Inspektion eines indischen Wirkstoffherstellers

Wieder schwere Unregelmäßigkeiten in Indien

Mumbai - 29.04.2016, 07:00 Uhr

Wirkstoffhersteller Anuh Pharma, Mumbai: Französische Arzneimittelkontrolleure stießen auf Originaldokumente in einem Schutthaufen. (Screenshot: DAZ.online)

Wirkstoffhersteller Anuh Pharma, Mumbai: Französische Arzneimittelkontrolleure stießen auf Originaldokumente in einem Schutthaufen. (Screenshot: DAZ.online)


Die französische Arzneimittelbehörde ANSM hat bei einer Inspektion in Indien erneut diverse GMP-Verstöße festgestellt. Die Kontrolleure stellten beim Wirkstofflieferanten Anuh Pharma nicht weniger als 24 Mängel fest. Das Unternehmen exportiert seine Produkte in asiatische und lateinamerikanische Länder – und nach Deutschland.

Im Februar 2016 hatte ein Inspektorenteam den indischen Wirkstoffhersteller im Rahmen einer sogenannten EDQM-Überwachung aufgesucht. Hierbei handelt es sich um Inspektionen, die das European Directorate for the Quality of Medicines & Health Care durchführt, um sich davon zu überzeugen, dass in Herstellbetrieben, für die ein Certificate of Suitability (CEP), erteilt wurde oder werden soll, GMP-mäßig alles mit rechten Dingen zugeht.

Überwachungsteam der ANSM stieß auf 24 Mängel

Bei dem Unternehmen Anuh Pharma Ltd., das über drei entsprechende Zertifikate verfügt, traf das nicht zu. Nähere Einzelheiten sind dem Non-Compliance Report zu entnehmen, den die französische Arzneimittelagentur in der EudraGMDP Datenbank eingestellt hat. 

Die Feststellung der „Non-Compliance“ bezieht sich auf alle Wirkstoffe, die an dem Standort hergestellt werden, darunter eine ganze Reihe wichtiger Makrolid-Antibiotika. Insgesamt 24 Mängel stellte das Überwachungsteam fest, davon zwei kritische und zwei der Kategorie „major“.

Keiner weiß, woher …

Unter anderem stellte sich heraus, dass Anuh Pharma pharmazeutische Wirkstoffe von anderswo her beschafft, dann selbst mikronisiert und nach Europa exportiert oder an andere Unternehmen zum Export nach Europa beliefert hatte. Nach Unternehmensangaben betraf dies die Substanzen Azithromycin, Chloramphenicol, Chloramphenicol-Palmitat, Ciprofloxacin HCl, Clarithromycin, Piperaquin-Phosphat, Roxithromycin und Sulfadoxin.

Über die Provenienz der zugekauften Wirkstoffe ließ Anuh Pharma seine europäischen Kunden jedoch bewusst im Unklaren. Die Namen der ursprünglichen Hersteller, die Original-Chargennummern und die entsprechenden Analysenzertifikate wurden nicht an die Kunden übermittelt.

Außerdem war Azithromycin verarbeitet worden, das von einem bekanntermaßen nicht GMP-konform arbeitenden Betrieb in China stammte. Die europäischen Kunden wurden damit grob getäuscht und wissen nun nicht, wie es um die Qualität der Wirkstoffe tatsächlich steht. 

Dokumente im Schutthaufen entdeckt

Weitere schwerwiegende („major“) GMP-Verstöße bezogen sich auf das Dokumentationssystem. So entdeckten die Inspektoren Dokumente in einem Schutthaufen jenseits einer Mauer. Darunter befanden sich auch ein Originalbericht über das Umpacken einer Charge sowie zahlreiche Bestellungen von Wirkstoffen, besonders zu Azithromycin, Chloramphenicol, Chloramphenicol-Palmitat, Roxithromycin und Ciprofloxacin HCl, die bis in das Jahr 2013 zurückgingen. Weiterhin fehlten Validierungsdaten zu dem Mischprozesses der mikronisierten Wirkstoffchargen und über die Reinigung der Ausrüstung. 

Genehmigungen für Anuh Pharma weg

Als Konsequenz aus diesen Inspektionsergebnissen wurde Anuh Pharma das derzeit gültige GMP-Zertifikat entzogen, das die italienische Arzneimittelagentur im Jahr 2013 erteilt hatte.

Außerdem wurden auch die europäischen Zertifikate von Anuh Pharma, die die Übereinstimmung der eingesetzten Methoden mit dem Europäischen Arzneibuch bestätigen (Certificates of Suitabilities (CEPs)) für Erythromycin, Erythromycin-Ethylsuccinat und Pyrazinamid außer Kraft gesetzt

Pharmafirmen, die die betreffenden Wirkstoffe für ihre Arzneimittelherstellung verwenden, müssen den Lieferanten wechseln und gegebenenfalls auch einen Chargenrückruf der betroffenen Produkte in Erwägung ziehen. 

Export auch nach Deutschland

Nach Angaben auf der Webseite des Unternehmens ist Anuh Pharma mit Sitz in Tarapur, rund 120 Kilometer von Mumbai entfernt, einer der führenden Wirkstoffhersteller in Indien. Im Jahr 1932 gegründet, gehört es seit 1960 zum Firmenverbund der SK Gruppe. Wie der indischen englisch-sprachigen Tageszeitung Business Standard zu entnehmen ist, exportiert das Unternehmen seine Produkte in verschiedene asiatische und lateinamerikanische Länder, aber auch nach Deutschland.

Vor rund zehn Jahren sei eine neue Produktionsstätte mit modernster Ausstattung entstanden. Mit seinen EDQM-Zertifikaten habe es im Jahr 2010 die Eintrittskarte für den europäischen Markt gelöst. Diese ist Anuh Pharma nun erst mal wieder los. 

GVK Bio-Skandal beschäftigte Apotheker wochenlang

Erst im Jahr 2014 hatte eine Inspektion französischer Arzneimittel-Kontrolleure in Indien weitreichende Folgen. Bei der Überwachung des indischen Unternehmens GVK Bio waren die Kontrolleure auf Ungereimtheiten gestoßen. Daten von Elektrokardiogrammen sollen manipuliert worden sein. Nach eingehender Prüfung entschied die EU-Kommission im Juli 2015, dass die betroffenen Tests nicht länger Basis für die Zulassung von Arzneimitteln sein können. Seit dem 21. August 2015 sind die Präparate im Binnenmarkt nicht mehr verkehrsfähig.

Die Hersteller der zumeist betroffenen Generika – Cholesterinsenker, Antiallergika, Bluthochdruckmittel – erhielten die Gelegenheit, mit alternativen Studien nachzubessern. Der Skandal beschäftigte die Apotheker in Deutschland wochenlang. 


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Kommentar

von Alexander Zeitler am 30.04.2016 um 0:39 Uhr

Wie lange will sich das die Politik noch ansehen? Macht dem ENDLICH ein Ende. Erlaubt den Pharma- Firmen nicht länger ,Substanzen aus diesen Küchen zu verwenden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: An die Verursacher

von Reinhard Rodiger am 30.04.2016 um 17:25 Uhr

Den Kassen muss verboten werden, die Industrie -wie uns- zu erpressen.

AW: Qualitätsprobleme aus Fernost?

von Heiko Barz am 02.05.2016 um 7:06 Uhr

Jede Rabattverhandlung ist eine Erpressung!
Wenn du ( Firma ) nicht in der Lage bist, zu meinen ( KKassen )Bedingungen zu liefern, dann gibt es eben keinen Auftrag!!
Wir Apotheker leben doch längst schon und seit Langem und seit ein paar Jahren zugespitzt durch eingekaute Profiretaxer in dieser "Erpressungswelt" der KKassen: wenn Du Apotheker nicht zu unseren Bedingungen lieferst, dann gibt's die Totalenteignung ( Null Retax ) !!

Keiner weiß woher?

von Heiko Barz am 29.04.2016 um 11:04 Uhr

Beginnt ein neuer Drogenkrieg ?- in diesem Fall ist sogar die Wortschöpfung richtig -
Wenn dieser Topf in Asien richtig aufgemacht wird, dann erst werden wir erfahren, wie wir bisher ausgenommen worden sind. Wen interessiert da noch der Diabetes von Frau "Mayer" aus Castrop- Rauxel.
Wir müssen konstatieren, dass der fast legalisierte Betrug im Gesundheitswesen immer weiter um sich greift ( Bericht : Pflegedienste ) Gegen diesen ' Gesundheitskrebs ' wird es so schnell kein Medikament geben, weil es dafür dann auch sicherlich wieder Rabatte und Importe etc geben wird.
Am Ende Der Kette steht aber immer der Apotheker, der dank seiner überwältigenden Lobbyisten den Kopf zum Hinhalten gezwungen wird. ( weil am Einfachsten überall greifbar )
Unsere Führungsebene sollte diese Vertriebsebenen schon lange kennen und hätte seit Beginn dieser asiatischen Billigarzneiverschiebungen - also seit Beginn der Rabattvertragsphilosophie - schwere Bedenken über die Qualitäten aus Fernost anmelden müssen!
Aber wer sich auf dem Markt der Billigprodukte tummeln möchte, um vordergründig preiswerter zu sein als europäische Standartlieferer, der muß auch Katastrophen zwingend in Kauf nehmen. Ich möchte nicht bewerten wollen , was unsere gesundheitsvertrauenden Patienten seit Beginn der unheilvollen kassenbedingten Zwangsmedizin schon alles geschluckt haben, und welche Langzeitschäden bei Leber, Niere, Darm und Pankreas noch zu erwarten sind!!?

Wie zB. sehen denn die Analysen der der im Internet angebotenen Viagrafälschungen aus? Und sage mir keiner, na ja, das produzieren halt Garagenfirmen aus asiatischen Räumen. Das hat doch mit "unseren" Arzneimittelwirkstofffirmen in Fernost nichts zu tun.
Wenn die Gebrüder Grimm noch lebten, dann gäbe es ein überzeugendes Märchen über das fleißige asiatische wirkstoffproduktionsmännlein, das von den KKassenwölfen zur Manipulation gezwungen wird, um selbst überleben zu können.
Seit langem wissen wir, dass dieses System nicht nur bei Arzneimitteln auffällig ist.
Campe diem !

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Nicht nur Not...

von gabriela aures am 29.04.2016 um 9:32 Uhr

sondern vor allem Geiz macht erfinderisch !

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Rabattverträge - Qualität ganz billig!???

von C. Beck am 29.04.2016 um 8:10 Uhr

Was soll man dazu sagen? Es fehlen einem eigentlich die Worte!
Wir haben uns durch den politisch gewollten Generika-Preiskampf nicht nur in fatale Abhängigkeiten begeben was sich bei manchen Wirkstoffen immer deutlicher zeigt ...
Nein, wir haben uns auch damit Qualitäten ausgeliefert welche absolut inakzeptabel sind. Das was die Inspektoren-Teams hier aufgedeckt haben und ansonsten aufdecken ist lebensgefährlich und nur die Spitze des Eisbergs!
Und wofür? Für Ersparnisse die sicherlich nicht die Folgekosten denkbarer Zwischenfälle aufwiegen.
Warum sagt Herr Dr. Hermann von der AOK dazu nichts, wo ist der sonst so forsche Herr von Stackelberg? Herr Gröhe? Keine Meinung? Wirklich nicht?
Alles nicht so schlimm?
Sehen Sie selbst was sonst noch passiert ist: http://eudragmdp.ema.europa.eu/inspections/gmpc/searchGMPNonCompliance.do

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