DAZ.online: In den letzten Jahren hat es immer wieder GMP, GLP- und GCP-Verstöße bei Wirkstofflieferanten und Auftragsforschern aus Drittstaaten gegeben, die zum Teil zu Ausfällen bei den betroffenen Präparaten geführt haben. Befürchten Sie hierdurch für die Zukunft noch mehr Engpässe, wenn die Kontrolldichte zunimmt?
Karl Broich: Mehr Kontrolle ist zunächst einmal im Sinne der Sicherheit von Patientinnen und Patienten. Lieferengpässe entstehen aber häufig dann, wenn durch einen Konzentrationsprozess immer weniger Hersteller die Produktion eines bestimmten Wirkstoffes übernehmen. Wenn in solchen Fällen Herstellungsstätten wegfallen, ist ein Wirkstoff plötzlich für alle Zulassungsinhaber nicht mehr verfügbar. Dieser Weg mag für ein Unternehmen vielleicht ökonomisch günstiger sein, ist aber sicher nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten.
DAZ.online: Manche Länder, wie zum Beispiel die USA, setzen bei der Vermeidung von Lieferengpässen auf eine engere Kooperation der Behörden mit den Pharmaunternehmen und dem Zwischenhandel und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Könnte das BfArM hier vielleicht auch mehr tun?
Karl Broich: Das BfArM prüft bereits jetzt auf Basis der verfügbaren Daten, ob und gegebenenfalls wie viele Alternativpräparate bei Produktionsproblemen verfügbar sind. Mit einem risikobasierten Ansatz können wir dann besondere Problemlagen rasch identifizieren und aktiv auf die Hersteller zugehen, um mögliche Lösungswege anzustoßen. Ein Beispiel ist der erneute Engpass bei Melphalan. Hier haben wir im engen Austausch mit dem Hersteller und der italienischen Behörde eine möglichst schnelle Lösung des Problems erzielt.
DAZ.online: Bei der vierten Sitzung des Pharmadialogs im Januar ging es auch um die Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Unter anderem soll eine Liste besonders versorgungsrelevanter, engpassgefährdeter Arzneimittel erarbeitet werden. Wie ist der Stand dazu?
Karl Broich: Ausgehend von einer umfangreichen Liste unverzichtbarer Arzneimittel haben wir eine Risiko-adaptierte Liste erstellt, die mit den Fachgesellschaften abgestimmt wurde und die kontinuierlich überprüft und weiterentwickelt wird. Sie ist aber schon jetzt eine wichtige Grundlage für einen differenzierten Umgang mit Lieferengpässen. Für Arzneimittel, die von der Wirkstoffliste betroffen sind, können gegebenenfalls weitergehende Maßnahmen vorgesehen werden.
DAZ.online: Nach den Absprachen beim Pharmadialog soll ein „Jour Fixe“ unter Beteiligung der Bundesoberbehörden und der Fachkreise eingerichtet werden, um mehr Transparenz bei der Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen zu schaffen. Gibt es hierzu schon konkrete Planungen?
Karl Broich: Der „Jour Fixe” soll bestehende und sich abzeichnende Lieferengpässe bewerten und geeignete Maßnahmen vorschlagen. Wir wollen, dass der „Jour Fixe” in Kürze mit seiner Arbeit beginnt. Für uns ist ein intensiverer Austausch mit allen beteiligten Akteuren einer von vielen Schritten hin zu einer flächendeckenderen Information über Lieferengpässe. Dies gilt speziell für besonders relevante Arzneimittel. Deswegen arbeiten wir derzeit beispielsweise auch mit Blick auf die Melde- und Informationswege an weiteren Lösungen, die darauf abzielen, alle Engpässe gemeldet zu bekommen. So könnten wir shortage-relevante Arzneimittel schnell und verlässlich identifizieren und darüber informieren.
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