Immer mehr Gegner

Die Importquote wackelt

Berlin - 29.04.2016, 10:14 Uhr

Eine Norm, die nicht nur viele Apotheken für nicht mehr zeitgmäß halten: die Importförderung in § 129 SGB V. (Foto: DAZ.online)

Eine Norm, die nicht nur viele Apotheken für nicht mehr zeitgmäß halten: die Importförderung in § 129 SGB V. (Foto: DAZ.online)


Die Gegner der Importförderung mehren sich. Nun hat sich auch die Spitze des AOK-Bundesverbandes gegen die derzeitige Regelung ausgesprochen. Man sehe es nicht ein, Reimporteure zu subventionieren. Auch die Unionsfraktion will die Förderung wohl nicht mehr.

Nach der derzeitigen Regelung müssen Apotheker ein reimportiertes Arzneimittel abgeben, wenn es 15 Prozent oder 15 Euro günstiger ist als der deutsche Listenpreis. Zusätzlich haben Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband im Rahmenvertrag vereinbart, dass mindestens 5 Prozent des Apothekenumsatzes mit Fertigarzneimitteln aus Reimporten kommen müssen.

Völlig überraschend hatte sich Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, im vergangenen Jahr gegen die Importquote ausgesprochen. Die Quote garantiere Reimporteuren einen Marktanteil im patentgeschützten Hochpreismarkt. Gerade dort sei eine Vorfahrtsregelung aufgrund eines Preisvorteils von 15 Euro pro Packung aber alles andere als zeitgemäß, so Hermann damals.

AOK-Bundesverband erstmals für eine neue Quote

Der AOK-Bundesverband hatte sich zu diesem Thema bislang zurückgehalten. Das hat sich nun geändert: „Die Reimportquote dient im Grunde nur der Subventionierung einer sehr engen Sparte, und das brauchen wir nicht“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Kassenverbandes, Martin Litsch,  am gestrigen Donnerstag auf der Diskussionsveranstaltung „AOK im Dialog“. Dennoch wolle er auf das „Sparpotenzial“ der Reimporte nicht gänzlich verzichten, bekräftigte Litsch. „Wir müssen aber vielleicht einen anderen Weg finden, dieses Sparpotenzial zu heben.“

Auch in der Politik scheint es nicht mehr viele Befürworter der aktuellen Regelung zu geben. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD hatten sich in einem Positionspapier kürzlich dafür ausgesprochen, die Förderung einzuschränken und zu regeln, dass der Preisabstand immer 15 Prozent betragen muss – der 15 Euro-Abstand soll hingegen fallen. Michael Hennrich (CDU), Berichterstatter Arzneimittel in der Unionsfraktion, bekräftigte bei der AOK-Veranstaltung seine Kritik an der Importförderklausel. Sie sei in der jetzigen Form veraltet und müsse überarbeitet werden.

Bei den Apothekern ist die Quote seit Jahren ein unbeliebtes Bürokratie-Laster. Erst kürzlich hatte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, auf dem DAV-Wirtschaftsforum seine Kritik erneuert. Es gebe keinen Anlass mehr für die Regelung, die Bürokratie für die Apotheker sei immens.

Diskussion über Rabattverträge und späte Nutzenbewertung

Diskutiert wurden auch die im Pharmadialog beschlossenen Vorschläge zu den Generika-Rabattverträgen. Das Bundesgesundheitsministerium und die Pharmaindustrie hatten sich darauf geeinigt, dass Generika vor Lieferbeginn künftig eine Schonfrist von sechs Monaten bekommen. 

Überarbeitung im Visier: Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbandes, will nicht länger Reimporteure subventuionieren. (Foto: AOK Medienservice)

So sollen Lieferengpässe vermieden werden. Hennrich verteidigte auch diese Regelung. AOK-Vorstand Litsch merkte allerdings an, dass „niemand“ diese Schonfrist brauche. Schließlich achte das AOK-System bei seinen Ausschreibungen darauf, den Herstellern genügend Zeit vor Lieferbeginn einzuräumen. „Die Ausfälle, die es gibt, haben nichts mit den Rüstzeiten zu tun. Die geplante Neuregelung wird also keine Veränderung bringen“, sagte Litsch.

Auch das Thema der hochpreisigen Originalpräparate kam erneut auf den Plan. Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), beschwerte sich darüber, dass Ärzte zum Zeitpunkt der Zulassung „eigentlich nichts“ über das neue Medikament wüssten. Die Evidenzlage zum Zeitpunkt der frühen Nutzenbewertung sei äußerst dünn. „In den nächsten Jahren werden immer mehr Medikamente auf den Markt kommen, bei denen die Evidenzlage sehr schlecht ist“, sagte Ludwig. Seine Forderung: „Wir brauchen eine zweite, späte Nutzenbewertung.“

In der Politik findet Ludwig mit dieser Forderung einige Befürworter. Die Regierungsfraktionen hatten die späte Nutzenbewertung bereits in ihrem Positionspapier gefordert. Hennrich bestätigte bei der gestrigen Veranstaltung: „Eine weitere Nutzenbewertung zu einem späteren Zeitpunkt ist absolut nötig. Wir müssen nach der frühen Nutzenbewertung mehr Evidenz generieren, um das Arzneimittel dann nochmals neu zu evaluieren.“ Er kündigte an, diesen Vorschlag in die parlamentarische Debatte einzubringen.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


2 Kommentare

Rabattvertragsirrungen

von Heiko Barz am 02.05.2016 um 7:25 Uhr

Tempores mutantur et Aok Herrman und Co. in Iliis.
Hätte man die hochdotierten AOK Fürsten vor 10 Jahren mit ihren heutigen Aussagen konfrontiert, die Reaktion derer wünschte ich gern zu sehen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Rabattvertragsirrungen

von Heiko Barz am 02.05.2016 um 7:24 Uhr

Tempores mutantur et Aok Herrman und Co. in Iliis.
Hätte man die hochdotierten AOK Fürsten vor 10 Jahren mit ihren heutigen Aussagen konfrontiert, die Reaktion derer wünschte ich gern zu sehen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.