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Gläserner Patient?
Versicherte haben kein Recht auf „Weiterleben in analoger Welt“
Die Pflicht zur elektronischen Gesundheitskarte verstößt nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: In einem Grundsatzurteil erklärte das Landessozialgericht Baden-Württemberg, dass Versicherte die Digitalisierung nicht verhindern dürften. Doch bei den erhobenen Daten steckt das Gericht die Grenzen neu ab.
In einem Grundsatzurteil hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg den Antrag eines Klägers abgewiesen, der als gesetzlich Versicherter die elektronische Gesundheitskarte nicht nutzen wollte. Der IT-Ingenieur war in Berufung gegangen und hatte auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gepocht: Seiner Meinung nach sind die Paragrafen 291a und 291b SGB V – die Rechtsgrundlage für die elektronische Gesundheitskarte – teilweise verfassungswidrig. Denn es bestünde keine ausreichende Kontrolle, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt die gespeicherten Daten in falsche Hände kämen, so der Ingenieur.
Insbesondere sei nicht sichergestellt, dass die Datenspeicherung nicht in einer über das Internet vernetzten, potenziell unsicheren Telematik-Infrastruktur erfolge. Ein vernünftiger Kranker mache sich in dieser Situation nicht zum Märtyrer des Datenschutzes, erklärte er laut dem Gericht.
Versicherte dürfen Digitalisierung nicht verhindern
Doch dieses wies die Klage ab: „Das Recht auf informationelle Selbstbestimmtung gewährt den Versicherten kein Recht auf Verhinderung der Digitalisierung und ‚Weiterleben in einer analogen Welt‘“, erklären die Richter in ihrem Urteil. Jeder Versicherte sei grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen.
Nach Ansicht der Richter verstoßen die gesetzlichen Vorschriften, die die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte betreffen, nicht gegen die Verfassung. Generell sei für die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung zusätzlicher sensibler Daten die Einwilligung der Versicherten erforderlich. „Dies wird durch verschiedene Regelungen zum Datenschutz und zu Maßnahmen zur Verhinderung missbräuchlicher Verwendung flankiert“, erklärte das oberste Sozialgericht Baden-Württembergs. „Damit wird insgesamt sichergestellt, dass der ‚gläserne Patient‘ nicht Wirklichkeit wird.“
Beim eRezept drohen erstmal keine Rechtsverletzungen
Gleichzeitig sagen die Richter, dass die Voraussetzungen und der Umfang der Speicherung sensibler Gesundheitsdaten gesetzlich klar geregelt und nicht Vereinbarungen zwischen den beteiligten Behörden überlassen werden darf. So zweifeln die Sozialrichter an, dass zulässig wäre, wenn der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen (KBV und KZBV) in einer technischen Vereinbarung die Datenerfassung erweitern würden. Wenn zukünftig zusätzlich zum „Versichertenstatus“ Merkmale wie die Teilnahme an bestimmten Programmen oder Angaben über eine spezialfachärztliche Versorgung auf der Karte gespeichert werden sollten, „dürfte dies nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt und unzulässig sein“, erklärt das Gericht. Im vorliegenden Fall war der Versicherte jedoch von keinem dieser zusätzlichen Merkmale betroffen, weshalb er nicht in seinen Rechten verletzt war.
Unklar ist für die Richter offenbar noch, wie ein auf der Gesundheitskarte gespeichertes elektronisches Rezept datenschutzrechtlich zu bewerten wäre. Dieses sei jedoch noch nicht eingeführt, „so dass derzeit eine Rechtsbeeinträchtigung weder ersichtlich ist noch in absehbarer Zeit drohen kann“, schreiben sie in ihrem Urteil.
Gegen die Entscheidung wurde die Revision nicht zugelassen. Da jedoch noch die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde besteht, ist es auch noch nicht rechtskräftig.
Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Az. L 11 KR 2510/15.
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