Anhörung im Bundestag

Experten kritisieren Cannabis-Gesetz

Berlin - 21.09.2016, 18:30 Uhr

Cannabis als erstattungsfähiges Arzneimittel – noch ist man uneins, wie die Voraussetzungen genau aussehen sollen.  (Foto: Wollertz / Fotolia)

Cannabis als erstattungsfähiges Arzneimittel – noch ist man uneins, wie die Voraussetzungen genau aussehen sollen.  (Foto: Wollertz / Fotolia)


Schwer kranke Patienten sollen auf Kassen-Kosten einen leichteren Zugang zu Cannabis-Arzneimitteln bekommen. Experten begrüßten im Bundestags-Gesundheitsausschuss zwar die Intention des Gesetzentwurfs, kritisierten verschiedene Aspekte jedoch erheblich. Umstritten ist auch die Apotheken-Vergütung.

Mit ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften will die Bundesregierung dafür sorgen, dass bestimmte Patienten künftig getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in kontrollierter Qualität auf ärztliche Verschreibung hin in Apotheken erhalten können. Außerdem soll die Verschreibungsfähigkeit für weitere Cannabis-Fertigarzneimittel hergestellt werden. Bislang ist mit Sativex® erst ein einziges Cannabis-haltiges Fertigarzneimittel zugelassen und in Verkehr.

Am heutigen Mittwoch fand im Gesundheitsausschuss des Bundestags die öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf statt. Unter den Experten gab es viel Zuspruch für die Pläne – aber auch deutliche Kritik an der konkreten Ausgestaltung.  

Knackpunkte Evidenz und Austherapiertheit

Eine zentrale Frage war, wie damit umzugehen ist, dass keine harten Evidenz-Belege für Cannabis zu medizinischen Zwecken vorliegen. Nicht zuletzt deshalb ist es eine Anspruchsvoraussetzung, dass eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung  steht. Professor Kirsten R. Müller-Vahl vom Zentrum für Seelische Gesundheit an der Medizinischen Hochschule Hannover sieht sich allerdings durch ihre Erfahrungen in der Praxis bestätigt: Es gebe schlicht „keine Zweifel, dass Cannabis als Arzneimittel wirksam ist“, auch wenn konkrete Daten zur Evidenz noch fehlen.

Eine Vertreterin der BAG Selbsthilfe kritisierte das Erfordernis der „Austherapiertheit“ als unerwünschten „Flaschenhals“. Es müsse mehr Möglichkeiten für den Einzelfall geben, da nicht stets verlangt werden könne, dass vorher jedwede schulmedizinische Therapie ausprobiert wurde.

GKV-Spitzenverband: Beängstigender Systembruch

Anders sehen es Vertreter des GKV-Spitzenverbands. Sie betonten immer wieder, dass es sich bei den gesamten Plänen um einen „Systembruch“ handele, der mit seiner Präzendenzwirkung durchaus ängstigen könne.  Erstmals werde ohne die Sicherheit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung die Erstattungsfähigkeit hergestellt. Daher dürfe Cannabis zu medizinischen Zwecken auch wirklich nur dann zur Verfügung gestellt werden, wenn es keine den medizinischen Standards entsprechende Therapie mehr gebe. Es sei also richtig, dass die Verordnungs- und Erstattungsfähikgeit an so enge Voraussetzungen geknüpft werde.  Antje Haas vom GKV-Spitzenverband wollte sich trotz dieser Bedenken allerdings „keine generelle Negativhaltung“ unterstellen lassen. Die Intention des Gesetzes trage man durchaus mit, betonte sie.

Unangemessene Apotheken-Vergütung?

Zur Sprache kam hier auch die Vergütung der Apotheken. Sabine Dittmar, in der SPD zuständig für Apotheken, hakte beim GKV-Spitzenverband nach, der in seiner Stellungnahme die Preisbildung für die Abgabe von Cannabisblüten kritisiert hatte. Da es sich bei der Abgabe in der Apotheke um eine Abgabe von Stoffen in unveränderter Form handele, würde gemäß Arzneimittelpreisverordnung ein Aufschlag von 100 Prozent auf den Einkaufspreis der Apotheke berechnet. Wenn es um Pfefferminze oder Kamille geht, ist das für den GKV-Spitzenverband in Ordnung. Doch Cannabis schlage mit etwa 18 Euro pro Gramm zu Buche – eine ganz andere Größenordnung. Warum sollte ein Apotheker für das Umfüllen eines Stoffes so unterschiedlich honoriert werden? Für den GKV-Spitzenverband stellt sich hier die Frage der Angemessenheit. Aus seiner Sicht setzt sich damit bei der Preisbildung der von ihm beklagte Systembruch fort.

ABDA wird nicht gefragt

Nicht zu Wort kam hingegen Dr. Christiane Eckert-Lill, die ABDA-Geschäftsführerin Pharmazie, die als eine der Expertinnen bei der Anhörung anwesend war. Die ABDA hatte in ihrer schriftlichen Stellungnahme unter anderem gefordert, die zulässigen Applikationsformen zu definieren. Es sei inakzeptabel, Cannabis zu rauchen und für Kekse gebe es keine standardisierten Verfahren. Denkbar wäre beispielsweise eine Dampfinhalation.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Applikationen

von Stevan Menicanin am 22.09.2016 um 10:16 Uhr

Der naturgemäße Umgang ist das "Knarzen" wie es einst die Bauern am Feldrand taten.
Eine 80ig. jährige Frau mit einem Joint mag eigenartig anmuten, nicht aber wenn sie in den 60igern. Ihren BH verbrannte, um dann nackt in einem See zu schwimmen.
Die inhalation ist die sicherste Methode, sich dieser Medizin zu bemächtigen.
Vaporizer die nur die ätherische Öle, für die inhalation lösen, verzichten auf Rückstände, die bei einer Verbrennung auftreten.
Der größte Vorteil ist jedoch bei der inhalativen Form, die genaue Dosierung.
Der Cannabis Rausch kommt relativ schnell und lässt den Konsumenten, noch beim Konsum, die Möglichkeit, einer empfundenen Dosierung selbst zu bestimmen.
Weshalb das Medikament nicht überdosiert wird, es sei den man möchte es.
Anders bei Tropfen und Tabletten, kann der Rauch unterbrochen werden.
Immerhin interagiert Delta 9 THC mit dem körpereigenen Cannabinoiden und wer wenn nicht der Patient selbst, weiß die Dosierung besser einzusetzen.
Wein trinkt man aus einem Glas und zum Kochen wird es auch nicht selten benutzt.
Was ich sagen möchte ist, dass der Patient evtl. durch Vorgaben von Leuten die keine Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben, in der persönlichen Applikationsform gehindert werden.
Die "austherapiert sein" Regelung, greift hier genau so in die Selbstbestimmung des Patienten ein.
Da werden Tabletten Spritzen und und und in den Patienten eingeführt.
Cannabis, welches man selbst Steuern kann und zwar schon während des inhalierens, gibt es erst wenn die pharmazeutische Keule ihre Grenze erreicht hat.
Dann gibt es noch zu bemerken, Gras ist nicht gleich Gras.
Es gibt belebende und beruhigende Sorten.
Mit mehr CBD und weniger CBD.
Synergien der ganzen Blüte, auf Körper und Geist, ist nur ein Grund, für ein 95% Marktanteil zum Hasch.

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