Neue Genschere Crispr

Großartige Chancen, immense Risiken

Berlin - 11.08.2016, 12:45 Uhr

Die Genschere CRISPR-CAS ist mit vielen Hoffnungen verbunden – doch Experten sehen auch Gefahren. (Foto: molekuul.be / Fotolia)

Die Genschere CRISPR-CAS ist mit vielen Hoffnungen verbunden – doch Experten sehen auch Gefahren. (Foto: molekuul.be / Fotolia)


Es gibt Momente in der Forschungsgeschichte, die alles verändern – etwa die Entdeckung der Antibiotika oder die des Erbmoleküls DNA. Mit der Genschere Crispr-Cas ist Forschern wieder ein solcher Coup gelungen. Doch Experten sehen eine Büchse der Pandora geöffnet.

Sind Crispr-Cas-Pflanzen genmodifiziert oder nicht?

Vielen Forschern seien nun Dinge möglich, von denen sie seit Jahrzehnten nur träumen konnten, sagt der Ethikrat-Vorsitzende und Theologe Dabrock von der Universität Erlangen-Nürnberg. Holger Puchta, Leiter des botanischen Instituts am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), nennt eine entscheidende Neuerung: Ältere Methoden riefen im Erbgut auch viele ungewollte Mutationen hervor. Mit Crispr-Cas sei deren Zahl weit geringer. Von der Ursprungspflanze sei ein solches Produkt anders als bei den bisher genutzten Methoden nicht mehr unterscheidbar. Mehrere so entstandene Sorten wurden bereits erprobt – etwa gegen Mehltau resistenter Weizen oder besonders stärkehaltiger Mais.

Das führt zu der viel diskutierten Frage: Sind mit Crispr-Cas geschaffene Pflanzen als genmodifizierte Organismen (GMO) oder als Züchtung einzustufen? „Darum gibt es einen riesigen Streit, hinter dem immense finanzielle Interessen stehen – der Unternehmen, aber auch der gegen Gentechnik engagierten Organisationen“, erklärt Dabrock. In den USA und Kanada werden solche Pflanzen nicht als GMO eingestuft. Die rechtliche Situation in der Europäischen Union sei derzeit „extrem unklar“, kritisiert Puchta.

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Genom-Editierung mit CRISPR-Cas9 von Thomas Winckler, Institut für Pharmazie, Universität Jena (DAZ 2016, Nr. 11, S. 48, 17.03.2016)

CRISPR/Cas9 - Kaum auszusprechen, aber eine Methode mit gewaltigem Potenzial! von Theo Dingermann und Ilse Zündorf, Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt  (DAZ 2015, Nr. 19, S. 46, 07.05.2015)

Missbräuchlich oder auch aus Unachtsamkeit könnten sich einige wenige genveränderte Lebewesen rasant ausbreiten, etwa auch Insekten, befürchten Experten. Auch die Gefahr, mit einer neuen Crispr-Sequenz zufällig eine ganz ähnliche Sequenz im Erbgut anderer Organismen zu erwischen – mit fatalen Konsequenzen – ist durchaus real. Ein US-Forscher stellte 2014 ein Viruskonstrukt vor, mit dem nach Inhalation über eine Crispr-Sequenz Mäuse mit Lungenkrebs geschaffen wurden. Nicht nur der Crispr-Pionierin Doudna soll es eiskalt den Rücken heruntergelaufen sein: Beim kleinsten Fehler könnte ein solches Crispr-Molekül auch in der menschlichen Lunge wirken.



Annett Stein, dpa Wissenschaftsredaktion
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Großartige Chancen, immense Risiken, erstaunlich dumme Menschheit

von Linus am 12.03.2017 um 13:43 Uhr

Die Menschheit glaubt immer noch, dass sie in jedes Fettnäpfchen treten darf, um aus Erfahrung zu lernen. Wenn sie diese Haltung nicht korrigiert, wird es irgendwann heißen: 'Ups, wir haben da einen kleinen Fehler im Gen-Tech-Labor gemacht: 5 Milliarden Menschen tot. Tut uns wirklich leid!'

Gefährliche Technologie muss verboten werden um das Leben zu schützen. Aber das wird die Menschheit erst nach dem ersten oder zweiten GAU im Bio-Tech-Bereich verstehen.

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