Zytotstatika-Herstellung

Keine Retax bei Verwürfen

Berlin - 08.06.2016, 14:25 Uhr

Ein Apotheker, der Zyto-Lösungen herstellt, kann sich an die Fachinformationen zur Halbarkeit der angebrochenen verwendeten Arzneimittel halten - sagt das Sozialgericht Würzburg. (Foto: VZA)

Ein Apotheker, der Zyto-Lösungen herstellt, kann sich an die Fachinformationen zur Halbarkeit der angebrochenen verwendeten Arzneimittel halten - sagt das Sozialgericht Würzburg. (Foto: VZA)


Verwürfe bei der Herstellung zytostatikahaltiger Lösungen sind unvermeidlich, wenn Restmengen länger aufbewahrt werden müssten, als es die Fachinformation maximal vorsieht. Dies entschied das Sozialgericht Würzburg und gestand einem retaxierten Apotheker seinen Vergütungsanspruch in Höhe von mehr als 33.000 Euro zu.   

Apotheken, die anwendungsfertige Zytostatika herstellen, haben immer wieder mit Retaxationen von Krankenkassen zu kämpfen, wenn es um die Abrechnung von Verwürfen geht. Ein Fall wurde nun vom Sozialgericht Würzburg zugunsten des Apothekers entschieden. 

Es ging um Zubereitungen mit dem Wirkstoff Bortezomib (Velcade®). Der Apotheker fertigte hiermit patientenindividuelle Injektionslösungen an. Die kleinste Packungsgröße des Arzneimittels enthält 3,5 Milligramm Bortezomib, in der Regel erhalten Patienten aber nur eine Dosis von etwa 2,4 Milligramm. 

Die Anlage 3 der Hilfstaxe sieht für die Abrechnung zytostatikahaltiger parenteraler Lösungen vor, dass die nach Milligramm oder Millimeter verordnete Wirkstoffmenge abrechnungsfähig ist – gegebenenfalls zuzüglich eines Verwurfs. Explizit nennt die Anlage auch, dass der Wirkstoff Bortezomib maximal einmal innerhalb von acht Stunden abrechnungsfähig ist. In der Fachinformation für Velcade® heißt es ebenfalls, dass nach acht Stunden die Haltbarkeit der angefallenen Anbrüche überschritten sei. 

Kasse: Publikationen zeigen längere tatsächliche Stabilität

Und so berechnete der Apotheker der Krankenkasse von April 2012 bis August 2013 auch die Verwürfe, wenn acht Stunden überschritten waren. Doch dafür wurde er retaxiert – die Rechnungen summierten sich dabei auf rund 33.600 Euro. Die Krankenkasse hielt die Fachinformation nicht für maßgeblich für die Feststellung der Haltbarkeit des Anbruchs. Sie richte sich vielmehr an den Anwender der gebrauchsfertigen Lösung, also an den Arzt. Um zu bewerten, ob ein abgerechneter Verwurf zulässig ist, sei es erforderlich, auf die tatsächliche chemisch-physikalische Stabilität der Anbrüche abzustellen. Es gebe Publikationen, denen zufolge Bortezomib lichtgeschützt und unter verschiedenen Temperaturbedingungen weitaus länger gelagert werde könne. 

Der Apotheker erhob Klage. Er war und ist überzeugt, dass sein Vergütungsanspruch auch den abgerechneten Verwurf umfasst. Die Verwürfe seien tatsächlich angefallen und unvermeidbar gewesen. Vor dem Sozialgericht Würzburg konnte er sich mit dieser Auffassung durchsetzen. Das Gericht hat ihm mit einem jetzt veröffentlichten Urteil vom April Recht gegeben.

Im Zweifel zählt die Fachinformation

Die Verwürfe seien unvermeidbar gewesen, heißt es im Urteil. Anders als die Kasse meint, sei für die Haltbarkeit eines Anbruchs die vom pharmazeutischen Hersteller zur Verfügung gestellte Fachinformation maßgeblich. Denn hierauf erstrecke sich die Zulassung des Arzneimittels. Hiermit korrespondiere die Regelung in Anlage 3 Teil 1 Anhang 1 der Hilfstaxe, dass bei dem Wirkstoff Bortezomib ein tatsächlich anfallender unvermeidbarer Verwurf maximal einmal innerhalb von acht Stunden abrechnungsfähig sei. Selbst wenn die Lösung länger haltbar sein sollte, könne und dürfe die daraus resultierende Verantwortung für das Inverkehrbringen eines solchen Arzneimittels in Zeiträumen jenseits der vom Hersteller angegebenen acht Stunden dem Kläger nicht aufgebürdet werden. 

Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Die beklagte AOK Bayern will in Berufung gehen.

SG Würzburg, Urteil vom 14. April 2016, Az. S 17 KR 260/14

 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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