Retax bei Copaxone

Fertigspritze ist gleich Injektionslösung, sagt die Barmer

Berlin - 16.06.2016, 19:05 Uhr

Der Rabattartikel, das Original von Teva, wurde in der Apotheke in der EDV  nicht angezeigt. (Foto: Teva)

Der Rabattartikel, das Original von Teva, wurde in der Apotheke in der EDV nicht angezeigt. (Foto: Teva)


Vom MS-Therapeutikum Copaxone sind neben dem Original auch zahlreiche Importe im Handel. Einer Apotheke wurde mehrmals bei Eingabe des verordneten Imports das Rabattpräparat nicht in der EDV angezeigt, weil die Darreichungsformen in der Taxe ungleich deklariert waren. Die Kasse retaxierte. Der Einspruch war bislang ergebnislos.

Eine Apotheke erhielt mehrfach Verordnungen über „Copaxone® 20 mg/ml ILO Fer Axic FER 28 St. N3“ (Wirkstoff: Glatirameracetat). Da die Software keinen Rabattartikel anzeigte, gab man den verordneten Import ab – insgesamt viermal. Kurz darauf flatterte eine Retaxation des Kostenträgers, der Barmer GEK, ins Haus. Abgesetzt wurden 5601,84 Euro mit der Begründung „Nichtabgabe der Rabattarznei“. Mittlerweile kam noch ein fünfter Fall hinzu. Die Retaxsumme beläuft sich auf über 7000 Euro.

Was war passiert? Bei den verschiedenen Copaxone®-Präparaten waren die Darreichungsformen unterschiedlich  deklariert. Einzelne, darunter das verordnete und abgegebene Präparat, tragen die Bezeichnung „ILO“ –  Injektionslösung, die Mehrheit, auch der Rabattartikel, läuft unter „FER“ – Fertigspritzen. 

DAP

Vertragliche Regelung fehlt

Diese beiden Darreichungsformen sind laut Anlage VII der Arzneimittelrichtlinie nicht austauschbar. Diese bezieht sich allerdings auf wirkstoffgleiche Arzneimittel, also Generika. Eine eindeutige rahmenvertragliche Regelung zur Austauschbarkeit von Import und Original bei abweichend deklarierter Darreichungsform gab es damals wie heute nicht. Die Barmer GEK hat trotzdem den Einspruch der Apotheke gegen diese unverschuldete „Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels“ abgelehnt.  

Die Kasse beruft sich dabei auf § 5 Abs. 2 des Rahmenvertrags. Dieser spricht hinsichtlich der Austauschbarkeit von Import und Original lediglich von einer „therapeutisch vergleichbaren“ Darreichungsform. Die Listung in der Anlage VII, also die gesetzliche Vorgabe und die für den allgemeinen Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel festgelegte Rahmenvertragsregelung, sei hier „unerheblich“, begründet die Barmer GEK die Ablehnung. Schließlich gehe es hier nicht um den Austausch wirkstoffgleicher Arzneimittel, da Import und Original arzneimittelrechtlich als gleichwertig angesehen würden. 

DAP

Kasse könnte auf Retax verzichten

Im neuen § 3 des Rahmenvertrags gibt es zwar nun eine bundesweit gültige Vereinbarung dazu, ob trotz anderslautendem „Aut-idem-Kreuz“  Rabattartikel vorrangig abzugeben sind. Die Frage, ob abweichend deklarierte Darreichungsformen beim Austausch vom Import und Original – wie im geschilderten Fall – ebenfalls nicht beachtet werden müssen, bleibt aber offen.

Die Apotheke kann nur hoffen, dass die Barmer GEK hier Einsehen hat und den Sachverhalt angesichts des neuen Rahmenvertrags nochmals überprüft. Schließlich wurde unverschuldet der nicht-rabattierte Import statt des rabattierten Originals abgegeben. Daher könnte die Kasse von ihren neuen Möglichkeiten (§ 3 (1) Rahmenvertrag) Gebrauch machen und ganz oder teilweise auf den Retax verzichten. 

Stellungnahme des DAV gefordert

Das Deutsche Apothekenportal, das den Fall veröffentlicht hat, fordert eine klärende Stellungnahme des DAV, ob Import und Original auch bei abweichender Darreichungsform als „gleich“ anzusehen sind.

Schließt sich der DAV der Kassenmeinung an, sollten die Software-Systeme so angeglichen werden, dass künftig in jeder Apotheke einheitlich die Austauschartikel angezeigt werden, schreibt das DAP weiter. Zeigt die Barmer GEK kein Einsehen, bleibt der Apotheke nur noch eine rechtliche Klärung gegen das Softwarehaus zu prüfen. Das war übrigens auch der Rat der Kasse.

Immerhin tragen bei Copaxone® nach Veröffentlichung des Retaxfalls alle Importe in der Apotheken-EDV die Kennzeichnung „FER". 


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4 Kommentare

Gleiches Problem mit Remicade Emra und Barmer GEK

von N. Hamann am 21.06.2016 um 17:48 Uhr

Ich habe derzeit ebenfalls das Problem mit der Barmer GEK.
Einspruch wurde abgelehnt, trotzt Schiedsurteil Nullretax.
Mich würde sehr interessieren welche Software die betroffene Apotheke im Copaxonefall nutzt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Austausch wird angezeigt

von Karl Friedrich Müller am 16.06.2016 um 12:11 Uhr

Tut mir leid, wenn ich die Importe in der Kasse eingebe, erscheint jedes Mal der Rabattartikel.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kein Wunder:

von Andreas P. Schenkel am 16.06.2016 um 12:48 Uhr

Des Rätsels Lösung: Siehe den letzten Satz dieses Artikels: "Immerhin tragen bei Copaxone® nach Veröffentlichung des Retaxfalls alle Importe in der Apotheken-EDV die Kennzeichnung „FER"."

Diese Retaxation ist rechtsfehlerhaft

von Andreas P. Schenkel am 16.06.2016 um 11:41 Uhr

Die hier dargestellte Retaxation durch die Barmer-GEK ist rechtsfehlerhaft. Die Kasse spielt hier gekonnt mit zwei unterschiedlichen arzneimittel- und versorgungs-rechtlichen Vorgaben, um sich um die Begleichung der geschuldeten Beträge an die Apotheke herumzumogeln.

1) So verschleiert die Barmer-GEK gekonnt, dass bei dem Arzneimittel Copaxone-"Original", für das die Barmer-GEK einen Rabattvertrag abgeschlossen hat, sowohl die Bestimmungen des Rahmenvertrags (nach § 129 SGB 5) für die Rabattarzneimittel als auch für die Import-Arzneimittel zu Anwendung kommen.

2) Gleichzeitig ignoriert die Barmer-GEK offensichtlich in voller Absicht, dass der Rahmenvertrag eindeutig und unzweifelhaft den Rabattarzneimitteln den Vorrang vor Importarzneimitteln gibt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Rahmenvertrag). Dies gilt dann aber auch für die hierfür anzuwendenden Bestimmungen. (nebenbei: Auch der Gesetzgeber, oberste Bundesgerichte, der GKV-Spitzenverband und weitere haben diese Sichtweise bisher immer geteilt)

3) Aus Punkt 2, dem Vorrang der Rabatt-Arzneimittel und dem Vorrang der Rabatt-AM-Bestimmungen, folgt unmittelbar und ohne jeden Zweifel, dass die Bestimmungen zur Austauschbarkeit von Arzneiformen anhand der Vorgaben für Rabatt-Arzneimittel angewendet werden MÜSSEN!
Deshalb gelten die Vorgaben des G-BA hierzu, wodurch die Apotheke das verschriebene Arzneimittel nicht austauschen durfte, weshalb die Barmer-GEK hier nicht zur Retaxierung berechtigt ist.

4) Die Apotheke hat in jeder Hinsicht das korrekte Arzneimittel abgegeben und ohne jeden Zweifel einen vertraglich und gesetzlich festgelegten Anspruch auf unverzügliche und vollständige Bezahlung der retaxierten Beträge.

Das Verhalten der Retaxationsstelle in diesem dargelegten Fall sollte außerdem auf mögliche Verwirklichungen von Straftatbeständen, insb. des § 263 Abs. 2 StGB (i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nrn 1, 2 u. 4 StGB), untersucht werden.

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