Italien und das Fremd- und Mehrbesitzverbot

Fahrplan für die Liberalisierung steht

Berlin - 06.05.2016, 16:05 Uhr

Unter Beschuss: Statt des grünen Apothekenkreuzes könnten in Italien schon bald die Zeichen der Apothekenketten leuchten. (Foto: dpa)

Unter Beschuss: Statt des grünen Apothekenkreuzes könnten in Italien schon bald die Zeichen der Apothekenketten leuchten. (Foto: dpa)


Italiens Apotheker verharren derzeit in Schockstarre: Im Senat liegt ein bereits beschlossenes Gesetz, das die komplette Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes vorsieht. Weil die zuständige Ministerin wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste, war das Vorhaben bislang auf Stand-By. Jetzt könnte die Liberalisierung aber schnell vorangetrieben werden.

Für Italiens rund 18.000 inhabergeführte Apotheken könnte es diesmal wirklich ernst werden: Das Abgeordnetenhaus hat im vergangenen Jahr schon das „Konkurrenzgesetz“ beschlossen, das in vielen Märkten mehr Wettbewerb schaffen soll. Neben Deregulierungen im Taxi- und Postwesen trifft es auch die Apotheker: Laut Parlamentsbeschluss soll es großen Unternehmen ausdrücklich erlaubt werden, Apotheken zu betreiben. Die bisherige Pflicht, dass jede Apotheke von einem Pharmazeuten geführt werden muss, soll entfallen. Ebenso soll die Vorgabe wegfallen, dass ein Apotheker maximal drei Filialen betreiben darf.

Wie viele Gesetze in Italien hat auch das Konkurrenzgesetz schon einen langen Weg hinter sich. Seit mehreren Monaten liegt es zur Abstimmung bereit im Senat. Der italienische Senat und das Abgeordnetenhaus sind im Moment noch gleichberechtigt, der Senat muss also allen Gesetzen zustimmen und hat zahlreiche Änderungsrechte. Das für die Apotheker so wichtige Konkurrenzgesetz kam bislang allerdings nicht voran, weil die dafür zuständige Ministerin für Wirtschaftliche Entwicklung, Federica Guidi, im März 2016 über einen Korruptionsskandal stolperte. Guidi soll ihrem Ehemann, der bei einem internationalen Ölkonzern arbeitet, regelmäßig Regierungsgeheimnisse verraten haben.

Korruptionsaffäre stoppt Liberalisierungsgesetz

Der für das Gesetz zuständige Industrieausschuss des Senats hatte das Gesetz eingefroren, und wollte es erst weiterverfolgen, wenn ein neuer Minister benannt ist. Das könnte nun sehr bald der Fall sein. Bei einer Ausschussanhörung am gestrigen Donnerstag beschwerten sich die Senatoren bei der Regierung über die Verzögerung bei der Neubesetzung des Ministerpostens. Man blamiere sich mit solchen Abläufen im europäischen Ausland, sollen die Senatoren bemängelt haben. Medienberichten zufolge soll die Regierung inzwischen aber zugesichert haben, dass das Gesetz nach den anstehenden Regional- und Kommunalwahlen am 5. Juni weiter verfolgt werden soll. Ein Nachfolger von Guidi stehe offenbar schon in den Startlöchern. Noch im Juni könnte das Konkurrenzgesetz vom Senat beschlossen werden, einen Monat später könnte es in Kraft treten.

Ex-Entwicklungsministerin Federica Guidi stolperte über eine Korruptionsaffäre.

Für die Apotheker gibt es fast keine Hoffnung mehr, die Liberalisierung und somit die Gründung von Apothekenketten zu verhindern. Im Senat liegen zwar noch mehr als 100 Änderungsanträge zum Konkurrenzgesetz. Keiner davon fordert aber die Aufhebung der Liberalisierungs-Klausel. Ganz im Gegenteil: Einige Anträge fordern sogar noch weitergehende Deregulierungs-Maßnahmen, die im ersten Entwurf des Gesetzes noch vorhanden waren.

Anfangs hatte das Ministerium für Wirtschaftliche Entwicklung nämlich geplant, auch die für Apotheken bestehende Bedarfsplanung abzuschaffen. Derzeit gibt es für Apotheken Planungsbezirke mit jeweils 3.000 Einwohnern. Ist in einem solchen Bezirk schon eine Apotheke etabliert, gilt eine Niederlassungsbeschränkung.

Beruhigungsmittel landen fast in OTC-Shops

Noch viel schlimmer hätte die Apotheker allerdings eine andere Regelung aus dem ersten Gesetzentwurf getroffen. Zunächst war geplant, die Medikamentenliste „Fascia C“ zu liberalisieren und somit zu erlauben, dass die dort enthaltenen verschreibungspflichtigen, aber nicht erstattungsfähigen Präparate auch in Supermärkten und OTC-Shops verkauft werden dürfen. Die Fascia C ist die zweitgrößte Medikamentenliste in Italien: Die Apotheker machen mit den darin enthaltenen Präparaten einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro, das entspricht einem Gesamtanteil am Arzneimittelmarkt von etwa 13 Prozent. In der Liste sind teilweise hochdosierte Schmerzmittel, Anti-Depressiva und Beruhigungsmittel enthalten. Die Apotheker hatten aber Glück: Das Abgeordnetenhaus stimmte einem Änderungsantrag zu, der sowohl die Befreiung der Bedarfsplanung als auch der Freigabe der „Fascia C“ aufhob.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Italien? Und dann Europa?

von Heiko Barz am 08.05.2016 um 7:48 Uhr

Denkmodelle politisch intriganter Gruppen, wie jetzt in Italien vorgestellt, gibt es reichlich. Auch dass es nun fraglich ist, ob jede Apo einer Kette einen Apotheker vorweisen muss, stimmt sonderbar abartig.
So wird jedes praktikable Gesundheitssystem unter dem Vorwand der Kostenminimierung an die Wand gefahren. Wenn dann Konzerne ( Heuschrecken ) das Sagen haben, werden aber die KKassen und vor Allem die Patienten nur noch als Zahler für Dividenden der Aktionäre herhalten müssen.

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Korrupte Minister und deren Geldgeber!

von Barbaros Orhon am 07.05.2016 um 21:48 Uhr

Die Kollegin Frau Patzelt schreibt die Wahrheit .Die Namen der Bestecher sind auch bekant.Die persönliche unabhängige Beratung mit 100% Motivation kann freien
Apothekenberuf retten,natürlich wenn wir unsere Werte unseren (hoffentlich nicht korrupten) Politikern wie beim vorherigen Komentar der Kollgin überzeugen können.

Barbaros Orhon,Löningen

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So schnell..

von Christiane Patzelt am 06.05.2016 um 16:08 Uhr

..wird die eigene Apotheke nichts mehr wert sein!
Ich sage euch, in ein bis zwei Legislaturperioden haben wir diese besch..Liberalisierung auch bei uns--dann sind die LAVen und die ABDA genauso bedeutungslos wie wir InhaberInnen. Haben wir denn schon einen Plan dagegen? Einige werden sich denken-"prima, verkauf ich meine Bude".
Ich versichere euch, Pessina und Co haben dann noch mehr Geld und eröffnen genau neben eurer Bude eine neue und warten euer Sterben ab und schließen dann ebenso (zu unrentabel, wenn zuviele Filialen..denkt an die Videotheken und an Schlecker)!
Ich appeliere an euch Kollegen, nehmt intensive Beratungen auf, kümmert euch um eure Patienten/Kunden/Gäste und vor Allem!! macht euch UNVERZICHTBAR!!! Das funktioniert aber nicht, wenn ihr nur im Büro hockt und eure PTAs die Apotheke vorne schmeissen!! Zeigt, was ihr könnt!! Es geht um uns, es geht um unsere Selbstbestimmung! Ich will kein Kettenkasper werden!!

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