bild: Verblisterung von Sinupret Dragees.

Das Phyto-Portfolio

Popp nutzte diese Möglichkeiten, entstanden sind daraus moderne pflanzliche Präparate wie Bronchipret, Klimadynon oder Agnucaston. „Dann haben wir auf die Neuzulassung von Sinupret gesetzt. Sinupret war schon damals das Zugpferd von Bionorica, allerdings vor allem in der Kassenerstattung. Wir waren mit diesem Produkt überhaupt nicht in der Empfehlung des Apothekers“, erinnert sich Popp. „Anfang der 90er Jahre war es meine Initiative, uns auf der Interpharm und Expopharm dem Apotheker zu präsentieren. Ich hatte nur ein Ziel: Sinupret musste raus aus der Abhängigkeit der Kassenerstattung.“

Ein weiterer Schritt auf diesem Weg war der Einstieg ins Exportgeschäft: Schon bald ging er auf den asiatischen und osteuropäischen Markt, sogar mit einem eigenem Büro in Moskau. Das Präparat Mastodynon entwickelte sich zum Erfolgspräparat in Polen und Russland. „Die osteuropäischen Ärzte verordnen dieses Präparat in großem Stil“, so Popp. Er wird sogar zu russischen Urologen-Kongressen eingeladen, um über Phytopharmaka zu referieren – „das macht mir viel Spaß“.

Bionorica setzt auch in Zukunft auf Phytopharmaka. Neben den Rennern Sinupret, Bronchipret und Tonsipret im HNO-Bereich hat sich Canephron zu einem „hidden champion“ im Bionorica-Portfolio entwickelt, „das ist unser Exportschlager, vor allem im osteuropäischen Raum“, so Popp. „Potenzial steckt auch im Weidenrindenpräparat Assalix, in Imupret und in den pflanzlichen Gynäkologika. Wir forschen außerdem in den Bereichen Leber, Magen und Darm, Adipositas, metabolisches Syndrom“, so Popp und er zeigt sich zuversichtlich, dass hier gute Ergebnisse zu finden. 

Forschungsgetrieben

Bionorica prägte den Begriff Phytoneering, eine Wortschöpfung, die das Wesen des Unternehmens ausmacht: Das Wirkstoffpotenzial der Pflanzen (Phytos) wird durch den Einsatz moderner Forschung und Technologien (engineering) gehoben. Popp: „Wir investieren als Phytounternehmen viel Geld in die Forschung, in diesem Jahr rund 16 Prozent unseres Umsatzes, der 2015 bei rund 244 Mio. Euro lag. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Technologien, um hier noch besser zu sein. Aber auch bei der Weiterentwicklung von Analysemethoden – Analytik ist ein Steckenpferd von mir, auf diesem Gebiet habe ich auch promoviert.“

Bionorica investiert zudem in Klinische Studien, „die kosten uns zwischen vier und sechs Millionen Euro“ ergänzt der Unternehmer, „wir führen diese Studien nach den Richtlinien der europäischen Fachgesellschaften durch. Für unser Präparat Bronchipret haben wir von den deutschen Pneumologen die höchste Evidenz bekommen“, so Popp. „Unser jüngster Erfolg ist Sinupret extract – unsere Anstrengungen haben sich gelohnt. Da es ein neuer Wirkstoff war, mussten wir von vorne anfangen mit der gesamten Toxikologie, einer humanen Dosisfindungsstudie und dann noch die Phase-III-Studie. Mit unseren Ergebnissen konnten wir die europäischen Zulassungsverfahren durchlaufen. Für Sinupret extract bekamen wir sogar ein Patent, das weltweit bis 2032 gültig ist.“

Eine andere Richtung als Phytopharmaka einzuschlagen, kam für Popp nie infrage: „Die meisten Innovationen kommen noch heute aus der Natur.“ Popp erinnert hier an die chinesische Forscherin Tu Youyou, die im vergangenen Jahr für ihre Arbeiten zu Artemisinin den „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“ erhielt. Michael Popp kennt sie persönlich schon seit langem: „Wir arbeiten schon seit 2008 mit ihr zusammen.“ 

Neumarkt i.d.OPf. ist Sitz der Bionorica.

Entwicklungspotenzial Cannabis

Optimistisch betrachtet Popp das Entwicklungspotenzial der Cannabis-Wirkstoffe: „An diesem Thema bin ich schon seit 2002 dran. Wir haben hier viele Erkenntnisse gewonnen. Wir haben Dronabinol produziert, auch wenn es ein Minusgeschäft war, aber wir wollten den Patienten diesen Wirkstoff zur Verfügung stellen.“ Bionorica will an diesem Thema dran bleiben und begrüßt den Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums, der darauf abzielt, Cannabis und seine Wirkstoffe in verschreibungs- und erstattungsfähiger Weise als Arzneimittel einsetzen zu können.  

Auch beim Wirkstoff Cannabidiol, der z. B. Symptome bei Schizophrenie, Epilepsie, Alzheimer und anderen Krankheitsformen lindern kann, hat das Unternehmen eine Führungsposition. Vor zwei Jahren übernahm Bionorica die THC-Pharm, um gemeinsam auf dem Gebiet der Cannabis-Wirkstoffe zu forschen. „Dieser Markt wird weiter wachsen“, ist Popp überzeugt, auch wenn er nicht nachvollziehen kann, warum man den Cannabis-Fertigarzneimitteln bisher die Zulassung verweigert, obwohl man den Nachweis erbrachte, dass das Bionorica-Produkt dem zugelassenen amerikanischen Produkt äquivalent ist. „Aber die Krönung ist“, so Popp, „dass Cannabisblüten zum Rauchen erlaubt sein sollen, unsere standardisierten Produkte dagegen nicht zugelassen werden. Dabei wären wir vermutlich mit einem normierten Cannabisextrakt als Fertigarzneimittel auch preislich mit den Blüten konkurrenzfähig.“ 

Ein Erfolgsmodell: die Phytothek

Was er besonders schätzt: Seine sehr guten Kontakte zur Apothekerschaft, zu Kammern und Verbänden. „Die Apotheker sind unsere wichtigsten Partner“, resümiert der Bionorica-Chef. „Die Idee zu unserer Phytothek ist übrigens im Austausch mit Apothekern entstanden, als man sich vergegenwärtigte, dass wir nicht nur Sinupret herstellen, sondern noch viele andere Phytos im Portfolio haben, was damals nicht jedem bewusst war. ‚Schaffen Sie uns eine Plattform dafür, mit der  wir ihre hochwertigen Phytos positionieren können‘ – so die Forderung vieler Kolleginnen und Kollegen. So ist die Phytothek entstanden und ein Erfolgskonzept auch für die Apotheke geworden.“ Nahezu 1000 Apotheken machen bereits beim Phytothek-Konzept mit, das aus Schulungen, zertifizierten Abschlüssen und einer verkaufsfördernden Markeninszenierung besteht. Die Zahl der geschulten Phyto-PTAs wird in diesem Jahr auf über 2000 steigen.

Immer noch Apotheker

Fühlt sich Michael Popp noch als Apotheker? „Ja klar“, kommt es wie aus der Pistole geschossen, „ich bin froh, Apotheker zu sein.“ Sein Studium absolvierte er am pharmazeutischen Institut in Erlangen, die Promotion und Habilitation erfolgte in Innsbruck. „Um eine Pharmafirma in dieser Größe zu leiten, ist es aus meiner Sicht das Beste, Pharmazie studiert zu haben. Man versteht von allen Disziplinen etwas, von der Heilpflanze, von der Herstellung, der Technik. Und Betriebswirtschaft kann man sich beibringen.“

Was er an seinem Job liebt: die Forschung, den Austausch mit Wissenschaftlern und Forschern, weltweite Kontakte. Aber er geht auch gerne mit Zahlen um. Für sein Engagement als Unternehmer  hat Popp bereits viele Preise erhalten: „Am meisten hat mich gefreut, als kleine Bionorica im vergangenen Jahr in die ‚Hall of Fame der Familienunternehmen‘ aufgenommen zu werden, einer Ehrung, die in der Regel Familienunternehmen mit Milliardenumsätzen zuteil wird.“

Fincas und Thinkas und Soziales

Ein Porträt der Bionorica, ohne den Heilpflanzenanbau auf Mallorca zu erwähnen, wäre unvollständig. Das warme Klima der spanischen Insel lässt viele Pflanzen, die sich in den Phytos von Bionorica wiederfinden, besonders gut wachsen. Und von den Heilpflanzen war es für Popp nur ein kleiner Schritt zum Weinanbau. Er kaufte eine Bodega und begann, eigenen Wein auf Mallorca anzubauen. Was als Hobby begann, ist mittlerweile Kult geworden: Weine mit Beipackzettel. Sein „Stairway to heaven“, wie z. B. einer seiner Rotweine heißt, ist zum geschätzten Werbegeschenk bei Freunden und Geschäftspartnern geworden.

Vor kurzem erwarb er eine zweite Finca, die als landwirtschaftliche Experimental-Finca konzipiert ist  und die sich um die Kultivierung alter Mandel-, Citrus- und Weinsorten bemüht. Popp baute sie zu einer Thinka aus, einer Art Thinktank mit Räumen für Seminare und Feiern. Auch für seine Stiftung wird diese Finca genutzt: Mallorquinische Schulklassen bekommen dort die Natur erklärt. Sein jüngstes Engagement auf der Insel: die großtechnische Produktion von Orangenmarmelade und der Anbau von Oliven und Reis. „Ich werde immer mehr zum Landwirt“, lacht Popp, „für mich ist das eine gewisse Erdung. Man kann viel für den Anbau von Heilpflanzen lernen. Und darüber, wie Mensch und Natur im Einklang leben können.“

Bionorica engagiert sich auch sozial: Michael Popp gründete die gemeinnützige „Leon Heart Foundation“, die kranke, einsame und vernachlässigte Kinder und Jugendliche in sozialen und medizinischen Einrichtungen und Kinderheimen auf der ganzen Welt unterstützt. 

Der Privatmensch 

Bei so viel Aktivitäten: Wo findet Popp Entspannung? „Beim Motorrad fahren“, schmunzelt der Unternehmer, „mit einigen Apothekerkollegen und Freunden fahren wir kleinere Touren – da schalte ich absolut ab und bekomme den Kopf frei. Auf dem Motorrad erlebe ich die Natur anders als im Auto.“ Und dann ist er gerne architektonisch tätig, er plant, er zeichnet und kümmert sich um bauliche Details seines Unternehmens  – „auch eine Art Entspannung“. Und es macht ihm Spaß, auf seinem Weingut mit Freunden übers Leben zu philosophieren und neue Ideen zu entwickeln: „Für mich sind die Apotheker die wichtigsten Partner.“ 


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

hmm...

von MD am 27.04.2016 um 18:41 Uhr

Und ich dachte auf Adblock wäre verlass.

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