TK will Abgabe-Verweigerungs-Modell

Apotheker sollen „AMNOG-Sparschranke“ werden

Berlin - 28.04.2016, 19:20 Uhr


Die Techniker Krankenkasse will Apotheker als neues Sparinstrument für teure Originalpräparate etablieren. So sollen Apotheker künftig prüfen, wie hoch der Zusatznutzen eines vom Arzt verordneten Arzneimittels ist. Gibt es eine günstigere und bessere Alternative, sollen die Pharmazeuten die Abgabe verweigern.

Die stetig steigenden Ausgaben für neue Originalpräparate sind den Krankenkassen zunehmend ein Dorn im Auge. Eigentlich sollte das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) die Arzneimittelausgaben der Kassen weiter schrumpfen lassen. Auch weil viele Hersteller im ersten „preisfreien“ Jahr immer höhere Preise verlangen, ist aber das Gegenteil der Fall: In den vergangenen Jahren gaben die Kassen immer mehr für Arzneimittel aus.

Beim DAV-Wirtschaftsforum in Berlin sprach Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK, daher von „homöopathischen Einsparungen“, die das AMNOG bewirkt habe. Statt den von der Bundesregierung anvisierten 2 Milliarden Euro hätten die Kassen durch die frühe Nutzenbewertung und die Erstattungsbeträge lediglich 500 Millionen Euro pro Jahr eingespart.

Die Kassen stören sich auch daran, dass die Nutzenbewertungs-Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht in der Versorgungspraxis ankommen. Ballast wies darauf hin, dass Ärzte selten wüssten, wie hoch der Zusatznutzen der von ihnen verordneten Präparate ist. Letztlich komme es häufig dazu, dass die Mediziner ein teures Präparat verschreiben, obwohl es ein günstigeres gibt, das sogar einen höheren Zusatznutzen hat.

Kein Zusatznutzen = Abgabe verweigern

Ginge es nach der Techniker Krankenkasse, sollten die Apotheker eine zentrale Rolle dabei spielen, das zu ändern. Unter dem Namen „AMNOG in der Apotheke“ hat die Kasse ein neues Sparprogramm entwickelt, bei dem die Apotheker gewissermaßen als „Sparschranke“ vor der Abgabe teurer Arzneimittel tätig werden sollen.

Laut Ballast sollen die Pharmazeuten grundsätzlich auch die Diagnose der Patienten einsehen dürfen und dann mitentscheiden: „Ist dieses Arzneimittel überhaupt für diesen Patienten geeignet?“ Dabei sollen die Apotheker insbesondere den Zusatznutzen der Arzneimittel überprüfen.

Stellt sich heraus, dass das Präparat keinen Mehrwert für den Patienten hat, soll der Apotheker die Abgabe verweigern. „Das Rezept soll dann zur weiteren Prüfung an die Krankenkasse weitergeleitet werden“, so Ballast. Aus Sicht der TK könnte so sichergestellt werden, dass nur noch Medikamente mit einem wirklich guten Kosten-Nutzen-Profil abgegeben werden. „Ein weiterer Vorteil wäre, dass wir bei den Ärzten Regresse vermeiden“, ergänzte der Kassenmanager.

Ballast sieht seinen Vorschlag auch im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um das Apothekenhonorar. Im Gegensatz zum Vorschlag der Regierungsfraktionen wolle die TK Apotheker mehr für pharmazeutische Leistungen entlohnen. AMTS-Projekte mit Apothekern seien gute Beispiele dafür. Und auch das Programm „AMNOG in der Apotheke“ könne dazu führen, dass Apotheker stärker für ihre pharmazeutischen Kenntnisse und damit verbundene Dienstleistungen vergütet werden.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


16 Kommentare

Neues Mittel zur Nullretaxation

von A. Grünebaum am 30.04.2016 um 15:23 Uhr

„Ein weiterer Vorteil wäre, dass wir bei den Ärzten Regresse vermeiden“, ergänzte der Kassenmanager. "..und bei den Apothekern auf Null retaxieren können!". Letzteres hat nicht ausgesprochen, jedoch mehr oder weniger laut gedacht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gegenvorschlag

von gabriela aures am 28.04.2016 um 16:08 Uhr

Bevor da die Telefonleitungen zwischen Apotheke und Praxis glühen und keine der beiden Parteien überhaupt mehr anständig arbeiten kann, ein simpler Gegenvorschlag:
- TK-Versicherte bekommen grundsätzlich keine neuen Medis mehr
-TK-Versicherte dürfen nir mit Generika therapiert werden
Sollte ausnahmsweise doch mal ein neues Rzneimittel mit VK über 53,66€ verordnet werden MÜSSEN, dann wird von den Arztpraxen folgendes Procedere erwartet:
-TK-Rezepte werden der Kasse auf jeden Fall vorher zur Genehmigung vom Arzt vorgelegt
- die entsprechende Genehmigungsnummer muß auf das Rezept übertragen und vom Arzt gegengezeichnet werden, damit eine Abgabe in der Apotheke retaxsicher erfolgen kann

Vorteil: auch so wird den Ärzten ein Regress erspart .
Außerdem werden nicht auf ganz perfide Art und Weise die beiden Berufsgruppen gegeneinander ausgespielt.
Daß eine Kasse das überhaupt so frech forciert, verdanken wir auch den ganzen Überfliegern an unserer Spitze und im einfachen Kollegenkreis mit ihrem zwanghaftem Drang nach Höherem.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wer nichts wissen will

von Reinhard Rodiger am 28.04.2016 um 15:39 Uhr

Da sollen wir Erfüllungsgehilfen von Institutionen werden, die es nicht geschafft haben, eine pragmatisch sinnvolle,patientenorientierte Definition ausreichender Vorteile zu schaffen. Wie soll einer alle Wichtigkeiten ausblendenden ideologischen Pharmakologie gefolgt werden? Oder dient der Vorschlag angesichts der vielen Unklarheiten nur als neues akademisches Retaxwunder?
Wer Krieg möchte ,bekommt ihn hier.Ich betrachte das als dreistes Ablenkungsmanöver.Schliesslich ist diese Denkart der Ignorierung kleiner Vorteile (wir wären heute noch beim Schweineinsulin) eine Ursache neben den Erpressungsrabatten für die kompensatorisch hohen Preise der Gegenwart.Hier versuchen die Verursacher der Misere die Mitschuld abzuwälzen.Das ist schon geschickt gedacht.
"Auftraggeber" wie die Kassen, die nicht mal unterschiedliche Galenik akzeptieren können, sollen plötzlich sachgerecht und mit Augenmass arbeiten ? .Etwa als fairer Partner?? Das wäre schon revolutionär.Wann wird die bislang unentgeltlich erbrachte Rabattschadenbereinigende Arbeit bezahlt??? .

Vor alldem wäre eine Debatte über Patientennutzen geboten, denn der findet nirgends Berücksichtigung.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Gerade der Patientennutzen....

von gabriela aures am 28.04.2016 um 16:43 Uhr

....der neuen und neueren AM , also der medizinische Fortschritt, ist das Problem.

Die Menschen werden zu slt, weil es zu gute AMs gibt.
Da steuert die TK jetzt gegen, darf es aus ethischen Gründen aber nicht so nennen.
Bereits 1998 prägte Karsten Vilmar das Unwort des Jahres "sozialverträgliches Frühableben"
siehe Wicki Peter : https://de.m.wikipedia.org/wiki/Sozialverträgliches_Frühableben

Ich schmeiß' mich weg !

von gabriela aures am 28.04.2016 um 15:36 Uhr

So viel Selbstironie hätte ich der TK gar nicht zugetraut !
Und dem Vortragenden auch noch den Namen "Ballast" zu verpassen , ist genial.
War das die Pausen-Bespaßungs-Nummer ?

Oder meinen die das ernst ?
Hatte Prof. Glaeske keine Lust oder keine Zeit, dieses von ihm bereits für die TK aufwendig ausgewalzte und in Tabellen gegossene Thema zu präsentieren ?

Oder wollte er sich nur mal rar machen ?

Was für Drogen nehmen die bei der TK ?


» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Erweckungserlebnis beim Wirtschaftsforum?

von Wolfgang Müller am 28.04.2016 um 17:08 Uhr

Ganz ehrlich, ich hab erst auch gedacht, das MUSS eine Ente sein. aber das habe ich auch gedacht, als der Spiegel Anfang der Achtziger über das Aufkommen der "Popper" als Gegenbewegung zu den Punkern berichtete. Zwischenzeitlich waren dann - jedenfalls an der Schule meiner Kinder - gefühlte 80 Prozent Popper, mit Poloshirt-Kragen hoch und solchen Popper-Frisuren eben ....... Und bei Apothekers weiß man ja erst Recht nie, auf welches schmale Brett sie sich nun wieder locken lass, also: Dass einer von den GKVen uns für SOOO doof hält, könnte stimmen. Wahrscheinlich hatte der Saal sogar ein Erweckungserlebnis, wie beim unglaublichen Perspektivpapier-DAT-2014 oder bisweilen in Schladming!

AW: Ich behaupte mal...

von gabriela aures am 28.04.2016 um 17:34 Uhr

..ganz frech, daß es dieses Jahr in Schladming zumindest zeitweise ein "Erwachen der dritten Art" gab ;-)
Für nächstes Jahr habe ich schon Urlaub anberaumt und den Notdienstplan hochgerechnet.
DAT 2016 ist urlaubstechnisch auch in trockenen Tüchern .

Wer lesen kann

von Philipp Jüttner am 28.04.2016 um 14:51 Uhr

Hat er ja auch nicht gesagt, das gar keine Entlohnung dafür stattfinden soll. Vielleicht könnte man mal mehrere aktuelle Vorhaben wie die MM-Vergütung, Null-Retax Vermeidung und dieses Vorhaben in ein Paket packen und zusammen verhandeln.

PS: @ Wolfgang Müller

Ihre Posts nehmen ja inzwischen schon leicht manische Züge an. So hart arbeiten können Sie gar nicht, wenn Sie unter fast jeden Artikel so ein komisches Zeug schreiben. Man hätte seinen Hintern auch schonmal paar Jahre eher hochbekommen können und gescheite Daten zu den Interventionen in der ÖA erheben und sammeln können (aber huch, wo sind die nur.)

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Mögen Sie etwa diesen absurden Vorschlag?

von Wolfgang Müller am 28.04.2016 um 15:36 Uhr

Ist doch schön, dass man mit solch manischem Zeug dann Hoffnungsträger wie Sie wieder zu launigen Äußerungen hinter dem Ofen hervorlocken kann. Und sorry, Sie sind ja kein "Five"-Star-Pharmacist, sondern bestimmt ein "Seven"-Star-Pharmacist. Ich Unwürdiger, Erbarmen.

Übrigens, um das mal zu versachlichen und die wirklichen Idioten zu identifizieren: Ihnen gönne ich "Das Medikationsmanagement" total (obwohl ich´s selber wahrscheinlich noch besser könnte ...; auf diese Ihre tiefe Ebene musste ich mich jetzt eitlerweise als alter Gockel leider begeben, die Versuchung war zu groß; Zeit hätte ich ja!), und diesen leicht aggressiven Übereifer gegen mich hier gerade - schon verziehen.

Ich bin mir in vielen Dingen inzwischen übrigens mit "Den Florida Boys" ziemlich einig geworden. Nur dass ich weiter meine, dass es absoluter Schwachsinn ist, "Das Medikationsmanagement" vor Allem in seinen höheren Ausbaustufen auf Selektivvertrags-Basis als Zukunft der "Öffentlichen Apotheke" zu sehen. Wie das aus rein KOMMERZIELLEM Eigeninteresse unser junger TK-Kollege hier schon wieder als irres Lock-Zuckerle für die entsprechend gestrickten hingehalten hat. Dann schon lieber in unabhängigen "Arzneitherapiezentren" auf echter Arzt-Augenhöhe, auch das ist gar kein so falscher Vorschlag von Prof. Glaeske, im Nachhinein.

Jeder wirklich an hochkarätiger und Konflikt-freier AMTS-Arbeit interessierte Kollege muss spätestens nach diesem absolut entlarvenden Geld-orientierten "Fangnetzwerk"-Erguss erkannt haben, dass apothekerliches "Medikationsmanagement auf Arzt-Niveau" (und das meine ich jetzt uneingeschränkt positiv) zwingend von der KOMMERZIELLEN Arzneimittelabgabe zu trennen ist.

Versuchen Sie das mal zu verstehen, verfolgen Sie die weitere Entwicklung und denken Sie dann erneut an mich. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, Sie vielleicht in 10 Jahren mal als unabhängiger, freiberuflicher MTM-Consultant mit sehr gutem Einkommen OHNE dafür notwendige Apotheke wiederzutreffen. Oder in einem "Arzneitherapie-Zentrum".

AW: Ob der Vorschlag....

von Philipp Jüttner am 28.04.2016 um 16:02 Uhr

absurd ist oder nicht, können weder Sie noch ich hinreichend beurteilen (wofür man sich dann bekanntlich Spezialisten einkauft). Es ist eine Idee und ich finde es genauso sinnfrei, diese von vornherein von Apothekerseite als Unsinn abzutun, wie ich es von Seite der KK nicht nachvollziehen kann, stärker auf das MM und die Apotheker insgesamt zu setzen. Jeder heult rum das sich nix ändert, aber wenn mal was kommt, dann ist das auch nicht genehm.


AW: Kein Scheiß?

von Wolfgang Müller am 28.04.2016 um 17:25 Uhr

Okay, dann noch einen drauf. Ich bin mittlerweile soweit Spezialist für "Enttarnung Apothekerlichen Schwachsinns" und "Was wollen diese Flitzpiepen eigentlich wirklich?", dass ich Folgendes mehr als hinreichend beurteilen kann:

Der Kram vom netten TK-Jungmanager hier ist genau so ein elender Scheiß wie das was sein ebenso goldig daherkommender AOK-Kollege letztens zur "Ungeheuerlichen Korruptionsgefahr bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln in der Apotheke" unter sich gelassen hat. Wenn SIE das nicht "hinreichend beurteilen"können", tja, dann müssen Sie eben doch noch viel Anderes als Pharmazie lernen.

wenn der Geldbetrag feststeht,...

von Konrad Mörser am 28.04.2016 um 14:11 Uhr

...den die Apotheke für diese Arbeit bekommt, kann man gerne darüber reden!

Vorher nicht.
Pauschal 25% der Ersparnis wäre mal ein Ansatz. Wäre auch leistungsfördernd, denn 25% von 0 Ersparnis ist 0, also bekommt man nur was wenn man Ersparnis bringt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Tolles Märchen

von Karl Friedrich Müller am 28.04.2016 um 14:10 Uhr

Es geht immer nur ums Geld. Damit hat kein teures AM in den Augen der TK einen Zusatznutzen. Die Apotheke wird -natürlich- retaxiert.
Unsere Qualifikation ist den KK völlig egal. Wenn es darum ginge, gäbe es keine Retaxe. Und wir hätten ein partnerschaftliches Verhältnis zu den KK. Davon kann gar keine Rede sein.
Hier wird nur ein weiteres Fass aufgemacht, um uns zu bescheißen. Punkt.
Ich halte nicht die Schnauze, wenn hier jemand träumt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

NUR DAS ist die Zukunft!

von Wolfgang Müller am 28.04.2016 um 13:57 Uhr

All Five Star Pharmacists Sing Halleluja!

Und alle elenden Bedenkenträger: Jetzt einfach mal die Klappe halten. Dieses Konzept ist als Perspektivpapier-erfüllendes GKV/ÄRZTE/Apotheker-NETZWERK dermaßen brillant und setzt ARMIN endlich auch bzgl. "Wirtschaftlichkeit" ideal um, das MÜSSEN wir in der Öffentlichen Apotheke sofort machen. DAV, SOFORT einen entsprechenden Vertrag für uns Alle schließen, ehe da irgendein Konglomerat Ihnen zuvorkommt mit einem entsprechenden Selektivvertrag!

Oder ein Idiot das direkt bei den GKVen ansiedelt, oder wie die doofen Briten direkt in den Arztpraxen ("Rezeptfreigabe", am Ende noch unter ekliger EDV-Nutzung an der Öffentlichen vorbei!) Solche FANTASTISCHE AMTS-(?)-Arbeit machen wir alle gern bei der Abgabe auch ganz nebenbei erstmal für umsonst. Gern auch mit voller Letztverantwortlichkeit für das Wohl der Kassen-Kassen und des Patienten, denn "Wir können das!"

Um das dann mal vielleicht doch später mal ein bisschen bezahlt zu bekommen, sollten wir auf die Honorierung der Rezepturherstellung im Gegenzug ganz verzichten. Und verbindlich zuzusichern, in Zukunft auf keinen Fall mehr Fixhonorars-Erhöhungen für den bescheuerten Logistik-Kram anzustreben.

Becker, übernehmen Sie!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Erst

von Andreas Dömling am 28.04.2016 um 13:32 Uhr

reden wir über Geld und wenn das passt dann können wir über weitere Aufgaben reden. Aus BASTA

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Sparschranke

von Michael Zeimke am 28.04.2016 um 13:05 Uhr

Ein noch so teures Mittel gegen grenzdebiles Verhalten
sollte zu jedem Preis abgegeben werden

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.