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Geheime Papiere veröffentlicht
TTIP könnte Gesundheitsvorsorge einschränken
Nach internen Unterlagen will die USA über das Freihandelsabkommen TTIP den Spielraum für einen vorsorgenden Verbraucherschutz verringern. Die EU betont hingegen an mehreren Stellen, der Vertrag dürfe die Gesundheit der Bevölkerung nicht einschränken. Keine Fortschritte gibt es aktuell bei Generika.
Obamas Besuch auf der Hannover-Messe vergangene Woche sollte auch die komplexen Verhandlungen um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP voranbringen. Doch ein paar Tage später kommt für die Befürworter ein Rückschlag: Greenpeace veröffentlichte am heutigen Montag interne Dokumente aus den Verhandlungen zwischen der EU und den USA. Sie zeigen, dass der Bereich der Gesundheitsvorsorge durch TTIP eingeschränkt werden könnte. Das sagen Kritiker. So pocht die US-Seite darauf, dass Zulassungseinschränkungen möglichst immer wissenschaftlich begründet werden sollen und spricht von „unnötigen technischen Hindernissen“ für den Handel. Dies könnte beispielsweise das Gentechnik-Verbot oder andere politisch motivierte Einschränkungen betreffen, die potenzielle Gefahren reduzieren sollen – aber für die es keine klaren wissenschaftlichen Begründungen gibt.
Auch wenn die Europäische Union an mehreren Stellen betont, beide Parteien müssten auch zukünftig nach den eigenen Vorstellungen die Gesundheit von Menschen wie auch Tieren schützen können, beruhigt das Verbraucherschützer nicht. „Unter dem Wissenschaftsprinzip stellen sich die meisten Menschen unabhängige Forschung vor, das ist aber falsch", sagte Christoph Then von der gentechnikkritischen Organisation Testbiotech gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Die Unterlagen, die wir für die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen sehen, kommen zumeist von der Industrie, es fehlen unabhängige Kontrollen.“
Für Verbraucherschützer werden Befürchtungen wahr
Wenn die US-Seite ihre Forderungen durchsetzen kann, würden verbraucherschützende Regeln „stark behindert“, befürchtet Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband. „Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen“, so Müller gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Auch zu Arzneimitteln enthalten die geleakten Dokumente einige Informationen. Während die Verhandlungspartner laut einem Dokument aus dem März über einheitliche Audits bei Arzneimittelherstellern diskutieren, gibt es keine Fortschritte im Bereich der Generika. Im Dezember hatte die EU einen Vorschlag eingereicht, der die Zulassungsstandards vereinheitlichen sollte. „Die FDA zeigte kein Interesse, am Thema Generika zu arbeiten“, so das von Greenpeace veröffentlichte Dokument – denn die amerikanische Arzneimittelbehörde habe derzeit keine Ressourcen, den Vorschlag zu prüfen. Allerdings will sie in der nächsten Runde hierzu Stellung nehmen, was auch einen Sprecher des Verbands Pro Generika beruhigt. „Der Punkt hat für uns eine große Wichtigkeit, weil es darum geht, doppelte Zulassungsverfahren und Anforderungen zu vermeiden“, sagt er gegenüber DAZ.online. „Wenn TTIP zu einer Harmonisierung führen würde, wäre es für alle eine große Erleichterung.“ Dies sehe man ja auch schon daran, dass die FDA sich auf einen Mangel an Ressourcen beruft und daher offensichtlich überarbeitet ist.
Geschäftsgeheimnisse statt Transparenz
Unklarheit gibt es noch beim dem umstrittenen Punkt, auch welchem Wege die EMA und die FDA zukünftig Unterlagen übermitteln. „Zum Austausch von sensiblen Geschäftsgeheimnissen gibt es eine Übereinkunft, dass dies wichtig ist – aber noch keine Übereinstimmung, auf welchem Wege sie erfolgen soll“, so das interne Verhandlungsdokument. Dass Unterlagen wie klinische Studienberichte überhaupt als Geschäftsgeheimnis gewertet werden, stieß auf scharfe Kritik – da die EU mit der neuen Verordnung zu klinischen Studien eigentlich für Transparenz bei den Ergebnissen sorgen wollte.
Laut dem Europäischen Ombudsgremium enthielten die klinische Studienergebnisse im allgemeinen keine kommerziell vertraulichen Informationen, wie der dort tätige Jurist und Gesundheitsexperte Fergal O'Regan gegenüber DAZ.online sagte. Diese Informationen seien für praktische Ärzte wie auch Patienten unverzichtbar, um zu verstehen, ob ein Produkt geeignet sei. „Es besteht sicherlich ein übergeordnetes öffentliches Interesse, dass diese Informationen verfügbar sind“, sagt O’Regan.
Seehofer will kein grünes Licht geben
Da die Diskussionen zu TTIP im Geheimen laufen, wird die mangelnde Transparenz schon seit langem kritisiert. Auch in den internen Dokumenten ist Transparenz ein Thema – denn USA und EU wollen zukünftig bei neuen Regulierungsvorhaben mitmischen können. „Jede Partei erlaubt Personen der anderen Partei bei der Entwicklung von Standards, Regulierungen und Konformitätsbewertungsverfahren sich zu beteiligen“, verlangt die US-Seite – und zwar mit demselben Gewicht wie Personen des eigenen Staatengebiets.
Nach den Leaks ist unklar, wie es weitergeht. „Solange bei TTIP keine Transparenz hergestellt ist, werde ich kein grünes Licht für TTIP geben als Parteivorsitzender“, sagte der bayrische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer in München. Ihm läge daran, dass die hohen Verbraucherstandards erhalten bleiben. Die Bundesregierung wie auch die EU-Kommission hingegen versuchten zu beruhigen. „Verhandlungspositionen sind keine Ergebnisse“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Und in Brüssel versprach die verantwortliche EU-Kommissarin Cecilia Malmström, das Schutzniveau für Verbraucher, Lebensmittelsicherheit oder Umwelt werde durch ein neues EU-Handelsabkommen nicht sinken.
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