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Medizinalhanf
Kabinett beschließt Gesetz für Cannabis-Kostenerstattung
Cannabis soll für bestimmte Patienten rezept- und erstattungsfähig werden: Einen entsprechenden Gesetzentwurf beschloss das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch. So will die Regierung den Eigenanbau in vielen Fällen unnötig machen. Die Drogenbeauftragte hält den Einsatz von Cannabis als Medizin „in engen Grenzen“ für sinnvoll.
Cannabis auf Betäubungsmittelrezept: Nach dem Willen der Großen Koalition soll Cannabis zukünftig rezeptfähig werden – und die gesetzlichen Krankenkassen sollen schwerkranken Patienten die Kosten erstatten. So will die Regierung beispielsweise Schmerzpatienten, bei denen es keine Therapiealternativen gibt, Cannabis als Arzneimittel zur Verfügung stellen – ohne den umstrittenen Eigenanbau genehmigen zu müssen. Diesen hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im April bei einem Patienten in letzter Instanz als rechtens anerkannt.
Nachdem der Referentenentwurf im Januar veröffentlicht wurde, hat die Bundesregierung heute ihren Kabinettsentwurf verabschiedet. „Unser Ziel ist, dass schwerkranke Menschen bestmöglich versorgt werden“, so Gesundheitsminister Hermann Gröhe in einer Stellungnahme. „Wir wollen, dass für Schwerkranke die Kosten für Cannabis als Medizin von ihrer Krankenkasse übernommen werden, wenn ihnen nicht anders geholfen werden kann.“ Außerdem plant die Bundesregierung eine Begleitforschung, um den medizinischen Nutzen „genau zu erfassen“.
Kein reines Privatvergnügen
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), hat den Gesetzesentwurf mit vorangetrieben. „Der Einsatz von Cannabis als Medizin in engen Grenzen ist sinnvoll und muss gleichzeitig noch näher erforscht werden“, so Mortler. Cannabis sei jedoch keine harmlose Substanz, wie sie betont – „daher darf es auch keine Legalisierung zum reinen Privatvergnügen geben“. Das Potenzial zu nutzen, „ohne die Gesundheit der Menschen aufs Spiel zu setzen“, wertet sie als moderne Drogen- und Gesundheitspolitik.
Der DAZ.online vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass das BfArM zukünftig auch die Aufgaben einer staatlichen Cannabisagentur übernimmt: Es soll die erforderlichen Mengen an Cannabis ausschreiben und die qualitätsgesicherte Versorgung mit Cannabis in Deutschland koordinieren und kontrollieren. Dabei soll die Behörde die komplette Ernte aufkaufen und an Arzneimittelhersteller, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Ärzte sollen zukünftig standardisierte Cannabisarzneimittel in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten wie auch Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon verschreiben können.
Apotheken sparen insgesamt 8542,05 Euro
Mit der Rezeptfähigkeit entfällt für die Patienten die Sondergenehmigung – und auch Apotheken, denen bislang als einzige Stelle die Abgabe von Cannabis erlaubt ist, benötigen dann keine betäubungsmittelrechtliche Ausnahmeerlaubnis des BfArM mehr. „Der Erfüllungsaufwand bei den Apotheken verringert sich um 8542 Euro“, schreibt die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf. Auf diese Zahl kommt die Regierung, da sie für die bisher 501 Apotheken mit entsprechender Erlaubnis eine halbe Stunde Aufwand für die Beantragung bei einem durchschnittlichen Stundenlohn in Höhe von 34,10 Euro veranschlagt.
Durch die Übernahme der Kosten rechnet die Regierung auf Seite der bisher 647 Patienten mit Ausnahmeregelung mit einer Einsparung von ungefähr 1,7 Millionen Euro. Nicht abschätzen lässt sich derzeit, wie vielen zusätzlichen Patienten Cannabis zu medizinischen Zwecken verschrieben werden wird.
Evidenz für den Einsatz von Cannabis
Im Vergleich zum Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums finden sich in der Kabinettsfassung nur kleinere Änderungen. So beispielsweise bei der Begleitforschung: Da diese für Patienten verpflichtend ist, die die Kosten erstattet bekommen wollen, war sie in die Kritik geraten – denn fremdnützige Forschung ist normalerweise höchstens nach freier Einwilligung möglich. So schreibt die Regierung nun explizit, die verpflichtende Teilnahme an einer Begleiterhebung als Voraussetzung für die Leistungsgewährung sei der gesetzlichen Krankenversicherung an sich fremd. Die einzige Ausnahme sei bisher die Kostenübernahme bei klinischen Studien, wenn Arzneimittel außerhalb ihres Anwendungsgebiets getestet werden.
Da es „hinsichtlich der von der Regelung umfassten Arzneimittel gerade kein hinreichendes Evidenzlevel zur Wirksamkeit der Therapie“ gebe, das sonst vorausgesetzt werde, sei die verpflichtende Teilnahme an der Begleitforschung aus Sicht der Regierung jedoch gerechtfertigt. Dabei stellt sie klar, dass es sich um eine „nicht-interventionelle“ Beobachtungsstudie handele – und dass alle Daten anonymisiert würden.
Laut Grüner-Fraktion hat Regierung weiterhin Scheuklappen
Kritik an der Forschungs-Verpflichtung wie auch generell am geplanten Gesetz gibt es von den Grünen: Die Bundesregierung ginge das Thema immer noch mit
Scheuklappen an. „Die Vorschläge von Gesundheitsminister Gröhe verbessern die
Behandlungssituation von Betroffenen nur minimal“, erklärten die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Dörner und der Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik Harald Terpe. Sie kritisieren, dass cannabishaltige Medikamente
weiterhin nur dann verschrieben werden dürfen, wenn die Betroffenen alle
anderen Behandlungsmöglichkeiten erfolglos ausprobiert haben. „Die Bundesregierung legt damit Schwerkranken auf der Suche
nach Hilfe weiterhin dicke Steine in den Weg.“
Update 04.05.2016, 12:00 Uhr: Ergänzung um die Stellungnahme der Grünen.
3 Kommentare
Ersparnis
von Gerrit Linnemann am 06.05.2016 um 16:00 Uhr
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Stellungnahme der LINKEN, Frank Tempel
von Wolfgang Ewert am 05.05.2016 um 14:56 Uhr
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