Kommentar zur GKV-Stellungnahme

Absurde Kassen-Logik

Berlin - 17.08.2016, 12:00 Uhr

Kein Verständnis: Dass die Apotheker in den Bereichen Rezepturherstellung und BtM-Abgabe seit Jahren unterbezahlt sind, sei seit Jahren bekannt, meint Thomas Müller-Bohn.

Kein Verständnis: Dass die Apotheker in den Bereichen Rezepturherstellung und BtM-Abgabe seit Jahren unterbezahlt sind, sei seit Jahren bekannt, meint Thomas Müller-Bohn.


Die Defizite der Apotheken bei Rezepturen und BtM sind offensichtlich, die geplanten Honorarerhöhungen daher notwendig. Die jüngste Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes dazu ignoriert die längst bekannten Zusammenhänge, meint Thomas Müller-Bohn.

Der GKV-Spitzenverband hat sich in einer Stellungnahme deutlich gegen die geplanten Honorarerhöhungen bei Rezepturen und BtM ausgesprochen. Das war zu erwarten. Doch angesichts des politischen Gewichts der GKV scheint es geboten, differenziert gegen die Position der GKV zu argumentieren.

Der GKV-Spitzenverband bemängelt fehlende Daten zur Apothekenhonorierung und mahnt, auf das diesbezügliche Gutachten zu warten. Doch zumindest bei Rezepturen und BtM sind die Probleme so offensichtlich, dass sie nicht noch ein weiteres Mal untersucht werden müssen. Das hat die Politik erkannt und will nun entsprechend handeln. Dass die geplanten Honorarerhöhungen nur die unübersehbare Spitze des Problem-Eisberges der Apotheken angehen, ist bereits das Zugeständnis an das ausstehende Gutachten. Über den bisher (für Außenstehende) unsichtbaren Teil des Eisberges wird danach zu sprechen sein.

Anders als der GKV-Spitzenverband unterstellt, führt der Festzuschlag für Rezepturen nicht zu einer Doppelhonorierung. Die Frage, welcher Teil des Rezepturhonorars schon jetzt für die Abgabe vorgesehen ist, stellt sich nicht. Dass der 90-Prozent-Aufschlag ein Beratungshonorar enthalten würde, ist allein schon aufgrund des absoluten Betrages absurd. Denn bei sehr vielen niedrigpreisigen Rezepturen kommen mit diesem Aufschlag längst keine 8,35 Euro zusammen. Der 90-Prozent-Aufschlag soll vielmehr das Handling des Ausgangsstoffes und die vorgeschriebene Prüfung finanzieren, reicht dafür aber oft nicht aus. Bei großen Einkaufschargen und eher hochpreisigen Wirkstoffen kann der 90-Prozent-Aufschlag das Defizit aus der eigentlichen Herstellung etwas mindern. Doch im Ergebnis reicht das ganze bisherige Rezepturhonorar nicht einmal für die Herstellung und Prüfung. Für die Beratung bleibt nichts übrig. Das hat der Autor dieses Kommentars schon vor über zehn Jahren in einer umfangreichen Arbeit nachgewiesen. Inzwischen sind die Kosten und durch die Novelle der Apothekenbetriebsordnung auch die Anforderungen gestiegen, nicht aber das Honorar. Dies muss nicht nochmals gezeigt werden. Mit dem Festzuschlag für Rezepturen wird nur eine Ungereimtheit beseitigt, die bei der Einführung des Kombimodelles übersehen wurde.

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Ebenso offensichtlich ist die Situation bei der BtM-Gebühr. Das neue Honorar würde den Apotheken nur ermöglichen, die Gebührenforderungen des Großhandels weiterzugeben. Mehr Geld für Rezepturen und BtM ist daher eine überfällige Reaktion auf lange zurückliegende Entwicklungen. Die Probleme gab es schon lange, bevor das Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Außerdem ist die geplante Honorarerhöhung ein Ausdruck der neuen politischen Sichtweise, dass Gemeinwohlpflichten nicht ruinös wirken sollen. Darum muss das Einzelhonorar zumindest die unumgänglichen Teilkosten einer Leistung abdecken. Wenn dies der politische Wille ist, kann das eben gewährte Honorar aber nicht zugleich an anderer Stelle abgezogen werden.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

BTM-Gebühr

von K. Vogel am 18.08.2016 um 8:23 Uhr

Wo bitte ermöglicht mir die BTM-Gebühr, die Gebührenforderungen des Großhandels weiterzugeben?
Der eine GH berechnet für den "BTM-Abgabebeleg" 1 €, der andere 2 €, netto wohlgemerkt. Und bei unserer Apothekengröße kommen schon 3-4 BTM/Woche zusammen. Allerdings kann ich keinem Patienten zumuten, zu warten, bis ich vier oder gar acht Rezepte zusammen habe, um hier wenigstens kostendeckend zu arbeiten!

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Fehlende Daten oder Geringschätzung ?

von Bernd Jas am 17.08.2016 um 17:34 Uhr

Eine typische Rezeptur zur palliativen Versorgung:

Hydromorphon HCl 0,0451g 3,25
Kaliumsorb. 0,075g 0,02
Citronensäure 0,038g 0,02
Wasser zu Inj.zw. ad 50,0g 0,08
Gewindeflasche 50ml 0,68
Dosierpipettenset 1St. 1,29
Kindersich.Verschl. 1St. 0,25
Qualitätszuschlag 1,46
MwSt. 1,81

Summe: 11,36 €


Da kann man jedes Mal ein Fass aufmachen, wenn dann noch die 0,26 € an BTM-Gebühr draufgerechnet werden darf. Wobei aber ein Blick in dieses Fass nur den Gipfel der Bodenlosigkeit offenbart.

Zukünftig könnten es dann 20,58 € sein, um die Kosten hier in nicht erreichbarer Höhe zu decken.
Und dafür halten wir eine PTA, eine Apothekerin, ein Labor, eine Rezeptur, eine Plausibilitätsprüfung, ein Herstellungsprotokoll, eine Ausgangsstoffprüfung, mehrere Hilfsstoffprüfungen, Einmal-Schutzhandschuhe, Atemschutz, Desinfektionsmittel, einen Hygieneplan, QMS, eine BTM-Kartei und eine vor allem fehlerfreie aber nicht retaxsichere Abrechnung bereit.
Und nebenbei kommt man sich noch so vor wie ein Flamingo, der immer mit einem Bein im Gefängnis steht.
Danke für die allumfassende Missachtung unserer beruflichen Tätigkeiten.
Und auch ich bin wie Herr Dr. Dieffenbach schon schrieb, nicht dazu angetan, diese Art „Partnerschaft“ auf Dauer zu akzeptieren.

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AW: Honorarfragen und Kassenlogig laufen absolut eingleisig in Richtung KKassen.

von Heiko Barz am 17.08.2016 um 18:48 Uhr

Natürlich teilen wir, jedenfalls die Meisten, Ihre Meinung.
Die Konsequenz aber, beschrieben in Ihrem letzten Satz, ist doch ganz einfach gesagt unser Hauptproblem. Erreichen wir je wieder die Unabhängigkeit wie vor 2004 ?
Das Damoklesschwert der Apoketten hat uns damals jede Vernunftbasis genommen. Diese Unterwürfigkeit hat den politisch Handelnden das Bewußstsein geschärft, mit den Apothekern Alles nur Denkbare bei deren Hilflosigkeit auszunutzen.
Ich gebe es schriftlich, käme irgendein Apofunktionär auf die absurde Idee, einen Streik zu formulieren, würden sofort der Staat und die von ihm geschützten Krankenkassen mit Maxht auf Kettenbildung hinwirken.
Leider aber so habe ich in einer fast 50 jähriger Praxis die Erfahrung gesammelt, dass sofort bestimmte Kollegen, diese Situation zu ihrem Vorteil ausnutzen wissen.
Erkenntnis: Die Deutsche Apothekerschaft ist keine geschlossene Powergroop und mit einer ideenlosen und praxisfernen "Führung" zur Untätigkeit verurteilt.

Gemeinwohl

von Karl Friedrich Müller am 17.08.2016 um 14:03 Uhr

Vergessen Sie mal dieses ewige " Gemeinwohlpflichten".
Das ist für Apotheken nur ein Synonym für:
Ihr kriegt nichts
Ihr macht es umsonst
Wir ziehen Euch das Fell über die Ohren!
Ärzte haben auch Gemeinwohlpflichten und haben sehr wohl sehr viel mehr Geld bekommen in den letzten Jahren!
Gemeinwohlpflichten und Honorierung haben nichts miteinander zu tun!
Im Übrigen geht mir die ewige Polemik der KK und anderer gegen uns gegen den Strich. Das ist unerträglich und auch rational nicht mehr begründbar, ja krank.

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