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Kino und Plakate
Unionspolitiker wollen Verbot für Tabakwerbung blockieren
Das von der Bundesregierung beschlossene Tabakwerbeverbot könnte wackeln: Mehrere einflussreiche Unionspolitiker stellen sich derzeit quer. Das geplante Gesetz wird diese Woche nicht wie geplant im Bundestag verhandelt. SPD und Kinderärzte kritisieren das Vorgehen scharf.
Das im April von der Bundesregierung verabschiedete Verbot von Zigarettenwerbung auf Plakaten und im Kino stößt derzeit auf erheblichen Widerstand in der Union. Eigentlich sollte es noch diese Woche in erster Lesung verabschiedet werden, was nun hinfällig ist. „Etliche Abgeordnete haben große Vorbehalte gegen weitere Verbote“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Gitta Connemann gegenüber der „Saarbrücker Zeitung“. „Darüber müssen wir reden.“ Aus ihrem Büro hieß es, es gäbe Bedarf für eine „grundlegende inhaltliche Diskussion“. Außerdem müsse noch geklärt werden, ob ein Werbeverbot verhältnismäßig ist, um den gesundheitlichen Verbraucherschutz zu stärken.
Auch Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, sieht dies ähnlich. Werbung für ein legales Produkt zu verbieten, sei ein „ziemlicher Eingriff“ – sie warnt vor „Schnellschüssen“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, bezeichnete die aktuelle Situation als „sehr ausreichend“. Seiner Meinung nach könne der Verbraucher selber entscheiden, was gut für ihn ist.
Union und der Druck der Tabaklobby
Die Reaktionen der Unionspolitiker richten sich damit gegen das erklärte Ziel von Verbraucherschutzminister Christian Schmidt, der weiterhin hinter dem Gesetzentwurf steht. Beim Koalitionspartner SPD treffen die Einwände auf Unverständnis. „Das offensichtliche Wackeln in der Unionsfraktion beim Thema Tabakwerbeverbot kann ich nicht verstehen und nur eindringlich die Kollegen daran erinnern, was wir nach langen Diskussionen vereinbart haben“, erklärte der suchtpolitische Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Blienert. „Es wäre ein Armutszeugnis für die Union, wenn sie sich dem Druck der Tabaklobby beugen würde und ein umfassendes Tabakwerbeverbot nicht umsetzt!“
Der SPD-Politiker verweist darauf, dass das Gesetz über Wochen und Monate abgestimmt worden sei. „Zudem wurden angemessene Übergangsfristen gewährt, so dass die Tabakindustrie sich lange genug auf alle neuen Regelungen einstellen konnte“, erklärt er – und betont, dass außer in Deutschland nur in einem weiteren Land der EU kein umfassendes Tabakwerbeverbot besteht. Dass die Union hier wieder das Fass aufmache, könne er nicht verstehen. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass nochmal auf Zeit gespielt wird“, sagt Blienert gegenüber DAZ.online.
Verbot auf der Kippe?
Auch der Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin, Manfred Gahr, kritisiert das Vorgehen scharf. „Wir Kinder- und Jugendärzte haben keinerlei Verständnis dafür, dass einige Politikerinnen und Politiker der CDU/CDU-Bundestagsfraktion die Interessen der Tabaklobbyisten ihres Wahlkreises höher gewichten als den Jugendschutz“, erklärt Gahr in einer Mitteilung. „Es darf nicht sein, dass die gut bezahlten Lobbyisten der Tabak- und Werbeindustrie einen solchen Einfluss auf die Politiker haben.“
Der Arzt verweist darauf, dass Kinder von Rauchern oftmals schon im Mutterleib geschädigt werden. „Rauchen ist der wichtigste vermeidbare Risikofaktor der Krebsentstehung, wobei die Beziehung zwischen Tabakkonsum und Lungenkrebs besonders auffallend ist“, sagt er. „Welche Argumente brauchen die Politiker noch, um ein Tabakwerbeverbot durchzusetzen?“
Steht das Werbeverbot nun tatsächlich auf der Kippe? „Ich will es nicht hoffen“, sagt SPD-Politiker Blienert.
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