Selbstverwaltung

Wenn der Staatskommissar kommt…

Stuttgart - 17.06.2016, 19:00 Uhr

In letzter Minute: Nach viel Druck aus dem Bundesgesundheitsministerium hat die KBV unter ihrem Chef Andreas Gassen die nötigen Beschlüsse gefasst. (Foto: dpa / picture alliance)

In letzter Minute: Nach viel Druck aus dem Bundesgesundheitsministerium hat die KBV unter ihrem Chef Andreas Gassen die nötigen Beschlüsse gefasst. (Foto: dpa / picture alliance)


Was passiert, wenn eine kassenärztliche Vereinigung ihren Aufgaben nicht nachkommt oder rechtswidrig handelt? Das zuständige Ministerium kann einen Staatskommissar entsenden, der die Aufgaben des Vorstands übernimmt. Die KBV ist der Zwangsverwaltung gerade noch entkommen.

Unrechtmäßige Versorgungsansprüche, skandalträchtige Immobiliendeals und sittenwidrige Vereinbarungen: Wenn wie im Fall der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ein Partner der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen seinen Pflichten nicht nachkommt, ist der Staat in der Pflicht, für Ordnung zu sorgen. Als härteste Sanktion droht kassenärztlichen Vereinigungen, dass die Aufsichtsbehörde selbst oder ein von ihr bestellter Beauftragter ihre Aufgaben wahrnimmt, wie Paragraph 79a das SGB V es vorsieht. Ein solcher, vom Staat vorübergehend eingesetzter Zwangsverwalter einer Körperschaft wird auch als Staatskommissar bezeichnet.

Der Begriff führt derzeit zu viel Verwirrung: Von manchen Medien wird gemeldet, der Staatskommissar würde nun für Ordnung bei der KBV sorgen, andere schreiben das Gegenteil. Was stimmt?

Ein derartiger Staatskommissar wurde beispielsweise von der bayrischen Sozialministerin Christa Stewens eingesetzt, als die dortige kassenzahnärztliche Vereinigung vor zwölf Jahren im Zuge einer Gesundheitsreform ihren Aufgaben nach Ansicht des Ministeriums nicht nachkam. Klar ist, dass nach den anhaltenden Skandalen bei der KBV nun auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) es ernst meinte: Mit Schreiben vom 12. Mai kündigte es an, dass es die Geschäfte der KBV selbst führen oder einen Beauftragten bestellen werde, der die Sachverhalte aufarbeiten werde – wenn die Vertreter der Kassenärzte nicht innerhalb von zehn Tagen nötige Beschlüsse fassen, um im eigenen Haus aufzuräumen.

Erheblicher Widerstand, interne Spaltung

Dabei griff das Haus von Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe zu einer sehr deutlichen Wortwahl. Die Aufarbeitung vergangener Rechtsverstöße sei geprägt „von erheblichem Widerstand und einer internen Spaltung, die die Funktionsfähigkeit der KBV sowohl auf der Ebene der Organe als auch auf Arbeitsebene erheblich beeinträchtigen“, schrieb das Ministerium in seinem Schreiben, das DAZ.online vorliegt. Dies gefährde die Aufklärung und Beseitigung der Rechtsverstöße erheblich – und ginge zu Lasten der Körperschaft. Das bisherige Verfahren habe gezeigt, „dass unter diesen Bedingungen das Wohl und die Funktionsfähigkeit der Körperschaft mit den herkömmlichen Aufsichtsmitteln nicht mehr effektiv geschützt werden kann.“

Wie das BMG bestätigt, ist der Ernstfall nun abgewendet. „In Bezug auf die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Köhler, hat die KBV-Vertreterversammlung die erforderlichen Beschlüsse am 23. Mai 2016 gefasst“, erklärt BMG-Sprecherin Katja Angeli. Auch die anderen Beschlüsse sieht das Ministerium als erfüllt an. Daher greife die Regelung nach Paragraph 79a des SGB V nicht: Der KBV droht keine Zwangsverwaltung durch einen Staatskommissar.

Ende gut, alles gut?

Doch ganz sind die Kassenärzte der verschärften Aufsicht des BMG noch nicht entkommen: Es geht darum, Rechtsverletzungen beim Bau und Betrieb der neuen KBV-Zentrale in Berlin wieder zu reparieren. Zu diesem Zwecke hatten die Kassenärzte zusammen mit der Apotheker- und Ärztebank eine Tochtergesellschaft APO KG gegründet, welche das Haus der KBV vermieten soll. Die Beteiligung der KBV an der APO KG soll „zunächst in einen rechtmäßigen bzw. genehmigungsfähigen Zustand überführt werden mit dem Ziel der anschließenden Liquidation der Gesellschaft“, gab das BMG im Mai der KBV auf den Weg.

In dieser Sache habe das BMG einvernehmlich mit der KBV vereinbart, einen Beauftragten einzusetzen, „der die notwendigen Schritte zur Abwicklung der APO KG prüft und ergreift, um Rechtsverletzungen zu beheben und den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen“, erklärt Sprecherin Angeli. Da es zu einer Einigung kam, musste das Ministerium auch bei diesem Aspekt nicht zum gefürchteten Paragraph 79a greifen.

So ist die KBV vom Staatskommissar davongekommen – wenn auch mit einem oder eher zwei blauen Augen. Sprecher Roland Stahl ist zufrieden. „Wir haben eine einvernehmliche Vereinbarung, es kommt kein Staatskommissar – und gut ist“, sagt er gegenüber DAZ.online.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.