Otitis media

Neues Gerät soll Diagnosen bei Mittelohr-Erkrankungen verbessern

Cambridge / USA - 23.08.2016, 12:30 Uhr

Mittelohrentzündung: einer der häufigsten Gründe für Arztbesuche bei Kindern (Foto: Robert Kneschke / Fotolia)

Mittelohrentzündung: einer der häufigsten Gründe für Arztbesuche bei Kindern (Foto: Robert Kneschke / Fotolia)


Mit einer neuen Strahlentechnik können Ärzte das Mittelohr besser als bisher durchleuchten. Es soll helfen, Fehldiagnosen etwa bei Mittelohrentzündungen zu reduzieren.

Ein Gerät auf Basis von kurzwelligem Infrarot-Licht könnte einer Studie zufolge die Diagnose von Erkrankungen des Mittelohrs deutlich verbessern. Das handliche Instrument, das dem gängigen Otoskop ähnelt, könne dort nicht nur kleinste Knöchelchen abbilden, sondern mitunter sogar Sehnen und Nervenäste, schreibt ein Team um Moungi Bawendi vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den Proceedings der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“). Besonders geeignet ist das Gerät demnach für die Diagnose von Mittelohrentzündungen, einem der häufigsten Gründe für Besuche von Kindern in Arztpraxen.

Ein Problem der gängigen Untersuchungen mit sichtbarem Licht per Otoskop ist demnach, dass dieses Licht nicht tief ins Gewebe eindringt und zudem noch gestreut wird, vor allem durch das Trommelfell. Nun präsentieren die Forscher ein etwa 20 Zentimeter langes Gerät auf Basis von kurzwelligem Infrarot-Licht (SWIR, Shortwave Infrared Light) einer Wellenlänge von 1000 bis 2000 Nanometern, das durch technische Fortschritte der vergangenen Jahre handlich und auch erschwinglich geworden sei.

Größerer Bereich sichtbar

Das Sichtfeld hat demnach einen Durchmesser von gut einem Zentimeter, mit einer maximalen Auflösung bis 45 Mikrometer (Tausendstel Millimeter). Es könne im Gegensatz zum Otoskop nicht nur den Hammer (Malleus) abbilden, sondern die gesamte Gehörknöchelchen-Kette (die Mittelohrknochen), also Hammer, Amboss (Incus)und Steigbügel (Stapes), darüber hinaus noch das Promontorium, eine Vorwölbung der Hörschnecke ins Mittelohr, sowie oft sogar die Steigbügel-Sehne und den Geschmacksnerv (Chorda tympani), ein Ast des Gesichtsnervs.

Die Abbildung der Knöchelchen sei wichtig, um etwa bei einem Hörverlust eine Otosklerose, die mit einem Knochenumbau einhergeht, oder ein Cholesteatom, auch Perlgeschwulst genannt, abklären zu können. „Das SWIR-Otoskop ermöglicht die Visualisierung anatomischer Strukturen, die gewöhnlich wegen schlechter Übertragung des sichtbaren Lichts durch das Trommelfell nicht feststellbar wären“, schreibt das Team.

Weniger Fehldiagnosen als mit dem Otoskop

Das Gerät biete sich insbesondere für Mittelohrentzündungen (Otitis media) an. Dies sei in den USA bei Kindern der zweithäufigste Grund – nach Atemwegsinfekten – für Arztbesuche. Per Otoskop gebe es viele Fehldiagnosen, die Rate der korrekten Diagnosen betrage bei Allgemeinmedizinern 46 Prozent, bei Kinderärzten 51 Prozent und selbst bei HNO-Ärzten nur 76 Prozent, schreiben die Autoren. Fehldiagnosen könnten einerseits zu überflüssigen Operationen und Verordnungen von Antibiotika führen, andererseits bei Kindern längerfristige Hör- und Sprechprobleme auslösen.

Das SWIR-Verfahren könne im Gegensatz zum herkömmlichen Otoskop Flüssigkeitseinlagerungen wesentlich kontrastreicher abbilden, betonen die Forscher. Da das Gerät sich ähnlich bedienen lasse wie ein Otoskop, könnten Mediziner das Verfahren schnell lernen. Die Forscher haben einen Patentantrag auf das Gerät gestellt.

Noch offene Fragen

Ein unabhängiger deutscher Experte hält das Gerät für eine gute Weiterentwicklung des Otoskops, sieht aber noch offene Fragen. „Für einen weniger erfahrenen Arzt könnte das Gerät zur Diagnose einer akuten Mittelohrentzündung sicher sehr hilfreich sein“, sagt der HNO-Mediziner Jan Peter Thomas von der Ruhr-Universität Bochum. Tatsächlich werde eine solche akute Otitis media bislang vermutlich häufig fehldiagnostiziert, was zu einem höheren Antibiotikaeinsatz führe als unbedingt nötig. Die in dem Artikel beschriebene deutlich bessere Darstellbarkeit eines eitrigen Paukenergusses als Kriterium für eine akute Mittelohrentzündung könne zu einer korrekten Diagnose beitragen. „Die Abbildungen in dem Artikel zeigen im Vergleich zum Otoskop eine deutliche bessere Qualität des Bildes. Ob dieses jedoch tatsächlich ausreicht, um auch andere Erkrankungen wie etwa Otosklerose eindeutig zu diagnostizieren, muss zum jetzigen Zeitpunkt hingegen noch kritisch eingeschätzt werden.“ 


Walter Willems, dpa
redaktion@daz.online


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