„Nature“-Studie

Mit Immuntherapie und Nanopartikeln gegen Krebs

Mainz - 02.06.2016, 07:30 Uhr

Der Ansatz der Mainzer Forscher soll Immunzellen zu den Krebszellen führen. (Foto: royaltystockphoto / Fotolia)

Der Ansatz der Mainzer Forscher soll Immunzellen zu den Krebszellen führen. (Foto: royaltystockphoto / Fotolia)


Oftmals erkennt das Immunsystem die Krebszellen im Körper nicht. Mit einer vielversprechenden Markierungstechnik können Forscher ihm dabei jedoch auf die Sprünge helfen. Ein Team in Mainz hat nun einen Weg gefunden, wie das besonders gut gelingt.

Mainzer Forscher wollen verschiedene Krebsarten mit einer besonders effektiven Immuntherapie bekämpfen. Dabei wird das körpereigene Immunsystem stimuliert, sich selbst gegen die Tumore zu wehren. Das Team hat leicht negativ geladene Nanopartikel entwickelt, die gezielt therapeutische Krebsimpfstoffe in bestimmte Zellen des Immunsystems transportieren, wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“ schreiben. Diese sogenannten dendritischen Zellen wiederum geben die Information, dass ein Typ von Tumorzellen im Körper bekämpft werden soll, wie ein Fahndungsfoto an andere Immunzellen weiter.

Bislang sei das Verfahren an Mäusen und drei Menschen mit Schwarzem Hautkrebs getestet worden, sagte Krebsforscher Ugur Sahin, der die Untersuchung betreute. „Überraschenderweise bekamen wir bei sehr geringer Dosis sehr starke Immunantworten.“ Das Prinzip kann auch auf die Therapie anderer Krebsarten übertragen werden. Für Hans-Reimer Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), der an der Studie nicht beteiligt war, sind die Ergebnisse „enorm interessant“.

Impfstoff für Kranke

Die Immuntherapie gegen Tumore gilt als vielversprechender Ansatz der Krebsbehandlung. Dabei werden die Krebszellen nicht etwa in einer Chemotherapie mit Giften attackiert oder mit Röntgenstrahlen zerstört, sondern es wird die Abwehr im Körper selbst aktiviert. Diese Anregung erfolgt durch Antigene – deswegen sprechen die Forscher von einem Impfstoff. Dieses therapeutische Impfen wird nicht bei gesunden Menschen angewandt, sondern bei Kranken.

Bislang wurden bei den Ansätzen in der Immuntherapie die Nanopartikel mit Adressaufklebern versehen, entweder mit Antikörpern oder Liganden, die sich speziell an die dendritischen Zellen anlagern. Das Forscherteam habe nun einen anderen Trick gefunden, sagte Rodewald. Durch die leicht negative Aufladung der Nanopartikel würden diese zu den dendritischen Zellen im Lymphsystem wie etwa die Milz geleitet. „Das ist sehr bemerkenswert“, sagte er.

Die Entwicklung basiert auf den Forschungsarbeiten der Translationalen Onkologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (TRON) und der Firma BioNTech in Mainz. An den Versuchen sind die Universitätsmedizin Mainz, das Uniklinikum Heidelberg, das Uniklinikum Mannheim und die Universitätsmedizin Frankfurt beteiligt.

Wie ein Fahnungsfoto

Bei dem in „Nature“ vorgestellten Ansatz wird die Bauanleitung (RNA) eines Tumor-Antigens in eine schützende Membranschicht gesteckt, die außen negativ geladen ist. Diese Nanopartikel werden in den Blutkreislauf gegeben und erreichen so das Lymphatische System. Dort nehmen die dendritischen Zellen die RNA auf, und nutzen sie zum Aufbau von Tumorantigenen. „Diese Zellen sind quasi die Instrukteure des Immunsystems. Sie präsentieren die von uns eingebrachten Antigene wie ein Fahndungsfoto. Die anderen Immunzellen kommen vorbei und schauen sich das an“, sagt Sahin. Die Abwehrzellen können daraufhin die Tumorzellen bekämpfen.

Jolanda de Vries und Carl Figdor vom Radboud University Medical Center in Nijmegen in den Niederlanden schreiben in einem Kommentar zu den Resultaten in „Nature“, die Immunantwort der T-Zellen der drei Patienten sei beeindruckend. Es müsse allerdings eine größere, randomisierte Studie durchgeführt werden – deren Ergebnis mit größtem Interesse verfolgt werde. Das Potenzial sei da, dass dieser Ansatz das therapeutische Impfen bei Krebserkrankungen stark voranbringt.

Erfolg ist noch unklar

Sahin sagte, die Studie laufe weiter. Bislang seien alle Patienten klinisch stabil, das heißt die Tumore wachsen nicht mehr weiter. „In einem Jahr werden wir wissen, wie wirksam die Behandlung ist“, sagte er. „Ich bin selber Arzt und davon motiviert, Patienten neue Behandlungsmöglichkeiten zu bieten.“

Erst kürzlich hatten britische Forscher von einer Immuntherapie gegen Krebs berichtet, bei der sie T-Zellen aus dem Blut entnehmen und im Labor gentechnisch so verändern, dass sie Blutkrebszellen erkennen und direkt angreifen. Auch dieser Ansatz steckt noch im Versuchsstadium.


dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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