Arzneihersteller zu Lieferengpässen

Kostendruck statt Planbarkeit

Berlin - 01.06.2016, 18:10 Uhr


Was sagen eigentlich die Arzneimittelhersteller zum Problem der Lieferengpässe? Wir haben nachgefragt - anbei lesen Sie die Antworten von Hexal und GlaxoSmithKline. 

In der Themenwoche „Lieferengpässe“ gab es bereits Analysen und Interviews. Hier nun - ungekürzt - die Antworten zweier Hersteller auf die DAZ.online-Anfrage, warum einige ihrer Arzneimittel nicht lieferbar sind. Den Anfang macht Hexal (nicht lieferbar in unserer Liste vom 23. Mai: Ramipril, Metohexal, Starletta, Naratriptan, Amantadin, Flutihexal, Benzapril und Cetadroxyl), dann folgt GlaxoSmithKline:


...vielen Dank für Ihre Anfrage zu Lieferengpässen. Es ist leider richtig, dass es bei den genannten Produkten derzeit zu Lieferengpässen kommt.

 

Mit über 400 Wirkstoffen und fast 6.000 verschiedenen Einzel-Produkten bieten wir ein sehr breites und gleichzeitig hochdifferenziertes Sortiment an. Es reicht von rezeptfreien apothekenpflichtigen Präparaten bis hin zu hochkomplexen biopharmazeutisch hergestellten Produkten. Insgesamt versorgen wir die Bevölkerung in Deutschland pro Jahr mit rund 200 Millionen Arzneimittel-Packungen.

 

Diese Komplexität zu managen, die Kapazitäten vorzuhalten, diese Arzneimittel stets verfügbar zu halten, gleichzeitig das Sortiment stetig zu erweitern, darin sehen wir unsere zentrale Aufgabe. Diese zu erbringen, ist aber in einem Gesundheitssystem, das die Hersteller patentfreier Arzneimittel, seit Jahren unter einen enormen Kostendruck setzt, keine leichte Aufgabe.

 

So kommt es auch bei uns zu Lieferengpässen oder gar zu einer zeitlich begrenzten Lieferunfähigkeit bei einzelnen Produkten, sei es eine Woche (z.B. Ramipril)  oder mehrere Monate (z.B. Metohexal). Selbstverständlich setzen wir als Unternehmen alles daran, Lieferengpässe schnellstmöglich zu beseitigen bzw. nach Möglichkeit von vornherein zu vermeiden.

 

Das klappt leider nicht immer, und dafür gibt es vielfältige Gründe. Wie schon erwähnt, ist der Kostendruck - hauptsächlich verursacht durch das System der Wirkstoff-Ausschreibungen und der daraus resultierenden Rabattverträge - ein zentraler Punkt. Zudem machen Rabattverträge Planbarkeit nahezu unmöglich, bei kurzfristig auftretender Nachfrage wegen Ausfällen bei Rabattverträgen, sind Kapazitätsengpässe nicht zu vermeiden.

 

Weitere Gründe sind: gestiegene regulatorische Anforderungen der Behörden, die verschärfte interne Qualitätskontrollen nach sich ziehen sowie aufwendige und zeitintensive Produktionsverlagerungen an andere Standorte, um zusätzliche Kapazitäten nutzen zu können. 

Pressestelle Hexal


Und dann GlaxoSmithKline. Die Antwort des Konzerns ist deutlich detaillierter als die von Hexal. „Es ist uns ein zentrales Anliegen, die Versorgung der Patienten mit unseren Arzneimitteln in Deutschland, Europa und weltweit sicherzustellen“, sagt Sprecher Markus Hardenbicker. Trotz der Bemühungen könne es aus unterschiedlichen Ursachen zu Lieferschwierigkeiten kommen. Zu den einzelnen Arzneimitteln weiß er zu berichten (Stand: 1. Juni): 

Duodart®

Bei unserem europäischen Hersteller war im Herbst 2015 ein Fehler bei der Verblisterung eines anderen Präparats aufgetreten. Daraufhin hatten die Behörden weitere Untersuchungen angeordnet, wodurch es zu Produktionsunterbrechungen kam, die auch Duodart® betrafen.

Wir haben in der Zwischenzeit mit Hochdruck an der Zulassung einer alternativen Produktionsstätte gearbeitet. Anfang März 2016 hat das BfArM einem entsprechenden Antrag stattgegeben, und ein neues Werk in Florida, USA, konnte die Belieferung Europas aufnehmen.

Prinzipiell ist inzwischen ausreichend Duodart® in Deutschland verfügbar. Allerdings ist die Verteilung aufgrund der individuellen Bestellungen nicht ausgewogen, das heißt, regional kann weiterhin eine kurzfristige Unterversorgung auftreten. Diese Situation wird sich mit den Folgelieferungen nachhaltig entspannen. Bis dahin empfehlen wir den Ärzten, engen Kontakt mit der Apotheke zu halten.

Relvar® Ellipta® und Flutide®  

GSK stellt bei diesen Produkten ausreichend Ware für die Vertriebskanäle (Großhändler, Apotheken, Krankenhäuser) in den jeweiligen Märkten zur Verfügung, um den lokalen Bedarf an Medikamenten für Patienten bedienen zu können. 

Abhängig von der Nachfragesituation kann es dennoch in Einzelfällen zu Engpässen in Vertriebskanälen kommen. In diesem Fall können betroffene Apotheken Produkte wie Relvar® und Flutide® für ihre Patienten direkt beim GSK Kundenservice anfordern.   

Boostrix® / Boostrix Polio® 

Impfstoffe sind biotechnologische Produkte, deren Herstellung komplex und aufwendig ist. Genau deswegen sind nur wenige Hersteller dazu in der Lage. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es bei einzelnen Impfstoffkomponenten zu Verzögerungen im Produktionsprozess kommt und temporäre Lieferengpässe auftreten. Zum besseren Verständnis des Hintergrunds ist es relevant zu wissen, dass der Herstellungsprozess von Kombinationsimpfstoffen 12 bis 26 Monate dauert und zur Sicherstellung der Qualität und Konsistenz des Endprodukts hunderte in-Prozess Kontrollen und Freigabe-Tests durchgeführt werden. Oberstes Ziel ist es, damit die Qualität und Sicherheit der Produkte zu gewährleisten. Die Impfung zielt darauf ab, gesunde Menschen vor Infektionskrankheiten zu schützen. Dies setzt – zusätzlich zu den bereits beschriebenen Herausforderungen – die unabdingbare Forderung nach den allerhöchsten Qualitätsstandards hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit voraus. 

Der Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis (Boostrix®) ist derzeit lieferbar und wurde im Jahr 2016 bereits in ausreichenden Mengen an deutsche Großhändler ausgeliefert.

Bei dem Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Polio (Boostrix Polio®) ist derzeit die 10er-Packung bis voraussichtlich Anfang Juni, die 1er-Packung bis voraussichtlich September 2016 nicht lieferbar. GSK hatte öffentliche Stellen (Paul-Ehrlich-Institut, Robert-Koch-Institut und das Bundesministerium für Gesundheit) bereits informiert, dass es bei Boostrix Polio® aufgrund von einem erhöhten weltweiten Marktbedarf kurzfristig immer wieder zu Lieferengpässen kommen kann. In vielen Ländern (Endemiegebiete, Afrika) wird seit September 2015 die leicht zu verabreichende und kostengünstigere Schluckimpfung (OPV) durch den Totimpfstoff (IPV) ersetzt, um Vakzine-assoziierte Polio Fälle zukünftig zu vermeiden. Dieses erklärt den hohen Bedarf an Polio-Totimpfstoff weltweit.

Die STIKO empfiehlt die generelle Auffrisch-Impfung mit einem Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis und Polio zwar für die relativ große Zielgruppe der Jugendlichen, allerdings über den Altersbereich von 9 bis 17 Jahren. Es sollte deshalb, selbst im Falle einer kurzfristigen Lieferunfähigkeit auch anderer Hersteller, für diese Empfehlung nur relativ wenige Fälle geben, bei denen eine Impfung unmittelbar erforderlich ist und die nicht innerhalb des empfohlenen Altersfensters geimpft werden können. Nach einer vollständigen Grundimmunisierung und einer Auffrischimpfung ist keine weitere Auffrischimpfung empfohlen – außer bei Reisen in die Endemie-Gebiete Pakistan und Afghanistan. Nach einer vollständig durchgeführten Impfserie wird von einem sehr lang anhaltenden Schutz gegen Polio ausgegangen. Auffrischimpfungen im Erwachsenenalter sind für Diphtherie, Tetanus und Pertussis empfohlen und sollen dann mit dem Dreifach-Impfstoff erfolgen. 


Nicola Kuhrt, DAZ.online
redaktion@daz.online


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