LinksFraktion fragt nach

BMG verteidigt Zyto-Ausschreibungen

Berlin - 28.04.2016, 10:15 Uhr

Zytostatika-Apotheker werden in Sachen Ausschreibungen ratlos sein: Was gilt denn nun? (Foto: VZA)

Zytostatika-Apotheker werden in Sachen Ausschreibungen ratlos sein: Was gilt denn nun? (Foto: VZA)


Aus Sicht der Bundesregierung wird die Versorgung von Krebspatienten durch Zytostatika-Ausschreibungen nicht gefährdet. Das geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Dass das BMG keinen Handlungsbedarf sieht, liegt offenbar auch an der ABDA. 

Es ist eines der wichtigsten Themen des diesjährigen DAV-Wirtschaftsforums in Berlin. Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), hatte davon gesprochen, dass sich Zytostatika für Ausschreibungen einfach nicht eigneten. Auch weil durch die exklusiven Vergaben an einzelne Apotheken die freie Apothekenwahl eingeschränkt würde, forderte Becker, Rabattverträge bei Zytostatika zu verbieten. Am Nachmittag pflichtete ihm eine der wichtigsten Organisationen des Gesundheitswesens, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (in Person von Dr. Georg Baum), bei. Baum bemängelte, dass die Ausschreibungen eine „oligopolistische Industrie-Versorgung“ geschaffen hätten.

Doch nur einen Tag später scheinen sich alle Bemühungen der Apotheker und Kliniken erledigt zu haben. Auf eine schriftliche Frage der Linksfraktion antwortet Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU): „Gründe für eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung krebskranker Patienten durch Zytostatika-Ausschreibungen werden derzeit nicht gesehen, da unabhängig davon, welche Apotheke die anwendungsfertige Zytostatikazubereitung herstellt, diese […] in Absprache zeitnah nach Zubereitung an den anwendenden Arzt abgibt.“

ABDA: Keine Zahlen und keine Probleme

Die Linke hatte sich danach erkundigt, welche Erkenntnisse der Regierung zur Zahl der Zytostatika-versorgenden Apotheken vorliegen. Außerdem wollte die Oppositionsfraktion wissen, was das BMG von den Sorgen der Apotheker rund um die neue Ausschreibungsrunde des AOK-Bundesverbandes halte. Zur Erklärung: Der AOK-Bundesverband hatte Mitte März eine neue, große Ausschreibungsrunde für fünf Bundesländer bekannt gegeben. Ab Juli sollen dann nur noch die Losgewinner in den jeweiligen Gebieten Zytostatika für AOK-Patienten herstellen.

Hinsichtlich der Anzahl der Zyto-Apotheken hatte das BMG bei der ABDA nachgefragt. Die wiederum teilte dem BMG mit, „keine systematisch erhobenen Daten“ über Zyto-Apotheken zu haben. Allerdings gehe man im Apothekerhaus davon aus, dass die Anzahl solcher Betriebe sich in den vergangenen fünf Jahren von 400 auf schätzungsweise 300 verringert habe, schreibt das BMG in der Antwort an die Links-Fraktion. Laut Ministerium kam die ABDA also zu dem folgenden Schluss: „Nach Erkenntnissen der ABDA ist die flächendeckende Versorgung dadurch nicht gefährdet.“

Insbesondere in Hessen dürften einige Apotheken anderer Meinung sein. Dort hatte die AOK vor einigen Jahren nämlich erstmals Zytostatika-Herstellungen exklusiv ausgeschrieben. Einige Apotheker hatten sich darüber hinweg gesetzt und produzierten für die Ärzte in ihrer Gegend weiter. Die AOK retaxierte, mehrere Apotheker zogen vor Gericht. In erster Instanz gewannen sie noch. Als der Fall in der Sprungrevision vor dem Bundessozialgericht landete, siegte jedoch die AOK. In seinem Urteil bekundete das Gericht, dass Patienten in der onkologischen Behandlung kein Recht auf die freie Apothekenwahl hätten. Ein betroffener Apotheker will gegen das Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht protestieren.

Nach Kenntnis der Antwort der Bundesregierung kommt Kathrin Vogler von den Linken zu einem ernüchternden Fazit. „Es zeigt sich immer wieder: Preiswettbewerb mittels Ausschreibungen und Selektivverträgen verschlechtern die Versorgung und dünnen die Anbieterlandschaft aus“, erklärt die Politikerin Es bleibe dabei: Ausschreibungen und Selektivverträgen der Krankenkassen, bei denen es ausschließlich um den niedrigsten Preis geht, sind der falsche Weg. Denn Qualität und flächendeckende Versorgung können dabei auf der Strecke bleiben. 


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Nicola Kuhrt, DAZ.online
redaktion@daz.online


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