Großhändler zu Lieferengpässen

Ein ständiges Problem

Berlin - 01.06.2016, 13:30 Uhr

Lieferengpässe sind bei Großhändlern: Was man nicht bekommt, kann man nicht ausliefern. (Foto: Phagro)

Lieferengpässe sind bei Großhändlern: Was man nicht bekommt, kann man nicht ausliefern. (Foto: Phagro)


Lieferengpässe sind auch für die Pharmagroßhändler tägliches Geschäft, wie eine Umfrage von DAZ.online ergeben hat. Die Ursachen sind vielfältig, die wirtschaftlichen Folgen für die Händler einschneidend: Einige nennen Namen und sprechen von Umsatzausfällen in Millionenhöhe. Sie fordern, Arzneimittelexporte in Länder, in denen höhere Preis erzielt werden können, unattraktiver zu machen. 

Pharmagroßhändler als Mittler zwischen Herstellern und Apothekern verdienen ihr Geld mit dem Vertrieb von Arzneimitteln. Doch oftmals können sie ihr Kerngeschäft nicht in dem Umfang ausüben, wie sie es wollen und sollten. Lieferengpässe sind ein ständiges Problem für Pharmahändler, wie eine Umfrage von DAZ.online ergeben hat.

So heißt es beispielsweise bei der Apothekergenossenschaft Noweda: „Noweda ist täglich von Lieferengpässen betroffen, sodass Apotheken nicht mit den bestellten Mengen beliefert werden können. Es handelt sich täglich um 2000 bis 4000 PZN, die aufgrund mangelnder Auslieferung seitens der Industrie defekt sind.“ Ähnlich sieht es bei Pharma Privat aus, der Kooperation der inhabergeführten Pharma-Großhandlungen Deutschlands: „Lieferengpässe treten eindeutig zu häufig auf. Sie laufen konträr zu unserem Versorgungsauftrag. Die Apotheke kann nur liefern, wenn wir in der Lage sind zu liefern. Dieser Zustand ist nicht zu tolerieren.“ Die Kooperation hat die Erfahrung gemacht, dass die Hersteller Bestellmengen kürzen oder teilweise gar keine Waren zur Verfügung stellen.

Nicht anders sieht es bei der Planegger Genossenschaft Sanacorp aus. Man sei regelmäßig von Lieferengpässen der Hersteller betroffen – und nennt sogar Namen: Insbesondere würden die Firmen Astra Zeneca, Glaxo Smith Kline und Novo Nordisk auffallen. Auch bei Gehe gibt man zu: „Wir werden in sehr vielen Fällen nicht so beliefert, wie wir unseren Bedarf bestellen.“

Vielfältige Ursachen

So häufig Lieferengpässe bei den Pharmahändlern durchschlagen, so vielseitig sind deren Ursachen. Ein von den Händlern häufig genannter Grund sind höhere Umsatzmöglichkeiten im Ausland. So hat Pharma Privat festgestellt, dass Arzneimittel vielfach in jenen Ländern landen, in denen höhere Preise erzielt werden können. Zudem gebe es bei Arzneimitteln, die anfällig für Auslandsexporte sind, eine Kontingentierung durch die Hersteller. In diesen Fällen werde nur ein Bruchteil der notwendigen Mengen ausgeliefert. So hat Noweda die Erfahrung gemacht, dass von einem Arzneimittel 600 Stück bestellt werden, aber nur 15 Stück ausgeliefert werden.

Auch Rabattverträge können eine Ursache für Lieferengpässe sein. So ist aus Sicht Nowedas der Wechsel der Vertragspartner beim Ablauf von Rabattverträgen immer wieder problematisch, weil neue Vertragspartner die benötigten Mengen nicht schnell genug liefern können. „Bei Rabattverträgen brauchen wir dringend die durchgehende Vergabe an drei Hersteller. Nur dadurch können Versorgungsengpässe deutlich reduziert werden.“

Darüber hinaus argumentierten einige Hersteller, dass aufgrund neuer und besserer Messmethoden heute wesentlich mehr Ausschuss produziert werde, der kurzfristig nicht immer kompensiert werden könne. Dadurch stehe weniger Ware als bislang zur Verfügung.

Schließlich weisen die Großhändler darauf hin, dass die Lieferketten anfällig für Störungen seien. Da Arzneimittel nicht mehr nur in Deutschland produziert werden, sondern aus Kostengründen auch in der europäischen Peripherie und in Asien, würden die Lieferketten immer länger und komplexer. Auch würden viele Entscheidungen nicht mehr in Deutschland getroffen, sondern in den Zentralen der global aufgestellten Unternehmen. Dort fielen wirtschaftlich motivierte Entscheidungen, die unter Umständen konträr zu den Versorgungsinteressen des deutschen Marktes laufen können. 

Händler weisen Verantwortung von sich

Die Pharmgroßahändler selbst sehen sich bei Lieferengpässen in der Regel nicht in der Verantwortung. So weist Sanacorp darauf hin, dass man nur Apotheken in Deutschland beliefere: „Wir lehnen jede Art von Arzneimittelschiebungen ins Ausland entschieden ab.“ Folglich könne man nicht Teil der Ursache des Missstandes sein.

Auch Pharma Privat erklärt, Arzneimittel nicht in Ausland zu exportieren und damit nicht zu einer Verknappung auf dem deutschen Markt beizutragen. Allerdings könne man das für Wettbewerber nicht ausschließen. „Wir stellen fest, dass Kunden unnatürlich große Mengen bestellen, was den Verdacht nährt, dass die Ware nicht für den deutschen Markt verwendet wird.“

Umsatzausfälle in Millionenhöhe

Dennoch, die wirtschaftlichen Folgen des Missstandes bekommen die Händler unmittelbar zu spüren. Sanacorp verzeichnet durch Lieferengpässe der Industrie monatliche Umsatzverluste in Höhe von mehreren Millionen Euro. Aus der Mangelsituation ergebe sich ein erhöhter administrativer Aufwand durch Nachfassaktivitäten gegenüber säumigen Herstellern, der Bearbeitung von Kundenreklamationen sowie der Erstellung, Pflege und Abarbeitung von Vorbestellungslisten.

Noweda weist darauf hin, dass dem Unternehmen durch Lieferengpässe in allen Bereichen der betrieblichen Prozesse Aufwand entstehe. In den Einkaufsabteilungen müsse täglich mehreren tausend Artikeln „hinterhergelaufen“ werden, um irgendwie beim Hersteller doch noch Ware zu erhalten. Zusätzlich müssten die täglichen Defekte verarbeitet werden. Zwischen den verschiedenen Niederlassungen würden Bestände, soweit möglich, im Verbund ausgeglichen. Darüber hinaus müssten zahlreiche Anfragen von Kunden beantwortet werden, die wegen der Lieferengpässe verärgert seien. Insgesamt entstünden Noweda hierdurch jährlich Aufwendungen in der Dimension eines mittleren siebenstelligen Euro-Betrags. 

Exporte unattraktiver machen

Die Situation könnte nach Ansicht der Großhändler entschärft werden, indem der Export von Arzneimitteln, die für den deutschen Markt bestimmt sind, erschwert wird. So ist nach Meinung von Sanacorp der Gesetzgeber aufgefordert, Lösungen zu entwickeln, mit denen das internationale Preisgefälle abgemildert wird. „Insbesondere die Tatsache, dass Deutschland offensichtlich zum Exportland für Arzneimittel wird, ist die logische Konsequenz einer Politik, die sich vorrangig an der Höhe der Arzneimittelpreise abarbeitet“, heißt es bei Noweda. Vorgaben für die Hersteller, bestimmte Lagerbestände vorrätig zu halten oder Meldepflichten für knappe Artikel dürften hieran allerdings wenig ändern. Exportverbote seien zwar möglicherweise eine Lösung, dürften nach Einschätzung der Genossenschaft aber kaum mit europäischem Recht vereinbar sein. 

Nach Informationen von DAZ.online hat der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) aktuell eine interne Umfrage unter seinen Mitgliedern zum Thema Lieferengpässe durchgeführt. Großhändler wie Pharma Privat hoffen nach deren Auswertung auf eine „saubere juristische Lösung“. 

Nicht zuletzt, so heißt es von Seiten der Großhändler, sollte es auch im Interesse der Hersteller liegen, Lieferprobleme zu vermeiden. Denn Lieferengpässe bedeuten letztlich auch immer Umsatzverluste. 


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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