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Eigentlich sollte der zuständige EU-Ausschuss am heutigen Donnerstag über die weitere Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat entscheiden. Die Bundesregierung ist sich über die Bewertung der Risiken aber nicht einig, und auch auf EU-Ebene finden sich keine Mehrheiten.
Da die EU-weite Zulassung des Pflanzenschutzmittels
Glyphosat Ende Juni ausläuft, wird eine Entscheidung über die Zukunft des
Mittels immer dringender. Doch am Donnerstag vertagte der zuständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) bei der EU-Kommission die Entscheidung, da keine Mehrheit für oder gegen
die weitere Zulassung absehbar ist, wie Spiegel Online schreibt. Weil die Größe der Mitgliedsstaaten bei der
Abstimmung mitberücksichtigt wird, hat die Bundesrepublik einen bedeutenden
Einfluss – doch ist sich die Koalition nicht einig und will sich aktuell enthalten. Von Seiten der SPD-Minister
werden die Risiken durch Glyphosat als zu groß angesehen.
Umstritten ist, wie groß die Krebsgefahr des Mittels ist. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO stufte Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend ein – jedoch ohne das Risiko einer tatsächlichen Krebserkrankung zu bewerten. Bei bestimmungsgemäßen Gebrauch sieht die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) wie auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) keine Gefahr für die Verbraucher, wie diese Woche auch eine spezialisierte WHO-Institution. In Anbetracht der vertagten Zulassungsentscheidung hat das Science Media Center Deutschland Wissenschaftler nach ihren Einschätzungen gefragt.
Entscheidungen sind umkehrbar
„Die Nicht-Entscheidung über die Glyphosat-Wiederzulassung ist ein Signal dafür, dass die in der Öffentlichkeit spürbare Verunsicherung auch bei der Politik angekommen ist“, sagt Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und Nachhaltige Landnutzung der Uni Göttingen. Aus fachlicher Sicht lägen schon lange zahlreiche Informationen vor. „Es wäre durchaus möglich gewesen, zum jetzigen Zeitpunkt eine Zulassungsentscheidung zu treffen“, erklärt Steinmann. „Vielfach wird nämlich übersehen, dass Zulassungsentscheidungen von Pflanzenschutzmitteln nicht unumkehrbar sind.“
Er denkt, dass der Zulassungsprozess neu gestartet werden müsste. Dabei fordert Steinmann die Entscheidungsträger auf, sich auf wissensbasierte Kriterien zu stützen. Doch die Bauern nimmt er in die Pflicht: „Auf Agrarseite wird man sicher erwarten müssen, dass hier Angebote kommen, wie künftig mit dem Glyphosat sparsam und gezielt umgegangen werden soll“, erklärt Steinmann.
Weniger problematisch als andere Alternativen
Der Ökotoxikologe Christoph Schäfers vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie sieht es als wesentliche Frage, welche Aspekte bewertet werden sollen. Wenn Glyphosat im zugelassenen Rahmen angewendet wird, erfülle es seinen Zweck zuverlässig, preiswert und mit vertretbaren Nebenwirkungen. „Aus Sicht der ökotoxikologischen Risikobewertung ist Glyphosat weniger problematisch als fast alle anderen chemischen Alternativen“, erklärt Schäfers. Da Bauern sich durch das Mittel das Pflügen sparen, schütze es auch vor Erosion.
Wenn die Biodiversität von beispielsweise Wildkräutern erhöht werden soll, müsse man den chemischen Pflanzenschutz insgesamt einschränken, sagt der Wissenschaftler. „Das hat zur Folge, dass die konventionelle Landwirtschaft nicht mehr zu den Preisen produzieren kann, die wir als Verbraucher kennen und über die Kaufentscheidung einfordern“, so Schäfers.
Vorsorgeprinzip wird gestärkt
Johann Zaller vom Institut für Zoologie der Universität für Bodenkultur in Wien sieht die ausbleibende Entscheidung als Stärkung des Vorsorgeprinzips. „Diese Nicht-Einigung kann vorsichtig als ein Sieg der wissenschaftlichen Fakten gegenüber den Industrie-Interessen interpretiert werden“, sagt er. „In der Folge sollten jetzt endlich auch alle Industriestudien auf den Tisch gelegt werden, damit eine transparente Einschätzung durch unabhängige Experten erfolgen kann.“
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