Kommentar nach Brüggen-Bracht

Wo ist Gröhe?

Stuttgart - 29.08.2016, 11:45 Uhr

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU – unten) auf Sommerreise, Station im Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. (Foto: dpa)

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU – unten) auf Sommerreise, Station im Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. (Foto: dpa)


Während Gesundheitspolitiker aller Bundestag-Fraktionen die Heilpraktiker-Gesetze überarbeiten wollen, hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe anderes im Sinn: Er reist durch die USA und Deutschland und schüttelt Hände. Er sollte sich auch der Regulierung der Alternativmedizin annehmen, meint DAZ.online-Chefredakteurin Nicola Kuhrt.

Eines muss man Hermann Gröhe lassen: Der Bundesgesundheitsminister macht das, was man sich traditionell unter wahrer Sommerloch-Politik vorstellt: Er reist durch die Lande, öffnete dieses Wochenende sein Haus in Berlin für einen Tag der offenen Tür und beglückt in der Heimat die Teilnehmer des großen Schützenfests. Eitel Sonnenschein, also. 

Doch die Reaktion seines Ministeriums auf den Fall des „Biologischen Krebszentrums“ im nordrhein-westfälischen Brüggen-Bracht, bei dem nach einer Therapie mindestens drei Krebskranke verstorben sind, erfolgte wohl höchstens reflexartig: Großes Beileid. Aber: Die „Überprüfung und die Erteilung der Erlaubnis liegen wie auch die Überwachung der Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Heilpraktiker in der Verantwortung der Länder“ – wie auch der „Vollzug des Heilpraktiker-Gesetzes“.

Das ist eine magere Reaktion, wenn man die Umstände bedenkt: Die Patienten waren, verzweifelt über ihre schwere Erkrankung, insbesondere aus den Niederlanden zum „Heilmeister“ nach Brüggen gereist, weil Heilpraktiker hierzulande freier therapieren dürfen. Der Betreiber der Tagesklinik in Brüggen-Bracht hatte auf seiner Webseite seine Therapie als wirksamer als eine Chemotherapie dargestellt – und den Krebskranken einen bislang wenig geprüften und nicht zugelassenen Wirkstoff verabreicht. Als es zu Komplikationen kam, rief er nicht den Notarzt, sondern riet offenbar zu Vitaminen. 

Dass die Ereignisse nicht reichen, um im Bundesgesundheitsministerium einmal über eine grundsätzliche Überarbeitung der hier geltenden Auflagen für Heilpraktiker nachzudenken, ist bedenklich. Auch die Tatsache, dass das hier geltende Heilpraktiker-Gesetz noch aus Nazi-Zeiten stammt, scheint an der Friedrichstraße niemanden wirklich zu stören. 

Heilpraktiker-Gesetz überarbeiten – Wunsch auch vieler Heilpraktiker  

Es geht jetzt nicht darum, Heilpraktikern generell das Vertrauen oder die Kompetenz abzusprechen. Doch tatsächlich braucht es in Deutschland aktuell nicht viel, um als Heilpraktiker tätig zu werden: Man muss mindestens 25 Jahre alt sein, nicht vorbestraft, ein Seminar zum Thema belegt haben und eine Prüfung ablegen, die sicherstellen soll, dass Heilpraktiker nicht zur „Gefahr für die Volksgesundheit“ werden. Später gibt es nur nach Hinweisen oder Zwischenfällen Überprüfungen durch die Ämter.

„Es kann nicht sein, dass ein Klempner oder eine Pommesbude stärker unter Aufsicht der Behörden steht als ein medizinischer Dienstleister“, kommentierte das der Patientenschützer Eugen Brysch – und Recht hat er. Es ist problematisch, dass es für Heilpraktiker im Gegensatz zu anderen Gesundheitsfachberufen keine Ausbildungs- und Prüfungsordnung gibt. Weder Ausbildungsinhalte und Ziele noch Dauer oder Zugangsvoraussetzungen sind geregelt, eine staatliche Abschlussprüfung gibt es nicht. Und das, obwohl Heilpraktiker ähnlich weitreichende Kompetenzen wie Ärzte haben – und viele Heilpraktiker selbst diese überprüfbaren Auflagen gutheißen würden, um ihre Berufsgruppe endlich aus den Negativschlagzeilen zu holen.

Wann, wenn nicht jetzt, wäre es die Aufgabe Gröhes, nachhaltig zu handeln?

Mit dem üblichen Schwarze-Peter-Verweis an die Landesbehörden war der Bundesgesundheitsminister raus aus der Sache und stieg Anfang August erst einmal in den Flieger Richtung USA. Auf seiner Sommerreise dort wollte er sich unter anderem darüber informieren, wie in den USA Krebs therapiert wird. Derweil entbrannte in der Heimat dann dennoch die Debatte, ob das Heilpraktiker-Gesetz vielleicht doch einmal neu geregelt werden sollte. Und wie es sein kann, dass ein Heilpraktiker ein noch absolut nicht erprobtes Arzneimittel einsetzen darf – wenn es um Leben und Tod geht. Sicher, schwarze Schafe gibt es in jedem Beruf und auch die Schulmedizin macht nicht jeden gesund. Aber der Freiheiten, die die derzeitige Situation bietet, sind es einfach zu viele.

Es wäre Zeit, dass Gröhe reagiert. Sein Verweis auf die Länder ist umso unverständlicher, weil deren Gesundheitsminister ihn erst kürzlich auf der gemeinsamen Konferenz in Rostock-Warnemünde aufgefordert haben, sich dem Thema anzunehmen. Einstimmig.

Doch was machte Gröhe? Kaum zurück aus den USA, zog er durch Deutschland. Sommerreise, ein treues Journalisten-Gefolge im Schlepptau. Und sagt – die nächste Wahl steht schließlich bevor – dass ihm sein Job als Gesundheitsminister „Spaß macht“, und dass er sich vorstellen könne, diesen auch in der nächsten Amtszeit auszuführen.

Derweil übernehmen andere die Debatte. Gröhes Staatssekretär und Patientenbeauftrager der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), forderte eine „gründliche Prüfung“ der Rechte von Heilpraktikern. Wortstark und krachend hat sich dann am Wochenende ausgerechnet Josef Hecken eingeschaltet. Keine Kassen-Gelder für Homöopathie, als Krebstherapie ein Verbot, fordert ausgerechnet der eigentlich zu einer unparteiischen Haltung verpflichtete Chef des Gemeinsamen Bundesauschusses in der FAZ. Aber er sei bereit, Schelte für seinen Vorstoß einzustecken, sagt Hecken. Er träumt wohl weniger von der Wiederwahl. 


Nicola Kuhrt, DAZ.online
nkuhrt@daz.online


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1 Kommentar

Gröhe schweigt

von Alexander Zeitler am 30.08.2016 um 0:55 Uhr

Was soll der Ahnungslose auch sagen? Dann lieber Schützenfest. Da kann er den Vogel abscjhiessen.
Womäöglich würde es sonst heissen: Si tucuisses.....

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