Panama-Papers

Die „Nichtstun-Firma“ von Stefano Pessina

Berlin - 11.05.2016, 09:00 Uhr

Dolce Farniente: Eine Briefkastenfirma von Walgreens-Boots-Chef Stefano Pessina heißt übersetzt die 'Nichtstun-Holding'. (Foto:WBA)

Dolce Farniente: Eine Briefkastenfirma von Walgreens-Boots-Chef Stefano Pessina heißt übersetzt die 'Nichtstun-Holding'. (Foto:WBA)


Die Panama-Papers des Journalisten-Bundes ICIJ enthalten auch für den Apothekenmarkt interessante Details: Mehrere deutsche Pharmafirmen hielten oder halten Briefkastenfirmen. Besonders auffällig sind die mindestens vier Offshore-Firmen, an denen Walgreens-Boots-Alliance-Chef Stefano Pessina Anteile hält oder hielt. Eines dieser Unternehmen trägt den Namen „Farniente Holding“, was im Deutschen so viel bedeutet wie „Nichtstun-Holding“.

Vor etwa einem Monat hatten die Panama Papers erstmals für weltweites Aufsehen gesorgt. Das Internationale Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) hatte damals einige Enthüllungen über Offshore-Firmen veröffentlicht. Das ICIJ hat jetzt eine komplette Datenbank über Steueroasen, Firmen, Stiftungen und Treuhand-Fonds online gestellt. Die Informationen enthalten außer dem Namen zwar keine persönlichen Details oder Dokumente. Allerdings verraten die Einträge viel über Beteiligungsgeflechte großer Unternehmen oder einzelner Personen. So bestätigten die Panama Papers, dass über die „Kreuzfahrt-Connection“ von Sanofi Aventis Arzneimittel-Reimporte nach Deutschland liefen. Auch führten mehrere deutsche Pharmafirmen Briefkastenfirmen über die Kanzlei „Mossack Fonseca“, deren Daten nun veröffentlicht wurden.

Ein mehrfach vorkommender Name ist Stefano Pessina. Der Italiener steht an der Spitze des weltweit tätigen Pharmagroßhandels-Konzerns Walgreens Boots Alliance. Der Konzern hält Apothekenketten und Großhändler auf der ganzen Welt, darunter die britische Apothekenkette Boots. Auch die ehemalige Anzag (heute: Alliance Healthcare) ist eine Tochtergesellschaft von Walgreens Boots Alliance.

Pessina mit vier Briefkastenfirmen dabei

Auf den Namen Stefano Pessina gibt es insgesamt zehn Einträge in der Panama-Papers-Datenbank. Es geht um Beteiligungen an Offshore-Firmen und Treuhands-Fonds sowie um Adressen in Steueroasen, die mit Pessina in Verbindung gebracht werden. Insgesamt geht es um zwölf verschiedene Firmen in Steueroasen. Auf Nachfrage von DAZ.online stellte der Unternehmer allerdings klar, dass er acht dieser Unternehmen nicht kenne. „Vier der dort aufgeführten Firmen laufen auf meinen Namen“, sagt Pessina.

Fast alle dieser Offshore-Firmen haben ihren Sitz auf den Britischen Jungferninseln, eine Inselgruppe in der Karibik. Angaben der Regierung des Inselstaates zufolge waren im Jahr 2012 fast 500.000 Offshore-Firmen im Land registriert. Schätzungen zufolge liegt die Zahl inzwischen bei mehr als 950.000. Die Regierung gibt an, dass mehr als 51 Prozent ihrer Steuereinnahmen aus der Unternehmenssteuer stammen.

Auffällig ist auch, dass alle Firmen, die auf den Namen Pessina laufen, mit Banken oder Anwaltskanzleien in Monaco oder Luxemburg verknüpft sind. Pessina und seine Lebensgefährtin Ornella Barra, die in der Konzernspitze für den Großhandel zuständig ist, wohnen in Monaco. Ein Teil des Walgreens-Boots-Alliance-Geflechts ist bereits heute in Luxemburg gemeldet.

Eines der zwölf Offshore-Unternehmen besitzt Pessina übrigens gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Barra. Die Firma trägt den besonderen Namen „Farniente Holding“. Der Name erinnert an die italienische Redewendung „Dolce Far Niente“, was im Deutschen bedeutet: „Das süße Nichtstun“.

(Quelle: ICIJ Offshore Leaks Database)


Es geht um die persönliche Vermögensplanung

Gegenüber DAZ.online sagten beide, dass die Firmen ein absolut „legaler Bestandteil des Familienvermögens“ seien. Die vier Unternehmen seien Teil ihrer „persönlichen Vermögensplanung“. Es gehe den Firmen unter anderem um Immobiliengeschäfte. „Die Unternehmen wurden in Übereinstimmung mit allen relevanten Gesetzen gegründet“, bekräftigen Pessina und Barra. Es sei allen Behörden immer bekannt gewesen, dass es sich dabei um private Firmenanteile handele, die nichts mit dem Konzern zu tun haben. Die Firmengründungen seien weder für Italien noch für das Vereinigte Königreich steuerrechtlich relevant, weil Pessina und Barra in Monaco wohnten und dort auch steuerlich gemeldet seien.

Insbesondere im Vereinigten Königreich muss sich Pessina immer wieder Vorwürfe gefallen lassen, dass er den Umsatz der Apothekenkette Boots nicht voll umfänglich versteuere. Pessina, der als drittreichster Mann Italiens gilt, hat sich unter anderem mit der britischen Labour-Partei bereits Wortgefechte über die Steuermodelle des Walgreens-Boots-Alliance-Konzerns geleistet.

Auch einige deutschen Pharmakonzerne unterhielten oder unterhalten Briefkastenfirmen in Panama. Über die nun veröffentlichten Unterlagen zeigt sich beispielsweise, dass sowohl die Merck KgaA als auch die Merck Finanz AG und die Merck Holding GmbH Anteile an der „Mesofarma Corporation“ unterhalten. Auf Nachfrage sagte ein Sprecher des Pharmaherstellers, dass die Tochtergesellschaft den Markt in Panama beliefere und auch in anderen südamerikanischen Märkten tätig sei. "Es handelt somit nicht um ein Investitionsvehikel", erklärte der Sprecher.

(Quelle: ICIJ Offshore Leaks Database)


Bayer besitzt Bermuda-Gesellschaft

Bayer unterhielt zwei Briefkastenfirmen über Mossack Fonseca, die in den Neunzigerjahren abgewickelt wurden. „Grundsätzlich ist Bayer nicht in sogenannten ‚karibischen Steueroasen‘ vertreten“, schreibt der Konzern auf DAZ-online-Nachfrage. „Heute verfügt Bayer noch über eine Bermuda-Gesellschaft, die Bayer im Zusammenhang mit der Übernahme der Sparte für rezeptfreie Medikamente vom US-Pharmaunternehmen Merck als Teil des Transaktionspakets übernommen hatte“, schreibt ein Sprecher. Diese Bermuda-Gesellschaft habe Holding-Funktionen für Merck China übernommen, sei aber in Auflösung.

Auch bei Roche gab es offenbar eine Panama-Connection, die sich die Firma durch die Übernahme von Boehringer Mannheim eingehandelt hat: Diese unterhielt die Briefkastenfirma „Boehringer Mannheim America Central S.A.“ Die Firma wurde laut den Panama Papers im April 2005 „inaktiviert“, also rund acht Jahre nach der Übernahme durch Roche. „Wir haben keine Informationen mehr zu dieser Gesellschaft, da sie seit mehr als 10 Jahren nicht mehr existiert“, schreibt Roche auf Nachfrage.

(Quelle: ICIJ Offshore Leaks Database)


Update: Der Artikel wurde um die nachträglich eingegangenen Statements von Merck und Roche ergänzt.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Nicola Kuhrt, DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Der Herr ist früher mit Karibik (?)ähnliches bekannt!!

von Barbaros Orhon am 11.05.2016 um 10:43 Uhr

Vor 10-20 Jahren war der gleiche Herr mit ähnlichen Geschäfte unterwegs gewesen.Ja solche Leute beeinflußen am Ende durch kräftige Beeinflußung der Politiker mit den Gesetzänderungen (z.B.Fremdbesitz Aufhebung).Metro,Celeisio Saarland darf man nicht vergeßen;evtl.jeden Schritt dieser Politiker von damals heute noch anschauen?Wenn wir inaktiv sind,dann verlieren wir wirklich.Natürlich schwarze Schafe gibt es leider auch in unserem Beruf.
Barbaros Orhon
Löningen

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AW: Pessina und Co.

von Michael am 24.08.2016 um 21:05 Uhr

Pessina ist nur EINER von VIELEN , auf die hierdurch mal ein Schlaglicht fällt , ein kurzer Blick hinter die Vorhänge der Macht die schwer und unbeweglich die wirklichen Machtverhältnisse verschleiern,die den MÄCHTIGEN der Welt (nicht Politiker!) alles ermöglichen umihren unglaublichen Reichtum weiter zu mehren,Milliarden anzuhäufen und Gottgleich alles zu beeinflussen,dabei aber über Menschen und ganze Völker zu richten. So wie diese Leute wie Pessina,Ornella Barra ,Jerry Skinner (um nur mal in dieser Branche zu bleiben) Existenzen durch ihre schiere Macht vernichten und vor allem durch ihre Profit- und Geldgier ist unbekannt und unübertroffen. Aber auch wenn Sie glauben über alles und jeden bestimmen zu können, oder Jeden vernichten zu können- KEINER ist GOTT!!!

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