Arzneimittelfälschungen

Forscher setzen alles auf eine Karte

01.09.2016, 12:30 Uhr

Selten sind Arzneimittel-Fälschungen so offensichtlich: Gewissheit liefern spektroskopische und chromatographische Analysemethoden. (Foto: djama / Fotolia)

Selten sind Arzneimittel-Fälschungen so offensichtlich: Gewissheit liefern spektroskopische und chromatographische Analysemethoden. (Foto: djama / Fotolia)


Weltweit nimmt die Zahl gefälschter Arzneimittel zu. Viele Plagiate lassen sich mit moderner Technik rasch identifizieren. Spektrometer trennen die Spreu vom Weizen – sind aber teuer. Jetzt präsentieren französische Forscher Schnelltests für nur einen Dollar. 

Vom 30. Mai 2016 bis 7. Juni 2016 haben Zollbehörden aus 103 Ländern mehrere internationale Schmugglerringe zerschlagen und zwölf Millionen Arzneimittel beschlagnahmt. Rund 50.000 Präparate waren es allein in Deutschland. Dabei handelte es sich keineswegs nur um Lifestyle-Präparate, sondern auch um Antibiotika, Virustatika, Cholesterinsenker oder Arzneimittel zur Malariaprophylaxe. Verbraucher kaufen Arzneimittel auch häufig im Internet und freuen sich, verschreibungspflichtige Pharmaka jenseits europäischer Grenzen auch ohne Rezept zu erhalten.

Die Ermittler fangen nur einen Bruchteil ab – dass so manches Pharmakon in der legalen Lieferkette landet, lässt sich nicht ausschließen. 

Teure Analytik

Fälschungen lassen sich mit Geräten zur instrumentellen Analytik rasch aufdecken. Nahinfrarotspektrometer sind beispielsweise in Apotheken zu finden, die auch Defekturen herstellen. Im universitären Bereich kommen Massenspektrometer, Gaschromatographen, NMR-Spektrometer oder gekoppelte Messtechniken zum Einsatz. Sie erfordern ein großes Budget und liefern ohne Fachkräfte kaum brauchbare Resultate. Für Feldeinsätze sind sie nahezu unbrauchbar.

Prinzip: Qualitative Analytik aus dem ersten Semester Pharmazie

Marya Lieberman von der University of Notre Dame hat sich eingehend mit der Problematik befasst. Sie erinnerte sich an chemische Farbreaktionen, die Pharmaziestudenten in den ersten Semestern lernen. Das gleiche Prinzip setzte sie mit Chromatographiepapier um. Per Tintenstrahldrucker entstanden hydrophob voneinander abgetrennte Bahnen. Nach der Fixierung im Ofen brachte Lieberman per Pipettierroboter einzelne Reagenzien auf, wie sie zur Identitätskontrolle in Apothekenlabors bis heute verwendet werden. Die einzelnen Blätter werden bis zur Verwendung in Plastikbeutel verpackt. Mittlerweile sind über 15.000 Testkarten entstanden, sogenannte Paper Analytical Devices (PADs).

Zur Anwendung brauche es keinen pharmazeutischen Sachverstand, schreiben die Entwickler. Anwender tragen lediglich den zerkleinerten Arzneistoff auf, tauchen den Karton in Wasser und warten, bis sich die Flüssigkeit hochgesaugt hat – wie bei Chromatogrammen. Nach fünf Minuten treten typische Farbreaktionen auf, anhand derer sich bis zu 60 wirksame Moleküle qualitativ zweifelsfrei identifizieren lassen.

In einem weiteren Projekt geht es um quantitative Reaktionen. Am Beispiel des saltPAD zeigt Liebermann, wie sich der Iodatgehalt von Speisesalz per Iodometrie unter widrigen Umständen durchführen lässt.

Nutzen für Apotheken in Deutschland?

Die Forscherin hat PADs und saltPAD vor allem für den Einsatz in schlecht entwickelten Ländern mit fehlender Infrastruktur konzipiert. Doch: Sind diese Tests nur für diese Länder von Nutzen? Dazu ein Blick auf Deutschland. Seit der neuen Apothekenbetriebsordnung sind Apotheker nicht mehr verpflichtet, bestimmte Reagenzien vorzuhalten. Jedoch müssen Geräte und Prüfmittel für in der Apotheke hergestellte Arzneimittel und ihre Ausgangsstoffe vorhanden sein.

Die in Arzneibüchern veröffentlichten Monographien zu bestimmten Wirkstoffen sind meist aufwendig und haben kaum noch Bezug zur Praxis. Mit einem schnellen, bezahlbaren Test könnte dies auch Apothekern den Arbeitsalltag bei der Arzneimittelprüfung erleichtern. 


Michael van den Heuvel, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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